Mond und Sterne

Der Anonymus bietet Mitgliedern die Möglichkeit, ein Werk sowohl anonym einzustellen, als auch anonym (auf die Rückmeldungen) zu antworten. Bitte lest euch die FAQs gut durch, bevor ihr etwas in diese Rubrik einstellt.)
Gast

Beitragvon Gast » 15.11.2007, 00:49

Mond und Sterne


Wo ist der Traum geblieben,
den wir im Juni träumten?
Wo die Sterne schienen,
uns den Mond umsäumten?

Am Fuße der Platane,
auf weichem Wiesengras. . .
Verloren sind die Jahre
ohne Raum, Zeit und Maß.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 18.11.2007, 08:43

Ich möchte die vorigen Kritiken nur ergänzen, beschränkend auf die letzte Zeile, wo es heißt: ohne Raum, Zeit und Maß. Ich meine, "Raum" und "Zeit" gehören bereits zum "Maß"; aus diesen drei Wörtern eine Aufzählung zu machen, klingt daher in meinen Ohren wie ein verzwungener Notreim. -- Es gibt da aber noch eine andere Leseweise, eine, die Sinn macht: Der Autor ist ein bayrischer Biertrinker und jenes ist ein Maß.

Max

Beitragvon Max » 18.11.2007, 11:44

Das Gedicht ist leider durch seinen Hang zum Romantisieren ungenau. Ein sternumsäumter Mond ist mir jedenfalls auf diesem Planeten noch nicht umtergekommen, dazu braucht es vermutlich weniger Atmosphäre (nicht im Gedicht, auf dem Planeten!).
Jahre ohne Zeit in der letzten Strophe hat schon fast etwas Dadaistisches ...

Ich glaube ich schließe mich Pjotrs Interpretation an (von dem ich mich freue wieder zu lesen)

Liebe Grüße
Max

carl
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Beitragvon carl » 19.11.2007, 12:22

Lieber Sam,

ich habe nicht gesagt, dass ich das Gedicht gut finde, sondern die Kritik schlecht.
Imerhin habe ich mich Arams ironischen Kommentar angeschlossen (dazu später mehr) und Louisa, nachdem sie ihre Wahrnehmung formuliert hatte.

So, wie Louisas Kritik das Gedicht verkürzt, werde ich es jetzt auf Deinen Wunsch etwas überzeichnen.

1. Das Zentrum der 1. Strophe ist "uns". Mond und Sterne (siehe Titel) scheinen nur für die Liebenden: das Grundgefühl der Romantik und des Deutschen Idealismus.
Das ganze Universum enstand zu dem einzigen Zwek, sich in den Augen der Liebenden zu spiegeln!
Hier ist meiner Meinung nach ein kleist'sches "ach" fällig.
Jedenfalls keine naturalistische Betrachtung.
Das wäre so, als ob man Eichendorff befragte, wie es wohl konkret zuging, als "der Himmel die Erde sacht geküsst" habe.

2. Das Lyr.Ich diskutiert mit dem Leser nicht, ob so etwas überhaupt möglich ist. Oder heutzutage... Es war so. Punkt.
Genauer: es ist so!
Indem das in der Kritik bekrittelte Fragezeichen vom eigenlichen Ende des 2. Satzes an das Ende der 1. Strophe vorrückt und so die Orts- und Zeitbeschreibung vom damaligen Erleben abkoppelt, werden die ersten beiden Zeilen der 2. Strophe (wieder) ganz Gegenwart.
Es ist ein virtueller Raum (das rechtfertigt vielleicht das 2. "wo") jenseits vom konkreten Raum und Zeit im Juli unter dieser Plantane, eine Verzückungsspitze, wie Nietsche sagen könnte.

3. Das historische Geschehen, das anscheinend noch diesen Sommer war, rückt plötzlich durch die letzten beiden Zeilen in weite Ferne. Aber nicht der Augenblick hat sich vor dem Leben seither zu rechtfertigen, sondern umgekehrt!
Er behält seine Gültigkeit, selbst, wenn der Geliebte (die Autorin ist eine Frau) inzwischen verflossen ist.
Ohne Verzückungsspitzen ist das Leben Banane.
Und angesichts dieser Maßlosigkeit ist der "Maß"-Reim mehr als Bierseligkeit auf der Wiesn.

Natürlich ist das nicht permanent lebbar (hat auch Nietsche gemerkt, glaube ich), aber dass es nicht geht, bewirkt eine tiefe Melancholie.
Man kann sich dann eine solche Zumutung ironisch von Leibe halten...

Warum das Ganze in einer 200 Jahre alten Sprach-Gestalt? Keine Ahnung.
Immerhin hat die Autorin sie nur angedeutet und nicht durchgeführt. Was sie gekonnt hätte. Glaube ich.
Den Kitikern dagegen würde ich in ihr Poesiealbum schreiben:
Die Gnade der postmodernen Geburt setzt dich nicht automatisch hinter dieser Erfahrung ab! Vor ihr ist deine Lyrik aber nur Banane.
Also: wer machts besser?

Grüße allerseits, Carl

Louisa

Beitragvon Louisa » 19.11.2007, 16:12

Ich :mrgreen: !

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 19.11.2007, 19:58

Hallo Carl,

wenn ich es richtig verstehe, liest Du die beiden Zeilen ...

Verloren sind die Jahre
ohne Raum, Zeit und Maß.


... so, dass quasi "Maßlosigkeit" herrsche in jenen Jahren. Meiner Auffassung nach steht der Begriff "Maßlosigkeit" ungefähr in Zusammenhang mit Luxus und Übersättigung. Also frage ich mich, worauf sich der besagte Jahresverlust letztendlich beziehen soll. Sind die Jahre nun verloren oder sind sie "maßlos" übersättigt? Den Begriff "Maßlosigkeit" in die Argumentation einzubetten, ergibt in meinen Augen keinen sprachlichen Sinn.


Servus

Pjotr

carl
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Beitragvon carl » 20.11.2007, 06:45

Servus Pjotr,

da verwechselst Du was, glaube ich.
Maß und Messen haben (vermulich) dieselbe Sprachwuzel.
Du meinst die Todsünden Luxuria (Genusssucht) und die darausfolgende... jetzt fällt mir der lateinische Name nicht ein... Acedia jedenfalls, der Mittagsdämon der Mönche, die Schlappheit, Lustlosigkeit.
Dem gegenüber steht die Temperantia, die Mäßigung.
Damit ist die Kunst(!) gemeint, Gegensätze auszugleichen, ihre Spannung auszuhalten und zu steigern (Faust, den roten Leu mit der weißen Lilie zu vermählen). Maß halten meint auch Form geben. In der Romantik wurde dieses Prinzip de facto aufgegeben (weswegen Goethe es auch für das Kranke hielt), man strebte eine absolut (und damit einseitig) gesteigertes Erleben an.
Bekommen ist es den Romanikern als Personen nicht, Schlegel selber z.B. hat sich davon später distanziert und wurde wieder braver Kirchensohn.

In der Romantik löst sich auch die gängige Sprachlogik auf. Man kann jetzt metalogisch Wörter einflechten und deren Bedeutungsfeld zur freien Assoziation freigeben.
Im vorliegenden Text ist 'ohne Maß' natürlich dem Reim geschuldet.
Aber es passt auch. In der subjektiv übersteigerten Liebeserwartung steckt eine Maßlosigkeit, an der gemessen die alltäglichen Begebenheiten banal sind, der Alltag wird eingeebnet. Der hat dann auch kein Maß, also keine Form mehr. Er wird der bedeutungslose Fluss von Begebenheiten, an die wir uns nicht mehr erinnern können. Plötzlich ist die Zeit weg und du weißt nichts mehr darüber.

Greez, Carl

Sam

Beitragvon Sam » 21.11.2007, 06:32

Hallo Carl,

herzlichen Dank für deine Ausführungen. Vielleicht bin ich ja völlig blind auf dem romatischen Auge, aber wenn ein Gedicht einen Beipackzettel braucht, wie du ihn geschrieben hast, dann ist es für mich uninteressant.

Viel interessanter ist allerdings deine Kritik an der Kritik, die an dem Gedicht geübt wurde. Du wirfst den Kritikern vor, sie würden unbegründete subjektive Urteile fällen, hätten keinen Sinn für das romantische Sprachgewand etc. Schön und gut, vielleicht hast du Recht. Aber diese Kritker haben wenigsten ihre Meinung gesagt und sich nicht davor gscheut ein Urteil zu fällen (das m.E immer subjektiv ist).
Das hast du trotz deinen ausführlichen Bemerkungen nicht zustande gebracht. Am Gegenteil, du hängst dich an Arams Kommentar, der zwar ironisch aber dennoch, was seine Meinung zum Text angeht, völlig nichtssagend ist. Offensichtlich kennst du die Autorin und willst ihr nicht auf die Füße treten. Das Gedicht zu loben bringst du aber auch nicht fertig.

Im Übrigen plädiere ich generell für mehr Polemik und Überzeichnung in den Kommentaren. Fehlurteil ja oder nein, hautpsache ein Urteil, eine Meinung. Das macht einen Text(ordner) interessant. Wären auf arams Bemerkungen nicht ein paar Kritiken gefolgt, die zum Widerspruch anreizen, dann dümpelte auch dieses Gedicht mittlerweile unter Fernerliefen. Also nicht immer auf die bösen, oberflächlichen und ungerechten Kritiker schimpfen.


Den Kitikern dagegen würde ich in ihr Poesiealbum schreiben:
Die Gnade der postmodernen Geburt setzt dich nicht automatisch hinter dieser Erfahrung ab! Vor ihr ist deine Lyrik aber nur Banane.


Ob die postmoderne Geburt eine Gnade ist...wer weiß. Und natürlich gibt es eine Menge Erfahrungsparallelen. Aber es hat sich nunmal viel geändert, in den letzten zweihundert Jahren. Unter Anderem auch die Sprache. Ich lese im Moment Safranskis Buch über die Romantik und frage mich dabei ständig, ob es nicht möglich ist, das Fühlen und Denken, das Autoren wie Schlegel, Tieck etc zu ihren Werken inspirierte, heutzutage ebenso stark zum Ausdruck zu bringen. Und zwar in einer Sprache, die sich genauso im Jetzt befindet wie der Leser.

LG

Sam

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Beitragvon aram » 21.11.2007, 07:38

(caradiert - das gedicht ist auch nicht gerade freigiebig.-)

Louisa

Beitragvon Louisa » 21.11.2007, 11:18

hihi...entschuldigt, dass ich mich einmische, aber Aram :smile: ... Was ist das denn wieder?

"Caradiert" ??? Jetzt verstehe ich schon nicht mehr Deine Sprache :smile: ...
Zuletzt geändert von Louisa am 22.11.2007, 15:38, insgesamt 1-mal geändert.

carl
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Beitragvon carl » 21.11.2007, 12:45

Lieber Sam,

1. ich kenne den Autor nicht, vermute aber, dass sie eine Frau ist.
2. Was ich geschrieben habe, 'ist ein grossartiges Beispiel der Don Quixoterie: und so etwas ist also Philologie besten Falls'.
Man müsste es im 21. Jahrhundert nicht extra erwähnen.
Warum habe ich das getan? Ja, warum nur...
3. Zu Arams Kommentar:
Er hat drei Ebenen, die mir beim Lesen unmittelbar einleuchteten.
Die unmittelbare naiv wörtliche, die ironische, mit der das romantische Gefühl durch den Kakao gezogen wird (dazu muss man es aber erstmal gehabt haben!), und die dritte, die sich auf den Kontext bezieht:
"Na so(et)was (hier im Salon!?) traurig, traurig."
Ich wäre froh, wenn andere ihre Meinung so präzise formulieren könnten und nicht mit 'Fleischerhand' wie eine 'Sauhälfte' einen Text behandeln, den sie offensichtlich nicht verstanden haben.
Nur damit Du siehst, dass ich meine Meinung auch polemisch und mit Überzeichnung formulieren kann.
Zu dem Thema, zu dem ich mich geäußert habe...
Und 4. bin ich ganz Deiner Meinung:
"Ich lese im Moment Safranskis Buch über die Romantik und frage mich dabei ständig, ob es nicht möglich ist, das Fühlen und Denken, das Autoren wie Schlegel, Tieck etc zu ihren Werken inspirierte, heutzutage ebenso stark zum Ausdruck zu bringen. Und zwar in einer Sprache, die sich genauso im Jetzt befindet wie der Leser."

Das war gemeint mit: "machts besser!"

Grüße, Carl

Sam

Beitragvon Sam » 22.11.2007, 06:22

Hallo Carl,

Was ich geschrieben habe, 'ist ein grossartiges Beispiel der Don Quixoterie

So ganz umsonst war deine Mühe vielleicht doch nicht. Auch wenn ich mit meinem Fleischerverstand nicht alles kapiert habe, was du bezüglich der Gestaltung des Gedichts ausgeführt hast, so habe ich es doch aufmerksam gelesen und hoffe, einiges daraus zu lernen.



einen Text behandeln, den sie offensichtlich nicht verstanden haben.

"machts besser!"

Daraus lese ich, dass du meinst, kritische (oder vielleicht sogar ablehnende) Kommentare zu einem Text/Gedicht dürfen nur dann abgegeben werden wenn:
a) der Kritiker den Text wirklich verstanden hat
b) er es auch besser machen könnte

Zu a)

Habe ich einen Text/Gedicht verstanden, nur weil ich ihn historisch/literaturtheoretisch einordnen kann? Oder weil ich die Intentionen des Autors nachspüren kann? Oder weil er mir einfach gefällt?

Zu b)
Das ist eine typische Aussage, oft gehört in Foren. Diese Aufforderung rührt daher, dass in Foren wie diesem, die Leute als Autoren und Kritiker gleichermaßen auftreten. Ich musste mir hier auch schon von einem Lyriker anhören, dass ich gar nicht die Kompetenz hätte, etwas zu seinen Gedichten zusagen, weil ich zu dieser Zeit noch selber kaum lyrische Texte eingestellt hatte. Das ist, sorry, Bullshit. Ich reagiere (gerade im Schlegel, der nicht auf Textarbeit und Lektorierung ausgelegt ist), nicht als jemand, der selber schreibt und meint es besser zu wissen. Ich reagiere als LESER. Und von dieser Warte aus entscheide ich, ob mir ein Text gefällt oder nicht. Dabei kann ich natürlich eine Menge falsch oder überhauptnicht verstehen. Na und? Es geht darum, wie ein Text bei mir als Leser ankommt. Und wenn jemand einen Text hier einstellt, dann gehe ich davon aus, dass ihn genau das interessiert.

Liebe Grüße

Sam

carl
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Beitragvon carl » 22.11.2007, 13:23

Lieber Sam,

nicht alles, was ich schrieb, war auf Dich persönlich gemünzt (daher auf die Zitate, damit der Betreffende weiß, dass er gemeint ist).
Du bist bloß der Einzige, der sich mit mir auf eine Diskussion einlässt. Das finde ich gut! Übrigens finde ich auch die meisten Deiner Kommentare, die ich bisher von Dir gelesen habe, gut (auch, wenn ich Dir nicht immer zustimmen würde). Soviel zum Punkt b.

Ich greife Deine Aussage auf, eine Meinung sei immer subjektiv.
Das Spannungsfeld 'subjektiv-objektiv' ist für für mich aber nicht der Punkt.
Eine Meinung zu einem Gedicht ist in erster Linie intuitiv. Die Begründung ist nachgereicht. Ich entscheide also aus einer meist unbewussten Intuition heraus und suche dann die passenden Argumente dafür. Der literaturkritische Witz ist, dass man dann etwas gut oder schlecht finden kann aus denselben Gründen.
Nachdem einige Autoren dieses Prinzip übelwollend angewendet haben, habe ich es im Gegenzug sehr wohlwollend getan. Es ging mir dabei nicht in erster Linie um das Gedicht, sondern um Folgendes:

Die Intuition ist das Kostbarste des Lyrikers. (Und warum das Subjekt-Objekt-Schema nicht wirklich auf sie passt, können wir gerne ein andermal besprechen).
Die Intuition kann er nicht erzeugen, er kann sie aber üben. So, wie ein Musiker sein Gehör schult, oder eine Börsianer seinen Geschäftssinn, oder was auch immer.
Und wie übt er sie? Z.B. durch Kritik.
Aber eben nicht das Abziehbildchen von 'Kritik', das wir heute haben.
Kritik ist erstmal Unterscheidung und Krise. Und zwar die des Kritikers selbst: er versucht sich bewusst zu machen, was bei ihm passiert, wenn er das zu Kritisierende liest. Dazu muss er sich darauf einlassen. Wenn er das wirklich tut, und je nach dem, wie gut der Text ist, gerät er in eine mehr oder weniger kleine oder große Krise. Er muss seine eigenen Maßstäbe in Frage stellen lassen, und selbst, wenn sie sich am Schluss bewähren, sind sie nicht dieselben wie am Anfang.
Es geht hier um einen dynamischen, nie abgeschlossenen Prozess. Der ist auch unangenehm, deshalb ersparen wir ihn uns meistens.

Das erklärt Deinen 'Beipackzettel': für z.B. Celan brauche ich am Anfang selbstverständlich einen, aber nur, um mich davon letztlich befreien zu können. Als Einstieg also.
Für dieses Gedicht hier brauche ich keinen, das habe ich spontan so verstanden, wie oben dargelegt, ausreichend geübt bin ich (und übe es in meinen Kritiken immer weiter bis hin zur Don-Quixoterie). Dabei geht es nicht in erster Linie um ein Wissen, das man haben sollte oder nicht, etc., sondern um eine Fähigkeit:
Wie gut erfasse ich die Intention des Autors? Wie hat er sie umgesetzt? Wie stark ist die Eigendynamik der Wortfelder (die ja eine eigene Geschichte haben und nicht einfach zur freien Verfügung sind)? usw.
Ich mache es, weil mir das Gedicht intuitiv gefällt. Oder mich etwas reizt. Und dabei mache ich mir klar, warum es mir gefällt, oder was mich reizt. Und dabei lerne ich nebenbei, wie man Beipackzettel scheiben könnte. Ich bin durch solche Beipackzettel zur Lyrik gekommen, nicht durch ein Literaturstudium.
Soviel zu Deinem Punkt a).

Allerdings schreibe ich keine Beipackzettel, um Leute davon zu überzeugen, ein Gedicht sei gut, wo sie doch das Gefühl haben, es sei schlecht. Auch hier nicht.
Sondern weil ich glaube, dass ihre Intuition an Konventionen hängt.
Das geht etwa so:
"Was? Hier kommen Mond & Sterne vor, Traum & Sehnsucht & Wehmut & Reim? Fehlt grad noch Herz-Schmerz! Also: schlecht! Wie finde ich jetzt die Argumente, dass es schlecht ist?"
Louisa bemäkelt dann die Satzstellung als Immigrationsantrag, wobei sie ja einfach das "uns" durch "und" ersetzen müsste, dann hätte sie ihren "zeitgemäßen" Tonfall. Und warum tut die Autorin das nicht? Warum parallelisiert sie die Sätze ohne "und", was sie ja darf? Warum ist das unverstandene "uns" so wichtig? egal. Das Gedicht ist ja schlecht. Grabbeltisch.
Aus den gleichen Gründen kommst Du und Max mit naturalistischen Betrachtungen. Die Sterne stehen aber in den Augen des Geliebten. Wie kommen die wohl da hin? Ist das wissenschaftlich aufklärbar? Darf man das nicht?
Und dann setz Pjotr noch einen drauf mit einem Wiesn-Spruch zum Thema Maß, weil, wenn schon ganze Sätze in einem Gedicht, dann kann man ja auch die Alltagslogik der Sprache verlangen, ne? Siehe Louisa...
Gut, das hat sie ja längst bereinigt.
Ich schließe jetzt mal. Und diesmal endgültig.

So long, Carl

aram
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Beitragvon aram » 22.11.2007, 14:30

gefällt mir, carl. ein kritiker hat immer die wahl - ohne seiner wahrnehmung untreu zu werden - worauf er sich einlässt, und wohin er bezieht.

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Beitragvon Pjotr » 22.11.2007, 19:43

Hallo Carl,

Du schriebst, in der Romantik dürfe man "metalogisch Wörter einflechten und deren Bedeutungsfeld zur freien Assoziation freigeben", das Übrige bezeichnest Du als "Alltagslogik".

Meiner Ansicht nach ist "Metalogik" nichts anderes als ein Synonym für totale Beliebigkeit. Das Präfix "meta" erscheint mir hier als Verschleierung derjenigen Sicht, die sich von der Logik einerseits abkehren und zugleich zuwenden will, denn ich bezweifle, ob vermeintlich unlogische Deutungen überhaupt ohne Logik fließen können. (Um vorweg dem beliebten Fuzzy-Argument zu entgegnen: Auch Fuzzy-Logik ist pure Logik, jenseits jeglichen Nebels.)

Diese wischiwaschene "Metalogik", so mag man argumentieren, möge aber in gewissen Bereichen legitim sei, wie etwa im Buddhismus oder teilweise im Deutschen Idealismus. Das ist für mich jedoch kein finales Argument, denn dort bringe ich die gleiche Kritik: Totale Beliebigkeit ist Nichts. Vor dieser totalen Beliebigkeit lässt sich bekanntlich auch ein zufallsgenerierter Chaostext gehaltvoll deuten, als auch gänzlich nihilieren. Hurz. Eine Diskussion kann damit schnell langweilig werden. (Allerdings finde ich diese Diskussion bis jetzt noch sehr unterhaltsam und lehrreich. Bild)

Meine Meinung.


Salvus

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