Lesen
Verfasst: 16.12.2010, 01:02
LESEN
Ich werde lesen. Das habe ich mir für heute vorgenommen. Sicher, es ist nicht leicht ein solches Vorhaben wirklich umzusetzen, aber ich werde es tun. Ich werde lesen.
Jetzt stehe ich auf, vorsichtig, denn auf dem Schachbrettmuster des Bodens darf ich nur die schwarzen Felder berühren. Nachts die weißen. Es sind so viele. Schritt für Schritt taste ich mich voran. Von einer schwarzen Kachel zur nächsten, bis ich mein Ziel erreiche.
Was suche ich hier?
Ein Buch, ein Buch. Um zu lesen brauche ich ein Buch. Ich hebe meinen Blick vom Boden: Kafka springt mir ins Auge. Marx steht drüber. Lauter Bücher. Schließlich entscheide ich mich für ein abgegriffenes mit rotem Stoffumschlag. Auf dem Einband ist ein golden aufgedruckter Poseidon zu sehen. Seine Konturen scheinen sich in den Stoff zu fressen, sich festzuklammern, als habe er Angst zu fallen. Auch ich habe Angst. Aber das ist Poseidons Schuld. Seine glühenden Augen in der Farbe des Stoffes scheinen mich zu verspotten: Lesen willst du? Lesen? Als ob du das schaffen würdest, mich zu lesen!
Das selbe hat auch Leopold Bloom gesagt, als ich das letzte Mal ein Buch aufschlug.
Den Poseidon sehe ich nicht mehr an, er ist mir unheimlich. Es geht nicht um ihn, der er da auf dem Einband hockt als gelte es den Inhalt vor mir zu schützen. Furchtsam nehme ich das rote Buch mit mir. Zurück über die schwarzen Kacheln, aber langsam. Sie könnten trügerisch sein, den Platz sogar mit einer Weißen tauschen. Ich setze einen Fuß nach dem anderen.
Die Augen halte ich streng auf den Boden gerichtet, damit ich auch ja keinen Fehltritt begehe. Dabei fällt mein Blick auf einen Käfer. Er ist auf den Rücken gedreht. Liegt hilflos auf dem Boden, der im Hintergrund einen Menschen widerspiegelt. Ich habe ihn Herrn K. getauft. Den Käfer, versteht sich.
Tapfer gehe ich weiter.
Ich spüre den Poseidon an meiner Haut. Er horcht auf meinen Pulsschlag, antwortet ihm mit Engelszungen. Lockt mit fremden Gedanken. Aber seine Stimme ist irreführend, Engels steht neben Marx. Die Worte sind ein Hinterhalt, eine Versuchung. Ich erliege ihr nicht.
Erschöpft erreiche ich meinen Anfang.
Ein letzter, triumphierender Blick des Poseidon lässt mich schaudern. Dann schlage ich das Buch auf.
Ich werde lesen. Das habe ich mir für heute vorgenommen. Sicher, es ist nicht leicht ein solches Vorhaben wirklich umzusetzen, aber ich werde es tun. Ich werde lesen.
Jetzt stehe ich auf, vorsichtig, denn auf dem Schachbrettmuster des Bodens darf ich nur die schwarzen Felder berühren. Nachts die weißen. Es sind so viele. Schritt für Schritt taste ich mich voran. Von einer schwarzen Kachel zur nächsten, bis ich mein Ziel erreiche.
Was suche ich hier?
Ein Buch, ein Buch. Um zu lesen brauche ich ein Buch. Ich hebe meinen Blick vom Boden: Kafka springt mir ins Auge. Marx steht drüber. Lauter Bücher. Schließlich entscheide ich mich für ein abgegriffenes mit rotem Stoffumschlag. Auf dem Einband ist ein golden aufgedruckter Poseidon zu sehen. Seine Konturen scheinen sich in den Stoff zu fressen, sich festzuklammern, als habe er Angst zu fallen. Auch ich habe Angst. Aber das ist Poseidons Schuld. Seine glühenden Augen in der Farbe des Stoffes scheinen mich zu verspotten: Lesen willst du? Lesen? Als ob du das schaffen würdest, mich zu lesen!
Das selbe hat auch Leopold Bloom gesagt, als ich das letzte Mal ein Buch aufschlug.
Den Poseidon sehe ich nicht mehr an, er ist mir unheimlich. Es geht nicht um ihn, der er da auf dem Einband hockt als gelte es den Inhalt vor mir zu schützen. Furchtsam nehme ich das rote Buch mit mir. Zurück über die schwarzen Kacheln, aber langsam. Sie könnten trügerisch sein, den Platz sogar mit einer Weißen tauschen. Ich setze einen Fuß nach dem anderen.
Die Augen halte ich streng auf den Boden gerichtet, damit ich auch ja keinen Fehltritt begehe. Dabei fällt mein Blick auf einen Käfer. Er ist auf den Rücken gedreht. Liegt hilflos auf dem Boden, der im Hintergrund einen Menschen widerspiegelt. Ich habe ihn Herrn K. getauft. Den Käfer, versteht sich.
Tapfer gehe ich weiter.
Ich spüre den Poseidon an meiner Haut. Er horcht auf meinen Pulsschlag, antwortet ihm mit Engelszungen. Lockt mit fremden Gedanken. Aber seine Stimme ist irreführend, Engels steht neben Marx. Die Worte sind ein Hinterhalt, eine Versuchung. Ich erliege ihr nicht.
Erschöpft erreiche ich meinen Anfang.
Ein letzter, triumphierender Blick des Poseidon lässt mich schaudern. Dann schlage ich das Buch auf.