Altern

Der Anonymus bietet Mitgliedern die Möglichkeit, ein Werk sowohl anonym einzustellen, als auch anonym (auf die Rückmeldungen) zu antworten. Bitte lest euch die FAQs gut durch, bevor ihr etwas in diese Rubrik einstellt.)
Gast

Beitragvon Gast » 08.11.2007, 16:17

der tod hat dich mit seiner fleischerhand
aus dem leben geschnitten, chérie!

ich träumte.
meine tage schwankten mit deinen
am haken zwischen den schweinen.

wir hatten schon alles, chérie,
wir hatten schon alles
durchlitten.

aber nur du hängst
und wo du lebtest
klafft das loch in der zeit.

ich will es schließen, chérie!
mit federn meiner gedachten marabus,
sie zwitschern im tal meiner schreie.

aber es kam der wilderer und schoss
sie mir aus dem kopf, sie sanken
durch das loch in der zeit
herunter zu dir.

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.11.2007, 11:27

Ein Meisterwerk :smile: !



(es tut mir so Leid! Ich hab´s einfach nicht mehr ausgehalten! Der Euro gehört Dir, aram!)

Maija

Beitragvon Maija » 09.11.2007, 12:03

Wow! Musste mich ersteinmal informieren, was ein Marabus ist. Sehr nachdenklich und tiefgründig, mehr muss man dazu nicht sagen.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 09.11.2007, 12:33

Ich finde es auch weltklasse! Wollte das aber nicht schreiben, weil man hier ja sich die Zeit nehmen soll, zu sagen, warum es gefällt oder auch nicht.

Nun nehme ich mir die Zeit:

Die ersten zwei Zeilen verpassen mir sofort einen Schock. Welch ungewöhnliche Idee,
dem Tod keine Knochenhand sondern eine Fleischerhand zu verpassen, und gleich darauf, das zauberhafte Wort "chérie".

Der Schrecken geht weiter mit den Fleischhaken und dann wieder das Liebesbekenntnis: wir haben gemeinsam gelitten.

Ein Loch wurde gerissen. Diese Strophe ist für mich die Stillste, sie ist auch die Schwächste, weil das DU ja nicht am Haken hängt, wie oben steht, sondern die Gemeinsamkeit. Zudem wiederholt sich im Finale "das loch in der zeit" wo es im Kontext der Strophe perfekt passt.

Die letzten beiden Str. genieße ich überaus in ihren kraftvollen Bildern, in der Gewalttätigkeit des Schmerzes über den Verlust des DU.

Sehr sehr gern gelesen und darüber reflektiert.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Klara
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Beitragvon Klara » 09.11.2007, 12:53

Das ist stark.

Ich denke an einen, dessen Freundin sich erhängt hat. Der hätte das geschrieben haben können (der schreibt aber nicht), glaube ich. Fürchte ich.

Ich lese es nicht im übertragenen Sinne, Elsa. Ich lese einen tatsächlichen Tod. Eine Selbsttötung. Dadurch Tod der Liebe natürlich. Und ein nicht (nie!) zu stopfendes Loch, das der Tod in das Leben (= Zeit) der Lebenden reißt. Ein Todesloch, denn der Tod = Nichtzeit, der Tod = ohne Vergangenheit, ohne Berührung, ohne Hoffnung, ohne Zukunft, ohne Träume, ohne Pläne, der Tod = das Loch als solches. Wenn das Leben ein Sieb wäre, ist der Tod seine Löcher, gehört also dazu, aber was durchfällt, ist weg, gehört nicht mehr zum Leben).

Schmerzlich traurig. Hart geschrieben. Dem Thema angemessen.

Klara

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 09.11.2007, 13:06

Ich lese es nicht im übertragenen Sinne, Elsa. Ich lese einen tatsächlichen Tod. Eine Selbsttötung. Dadurch Tod der Liebe natürlich.


Ich doch auch nicht? Wo steht das denn, Klara?

ich schrieb doch:
in der Gewalttätigkeit des Schmerzes über den Verlust des DU.


Es ist der absolute Tod des Du, damit auch der Liebe.

Grübelnde Grüße,
Elsa
Schreiben ist atmen

Klara
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Beitragvon Klara » 09.11.2007, 14:47

Hallo Elsa,

ich habe das wohl daraus fälschlicherweise geschlossen:
Diese Strophe ist für mich die Stillste, sie ist auch die Schwächste, weil das DU ja nicht am Haken hängt, wie oben steht, sondern die Gemeinsamkeit.

Weil mir die "Gemeinsamkeit" als Begriff so schwach erschien. Aber ich übersetze jetzt frei diesen Begriff (wie du ihn gemeint hast?): Das gemeinsame Sein in der Zeit.

Es ist der absolute Tod des Du, damit auch der Liebe.

ob der Satz hinterm Komma zutrifft, weiß ich nicht. Kann man lieben, wenn das Objekt der Liebe tot ist? Wenn Liebe reine Projektion ist, ja, dann projiziert man eben weiter. Vielleicht lässt man dann erst recht nicht los, und das Loch frisst sich immer größer in Körper und Seele des Trauernden... Ich weiß es nicht. Liebe ist aber nach meiner Überzeugung nicht nur Projektion, das wäre zu simpel. Schon gar nicht eine Liebe, die, wie der Titel "Altern" denken lässt, schon einige Stürme und Hochs und Tiefs hinter sich haben muss und entsprechend "reif", vertrauensvoll, gütig, in-der-Lage-vonsichselbst-abzusehen etc. ist. Ich habe so etwas noch nicht erlebt - und möchte jetzt auch gar nicht mehr daran denken! :sad:

Lieber Gruß
Klara

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 09.11.2007, 16:23

Ich kann mich den positven Kritiken nicht anschließen. Der Text wirkt auf mich reißerisch auf den Effekt hingeschrieben. Erst im Schlachthaus und dann die zwitschernden Marabus (Aasfresser, deren Federn benutzt werden um Fingerabdrücke zu sichern) im Tal seiner Schreie, die aus dem Kopf geschossen werden, das ist mir einfach zu viel.

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.11.2007, 16:53

Huhu!

Hat hier irgendjemand meinen Scherz verstanden :smile: ?

Das scheint euch nicht zu interessieren :smile: ...

Ähm...hihi...wie soll ich...also...

Klara :smile: so oft habe ich noch nie in einem Absatz das Wort "Loch" gelesen:

Ich lese es nicht im übertragenen Sinne, Elsa. Ich lese einen tatsächlichen Tod. Eine Selbsttötung. Dadurch Tod der Liebe natürlich. Und ein nicht (nie!) zu stopfendes Loch, das der Tod in das Leben (= Zeit) der Lebenden reißt. Ein Todesloch, denn der Tod = Nichtzeit, der Tod = ohne Vergangenheit, ohne Berührung, ohne Hoffnung, ohne Zukunft, ohne Träume, ohne Pläne, der Tod = das Loch als solches. Wenn das Leben ein Sieb wäre, ist der Tod seine Löcher, gehört also dazu, aber was durchfällt, ist weg, gehört nicht mehr zum Leben).


Smile, ich kann mich deiner Kritik teilweise anschließen, aber das "Loch in der Zeit", dass jeder Gestorbene öffnet, finde ich eigentlich ganz gut...hihi...

Liebe Grüße,

l. zu Gast bei Freunden :pfeifen:

PS: Gibt es auch die Weibliche Form von "Gast" ? Kann man auch sein eigener Gast sein?

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.11.2007, 16:55

PS: Der Gast hat mir gesagt...*kicher*... das das Werk auch ein bisschen "schwarz-humorig" wirken sollte... Deshalb "chérie und die Schweine" :smile: .

Klara
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Beitragvon Klara » 09.11.2007, 17:11

tja louisa, vielleicht solltest du dich doch vorher entscheiden, ob du anonym oder nicht anonym posten willst. sonst wird es irgendwann peinlich ,-) aber macht ja nix: gedicht ist gut.

klara

Louisa

Beitragvon Louisa » 11.11.2007, 00:57

Ich möchte anonym "posten" :smile: !

PS: Ich muss eine Stelle ändern, fällt mir gerade auf.

Es muss heißen:

"Aber nur Deine Tage hängen"

...und nicht "Du".

hihi ... Das Gedicht ist für ein Schwein! (nein)

PS: Wie kann man das denn hier ändern? Hallo Technik?

PS II: "Tal der Schreie" ist mir auch zuviel!

PS III: Eigentlich wollte ich damit nur einen kleinen Spaß machen, weil ich wissen wollte, ob man mich erkennt :engel2: ...

aram
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Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 11.11.2007, 01:03

liebe lou,
über 19 stunden - respekt, da hast du deine geduld schon ganz schön strapaziert. die welt will betrogen werden - den euro nehme ich aber.

p.s. oder ich verzichte darauf zugunsten einer neuen signatur
_________________
meine tage schwankten mit deinen / am haken zwischen den schweinen
anonymus

Louisa

Beitragvon Louisa » 11.11.2007, 01:18

*lach*

Ich besitze keinen Euro mehr! Ich kann Dir eine feine Schweinshaxe anbieten! Sie hing neben den Tagen!

Ich glaube: Wenn man so ein anonymes Gedicht ausstellt, wird man viel hemmungsloser. Ich hatte schon überlegt: Nimmst Du das mit den Schweinen oder einen Text über mein fiktives Leben als Hure von Venedig :smile: !

Oder andere Leute stellen hier vielleicht einen Text ein und loben sich selbst :smile: ... Aber das kann man auch in den anderen Kategorien tun :smile: ...

Ich dachte auch: Vielleicht denkt ihr alle, dass es aram gedichtet hat, weil ich doch klein schrieb :smile: ... Nein?

so schreibt aram immer:

gute nacht,
aram

PS: Wieso eigentlich :smile: ? hihi


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