Nachts

Der Publicus ist die Präsentationsplattform des Salons. Hier können Texte eingestellt werden, bei denen es den Autoren nicht um Textarbeit geht. Entsprechend sind hier besonders Kommentare und Diskussionen erwünscht, die über bloßes Lob oder reine Ablehnungsbekundung hinausgehen. Das Schildern von Leseeindrücken, Aufzeigen von Interpretationsansätzen, kurz Kommentare mit Rezensionscharakter verleihen dem Publicus erst seinen Gehalt
scarlett

Beitragvon scarlett » 15.03.2010, 20:39

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Zuletzt geändert von scarlett am 02.03.2011, 14:29, insgesamt 1-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 15.03.2010, 21:48

Teilnahme

In für die Autorin gewohnt ausdrucksstarken Bildern lassen mich die Verse teilnehmen an der nächtlichen Fahrt, deren Ergebnis für mich als Leser ungleich genussvoller ist als es die Fahrt selbst für das lyr. Ich gewesen sein muss. Die Wortwahl und Zusammensetzung der Bilder lassen vermuten/befürchten, dass die Talfahrten eindrücklicher verliefen als die Reisen bergauf, ohne dass sich jedoch deshalb larmoyantes (Selbst)Mitleid Bahn bricht.

Diese Achterbahnfahrt habe ich ebenso gerne wie mitempfindend begleitet.

Sam

Beitragvon Sam » 18.03.2010, 16:33

Die Beute der Nacht


Wohl dem, der Nachts schlafen kann und nicht von Gedanken und Sehnsüchten gebeutelt die dunklen Stunden durchwacht. Ist die Seele aufgewühlt, ist an Schlaf nicht zu denken. Die Bilder, die auf einen einstürmen nehmen an Geschwindigkeit auf und verlangsamen wieder ihre Fahrt. Ein Ritt, wie durch eine Achterbahn, der ja nur dann vergnüglich ist, wenn man ihn freiwillig unternimmt. Hier aber ist diese Fahrt alles andere als freiwillig, es sind die ungefragt auf einen hereinströmenden Gefühle, die reich bebildert das Ich hin und her werfen. Der Grund liegt auf der Hand. Es ist eine Sehnsucht, die ihre Unerfüllbarkeit schon in sich trägt, die von fernen Erinnerungen gespeist, von Zwiefeln traktiert und von der mit Warten erfüllten Zeit zermahlen wird.
Am Ende einer solchen Nacht hat man nichts in der Hand. Sie war eine aufwühlende Jagd, die einen als Beute nur verwaschenes Mondlicht beschert. Und man weiß genau, die nächste Jagd, die nächste Achterbahnfahrt steht schon wieder bevor. In der kommenden Nacht.


Sam

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 03.04.2010, 21:48

Zu viel Stil .-)

zum einen finde ich hier den Inhalt tautologisch von zwei ähnlich etablierten Metaphern aufgebaut: die Nacht und die Achterbahn, zum anderen gerät mir auf der Bildebene zuviel durcheinander: Zum einen gibt es einen Strang, der das Achterbahnbild ausbauen und aufbauen will ("rattern die Räder" etc.), zum zweiten gibt es dann andere wirklichkeitsentnommene Worte, die zu Bildern werden ("zerkrümelt") - dann wieder gibt es Sprachspiele, die eine noch andere Sprache sprechen wie etwa das "zerwartete Zeit" oder auch das ganze Ende - letztere beiden sprechen aber nicht im Achterbahnbild - durch das alles bekomme ich keinen einheitlichen Spracheindruck des Textes (einzelne Passagen für sich gefallen mir wohl!), der Stil scheint mir nicht durchgehalten und die Aussage kann in mir nicht hervorgerufen werden / entstehen - das Gedicht geht also für mich nicht auf.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 04.04.2010, 10:24

Wilde Ungeduld

Wenn man das Du nur selten sehen kann, obwohl man
es wahnsinnig liebt, bleiben die Nächte schlaflos "zerwartet"
mit Bildern/Tönen vom Du, bleiben sie schlaflos auch aus einer Angst
heraus, das Du durch die Entfernung verlieren zu können (nur verwaschenes Mondlicht),
das ist schon eine Achterbahnfahrt.


Ich mag, wie das Gedicht mir diese Geschichte erzählt.

ELsa
Schreiben ist atmen

Niko

Beitragvon Niko » 05.04.2010, 12:42

Unentschlossen schlüssig

Manchmal verlieren Texte an Stabilität, weil man versucht, Stabilität zu erzeugen. In diesem Gedicht passiert genau dies.
Gleich zu Anfang fällt das Achterbahn - Bild auf. Ein Bild, das im alltäglichen Sprachgebrauch vielgenutzt ist. Gerade darum verliert es hier an Aussagekraft, bleibt zu sehr im Allgemeinen und kann mich, gerade in seiner Eigenschaft als "opener" nicht in den Bann ziehen. Gerade aber der Beginn eines Textes ist von Wichtigkeit. Sollte den Leser neugierig machen, ihn gefangen nehmen.
Die folgende Strofe als eine Art Zustandsbeschreibung wirkt unruhig.Das Gedicht wird instabil, weil der Versuch, das Eingangsbild wieder aufzugreifen durch "rattern die räder / der zerwarteten zeit", in der ansonsten stilistisch anders gesetzten Strofe eher störend, fremd wirkt denn wirkungsvoll eingewoben. Das Zusammenspiel mit der "zerwarteten zeit" wirkt auf mich als Leser als stilistisch misslungen.
Die endstrofe ist es, die mich gefangen nimmt. Sie spielt mit Bildern, schafft in mir eine Stimmung, eine reale Phantasie und ist mir ein echtes Sahnestück. Die letzte Strofe lässt so die oben aufgeführten Unstimmigkeiten nahezu in Vergessenheit geraten und stellt sich mit ihrer Kraft und ihrem Reichtum über den Rest des Textes; deckt ihn beinahe zu.
Die Botschaft des Textes ist klar, überzeugend erreichen tut er mich jedoch nicht. Das Ende aber ist ein Gedicht. Im doppelten Sinne.


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