Hallo,
danke für die ausführlichen Rückmeldungen! Ich weiß nicht, ob der Text als ganzer wirklich ausgereift ist, aber ich trage die Zeilen schon länger mit mir herum und wusste nicht, wohin mit ihnen, und dann fand ich auch, dass sie zum Monatsthema passen und dachte, ich könnte ausprobieren, ob sie alleine etwas sind.
Meist kann ich ja auch nur begrenzt Erklärungen zu einem Text von mir abgeben, aber hier gibt es schon eine klare Idee für die paradoxe Gestaltung:
Smile hat meine Idee und Gedanken zu dem Text in ihrem ersten Kommentar ziemlich genau getroffen:
Man muss ihn fürchten, wenn er nicht kommt, weil er das "Spiel" entlarvt.
bzw. würde ich sogar sagen:
Man muss ihn fürchten,
damit er nicht kommt,
weil er sonst das "Spiel" entlarvt (und weil man so sehr auf ihn angewiesen ist, schleicht er tatsächlich ums Laken (jedenfalls ist die Vermutung so groß, dass er es tut (vielleicht hat man beim Spielen ja die ganze Zeit die Augen geschlossen), dass kein Unterschied mehr in der Wahrnehmung ist, ob der Tiger da ist oder man es nur befürchtet - es wird sozusagen dasselbe oder kosntruktivistisch: es ist dasselbe, denn was soll der Unterschied sein?
Das ganze soll sich auf den (unhintergehbaren) Konstruktionsaspekt von Liebe beziehen, wie sich dieser Begriff in der Schwebe befindet: Die Geste ist unecht: Man spielt verliebt, man arrangiert die Liebe, aber indem man dabei echt empfindet (so hier die Furcht z.b.) ist darin auch zugleich etwas echtes (entsteht etwas echtes will ich nicht sagen, weil es eher eine gegenseitige, paradoxe Abhängigkeit ist, man kann nicht sagen: was ist zuerst da, was entsteht aus was: das Spiel aus dem Echtem oder umgekehrt)
Vielleicht ein analoges Beispiel, das andersherum aufgezogen ist:
Man steht am Abgrund und hat Angst, dass einem schwindelt und man hinabfällt, deshalb schwindelt einen und man fällt hinab.
Aber auch die anderen Ideen in den Kommentaren sind ja in den meisten Fällen durchaus damit kompatibel, als Facetten. Nebenassoziationen bzw. analoge Assoziationen wie die dunkle Seite der Liebe (Zefi: Liebe, dunkler Erdteil .-) @Bachmann, die sich ja auch mit dem Spielcharakter der Liebe früher viel beschäftigt hat (z.B. Im Hörspiel der gute Gott von Manhattan) und mit der ich mich wiederum viel beschäftigt habe (...

) sind schon auch bewusst dabei. Der Tiger als Dschungelwesen (und damit auch das Bild von Rousseau, genau smile .-)) schaffen für mich dabei den richtigen "Raum" (sinnlich, dunkel, fremd, undurchsichtig, saftig etc.). Für mich steht der Tiger im Umfeld Dschungel erst einmal für "Gefahr", etwas, was man befürchtet, was aus dem Dickicht springen kann, was einen entdeckt, was sehr feine (geschärftere als man selbst) Sinne hat, die Fährte aufnimmt und ganz plötzlich sehr tödlich zuschlägt. Die Attribute eines Tigers (Wildheit etc.) finde ich dann passend dafür, wie sich typisch Liebende diese Gefahr vorstellen: viele klassische Dramen folgen ja dem Spruch: "Liebe braucht Hindernisse", umso unmöglicher das Zueinanderkommen (Romeo und Julia etc.) umso aufgeladener und notwendiger kommt beim Zuschauer die Liebesanziehung der beiden Liebenden an. Kein Preis ist zu hoch. Um das verliebte Spiel also möglichst echt und intensiv zu halten, muss das, was es zu fürchten gibt, sehr gefährlich sein: es gilt sich so stark wie möglich zu fürchten. Kein Wunder also, dass man sich ein kräftiges Gefahrtier aussucht, umso gefährlicher, reißerischer, desto mehr Liebesgefühl kann man sich produzieren.
Und in diesem Sinne sind dann wieder auch die Liebenden selbst der Tiger und Ideen wie die dunkle Seite der Liebe, nicht erwiderte Leidenschaft (Ablehnung) von Mucki oder das nichtkommenkönnen von Henkki (was ich nicht primär/explizit als körperliches nicht Kommen können dachte, sondern dass es um Potenz im ganz allgemeinen (aushalten, dominieren, beweisen, standhalten,kämpfen, können) geht (worunter dann aber deine Idee durchaus fällt). In diesem Sinne sich auch Romeo und Julia und all die anderen Paare für mich die ersten Zuschauer von ihrer Liebe, ihr eigenes Publikum, ihr Unterhaltungszielpunkt.
Oder um auf deine Zeilen einzugehen, Elsa:
Sobald wir etwas fürchten, bläst sich die Furcht auf, nimmt Raum, bis wir alles mögliche finden, wovor wir Angst haben können.
ja- und eben nur indem sie Raum nimmt, kann sie überhaupt zugleich Raum für die Liebe schaffen (nur auf diese Weise) - so behauptet der Text/das wäre für mich die Nuss.
Nochmal wichtig dabei für mich: Das alles soll aber nicht in der Erkenntnis enden, dass ich am Ende das ganze, die Liebe als Spiel entlarve, sondern die Liebe als Akt bleibt - ganz konstruktivistische Perspektive - in der Schwebe, unauflös-sagbar, zwischen Spiel und Echtsein. So ist es ja mit allen erzeugten (kulturellen) Werten (z.B. moralischen Werten), aber in der Liebe empfinde ich es eben als besonders tragisch: dass man nicht anders lieben kann, als dass man die Liebe spielt. Und diese Notwendigkeit des Spielens führt oft dazu, dass Beziehungen scheitern. Irgendwann hat man sich müde gespielt, die Versuche, die Glaubwürdigkeiten der einzelnen sind aufgebraucht, man muss sich ein anderes endliches Wesen (endlich im Sinne seiner Anzahl an Versuchen) suchen, mit dem man dann wieder eine Weile spielt usf. Das hat etwas kraftraubendes, auch widerliches, wie ich finde, weil man bestenfalls wiederholen kann, man kann sich nicht erheben oder jedenfalls nicht lange genug - im Rückblick.
(und dann noch: das gespielte bezieht sich natürlich nicht auf das schlafzimmer, sondern auf alles .. etwa die Ehe als Institution, das Schreiben von Liebesbriefen, das Schwören, Händchenhalten, das Behaupten, Candle-Light-Dinner, Rollenspiele usf..; das Schlafzimmer finde ich als Mikrokosmos und in seiner Kräftigkeit dabei nur als gute exemplarisches Setting)
Max und Henkki: Obwohl ihr ganz verschiedene Dinge angemerkt habt, antworte ich euch zum "sie/man" und zum "und" zusammen: Vorab: Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Recht habe, aber für mich bewirken gerade diese zwei Gestaltungsaspekte, die Möglichkeit, zugleich gnaz nah dabei zu sein (den Atem der Liebenden zu spüren) und doch eine allgemeine Behauptung aufzustellen, und zwar zugleich. Das dreiste Moment, das darin liegt (was auch das Plakative bewirkt, was Zefi ansprach), sowas auf solche Weise zu behaupten, ist für mich nötig, weil es der Situation entspricht und den Erzähler (und damit Leser) mit ins Boot (Bett .-) ) holt. Ob das funktioniert, weiß ich nicht, aber das war die Bewegung dahinter.
Smile zum Tiger: Ich glaube eh nicht, dass der ganze Schwall an Ausführungen von mir hier aus dem Text zu lesen ist (aber das macht ja nichts, ein Text kann ja auch wirken, indem er Gespräche anstößt?), aber wenn ich auch noch einen anderen, weniger besetztes Bild nehme, dann wird das Rätselraten noch mehr angekurbelt, denke ich. Der Tiger ist da schon recht klar/stark - also würde ich eher zu deinem "gerade deshalb" tendieren
Und zum Abschluss: Ich habe mich gefragt, ob ich das ganze nicht sogar pessimistischer gestalten müsste und anstelle von verliebt spielen Liebe spielen schreiben müsste. Denn dass man
Verliebtheit spielt ist eigentlich ja nicht so tragisch, Liebe spielen für mich aber schon.
Ich finde aber keine gute sprachliche Formel (?)
Da liegen sie wieder und spielen die Liebe
Und ums Laken schleicht der Tiger
den man fürchten muss
weil er nur dann nicht kommt vielleicht müsste man es auch so gestalten:
Von der Liebe IV
Da liegen sie wieder und spielen verliebt
Und ums Laken schleicht der Tiger
den man fürchten muss
weil er nur dann nicht kommtIch weiß es nicht, vielleicht ist das auch nur doppelt gemoppelt - eventuell könnt ihr mir dazu ja noch Rückmeldung geben.
Noch einmal ein Danke, es hat Freude gemacht, eure Gedanken zu dem Text zu lesen,
liebe Grüße,
Lisa
edit: Mucki, hat sich überschnitten - tolle Geräusche - ich könnte ein Hörspiel draus machen. Ist das Geräusch freigegeben? .-)