raummeter

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Anonymus
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Beitragvon Anonymus » 12.09.2011, 01:32

raummeter



mit der stoik
von trockenmauern
zwei klafter kirsche gemacht

drehwüchsig

für öfen
die nie brennen werden

und mit demselben beil zerteile ich

eine nacktschnecke

Oldy

Beitragvon Oldy » 12.09.2011, 08:08

Das Wort "stoik" ist mir unbekannt.
Was bedeutet es?

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 12.09.2011, 08:16

Stimmt! Ich kenne auch nur stoisch, also gleichmütig/ gelassen.

Ich kannte mal jemanden, der nach einem Schlaganfall nicht mehr viel machen konnte, er hackte allerdings den ganzen Tag Holz, wie eine Maschine. Der war wohl auch stoisch dabei. An ihn erinnere ich mich, wenn ich lese für Öfen/ die nie brennen werden.

Die Nacktschnecke stört mich allerdings ziemlich. Warum kriegt sie so was Exponiertes? Klar, wenn man stoisch Holz zerteilt - wobei mir die Trockenmauer nicht so ganz plausibel erscheint -, erwischt man auch mal Kleintiere, die im oder am Holz hocken. Aber warum wird das dann erwähnt? Doch nicht so gelassen?

Mir ist der Text sehr, sehr fremd; er wirkt auf mich etwas aufgesetzt.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 12.09.2011, 13:51

Eine schön trockener, unaufgeregter Klang, den ich mir gut gelesen vorstellen kann.

Mich irritiert weniger das Wort "stoik", das sich so anhört, als wäre es richtig, sondern "Kirsche gemacht". Ich dachte erst an Kirschschnaps oder eingemachte Kirschen. Mir ist nicht ganz klar, warum da nicht einfach "gehackt" steht, zumal das auch klanglich schön passen würde.

Das "die nie brennen werden" empfinde ich durch das "nie" als theatralisch und selbstmitleidig. Ein schlichtes "nicht" würde für mich zur behaupteten stoischen Haltung besser passen.

Die einzeln gesetzte und bewusst "getötete" Nacktschnecke kann ich gut für mich interpretieren. Auch in Bezug zu Gedanken zum Leben/Sterben und der verschütteten Lebendigkeit des LIch hinter den Trockenmauergefühlen.
Schön finde ich den Gedanken, der zugegeben nur noch an dünnen Fäden am Textgerüst hängt, dass ich das "Drehwüchsige" auch auf die Schnecke beziehen kann. Wäre sie nicht nackt und eklig, sondern niedlich bedrehhäuselt :o), wäre sie nicht unters Beil gekommen. Ich sehe LIch sie behutsam in den Löwenzahn setzen.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.09.2011, 16:57

Hm, also m.E. müsste "stoik" auch eine Art Beil sein, jedenfalls ein Werkzeug, da es im Text ja heißt "und mit demselben beil ...", hat also nichts mit stoisch zu tun, meine ich.
"zwei klafter kirsche gemacht" bedeutet wohl: zwei Klafter Kirschholz gehackt.
Nach meiner Lesart geht es dem Autor hier um den Kontext Großes/Kleines, das "brutal gleichgezogen" wird. Mit Wucht wird Holz gehackt. Das ist ja ein ziemlicher Kraftakt. Und dann wird mit dem gleichen hammermäßigen Werkzeug eine winzige Nacktschnecke zerhackt.
Da liegen Welten dazwischen und doch nimmt das LI keine Rücksicht darauf. Die Frage ist, warum?
Warum zerhackt das LI eine Nacktschnecke. Vielleicht aus Wut, weil die Öfen nicht brennen werden/ nicht mehr brennen können?

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 12.09.2011, 17:21

@ Gabriella: Ich glaube, hier hast Du den Text falsch "eingeteilt":
Die Stoik bezieht sich auf die Trockenmauern: Der Sprecher des Gedichts hackt Holz mit einem Beil, und zwar so stoisch wie eine Trockenmauer (nicht, dass ich das wirklich verstehe ...).
Und mit demselben Beil zerhackt er dann die Nacktschnecke - übrigens eine gängige Maßnahme von Gartenbesitzern; üblicherweise teilt man mit dem Spaten, in diesem Fall ist es eben das Beil.
Die Stoik beim Hacken kann ich übrigens gut nachvollziehen: Man muss schon sehr stoisch sein, wenn man drei Klafter Holz hackt, obwohl bereits abzusehen ist, dass es nicht brennen wird. Vielleicht kommt das Zerteilen der Schnecke aus dem Grimm über die Fruchtlosigkeit des eigenen Tuns; die Schnecke ist nämlich auch zu nichts nütze.

Gruß von Zefira
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.09.2011, 17:40

Hi Zefi,

jou, hast Recht. Da steht ja:

mit der stoik
von trockenmauern


Zwei Klafter sind ne ganze Menge. Also hackt das LI nicht nur stoisch, sondern wie eine Maschine, ohne nachzudenken, eher mechanisch.
Aber irgendwie passt das "Stoische" hier für mich nicht.

Aus Wiki:
Für den Stoiker als Individuum gilt es, seinen Platz in dieser Ordnung zu erkennen und auszufüllen, indem er durch die Einübung emotionaler Selbstbeherrschung sein Los zu akzeptieren lernt und mit Hilfe von Gelassenheit und Seelenruhe zur Weisheit strebt.

In Bezug auf das Holz, das nie brennen wird, und es dennoch vom LI gehackt wird, passt es.
Aber was ist mit der Nacktschnecke? Für mich ist das nicht stoisch, sondern eher gedankenlos, apathisch.
Ich komme nicht dahinter, was hier wohl die Intention des Autors sein könnte. :12:

Saludos
Gabriella

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Beitragvon Zefira » 12.09.2011, 17:59

Nun ja, die Stoik bezieht sich ja in dem Gedicht nur auf das Hacken. Er hackt stoisch, obwohl es sinnlos ist.
Bei der Nacktschnecke hört die Stoik eben auf. Da kommt der kleine Drecksack wieder durch - er rächt sich an der wehrlosen, weichen Schnecke.
Die Ironie in diesem Gegenüber gefällt mir.
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.09.2011, 18:07

Also doch das hier:
Gabriella hat geschrieben:Nach meiner Lesart geht es dem Autor hier um den Kontext Großes/Kleines, das "brutal gleichgezogen" wird.

Aber ironisch kann ich das nicht lesen, eher sarkastisch.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 12.09.2011, 18:15

Sarkastisch käme es für mich rüber, wenn ein niedliches Tierchen zerhackt würde - Nacktschnecken werden doch gemeinhin als eklig empfunden.

Ich finde diese Stelle nach wie vor nicht überzeugend.

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Beitragvon Mucki » 12.09.2011, 18:23

Dachte ich auch zuerst, Amanita. Aber im Vergleich zum groben, harten Holz, ist die Nacktschnecke, wie Zefi auch schreibt, für mich weich und klein.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 12.09.2011, 18:30

... dann nicht der Rede wert, meine ich. Es sitzen auch noch Käferlarven drin und sonstiges Kleinzeugs. Die Nacktschnecke ist für mich auch nicht "Baum-typisch", kein Holzbewohner.

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 12.09.2011, 18:35

Ich sehe es gar nicht als notwendig an, dass die Schnecke am Holz sitzt. Ich stelle mir den Holzhacker vor, wie er stoisch, um nicht zu sagen verbissen im Schweiß seines Angesichts Holz hackt und hackt ... und wenn auch das letzte Scheit gespalten ist, geht er über den Hof, sieht zufällig die kleine, nackte Schnecke übers Pflaster kriechen und sagt sich: So, und du musst jetzt dran glauben, zack! Wie gesagt, dieses Gegenüber gefällt mir. Vielleicht soll auch der Begriff "Trockenmauer" einen Kontrapunkt zu der feuchten, schleimigen Schnecke setzen.
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