Mein schwarzer Baum

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 01.01.2007, 00:29

(Überarbeitete Fassung)

Mein schwarzer Baum

Du heißt mich meine Urteile fällen wie einen kranken Baum
damit ein neuer an seiner Stelle wachse

(voller Kirschen, voller Glück, ich weiß doch)
du musst verstehen, das kann ich nicht

Was ist, das ist
(mein schwarzer Baum
muss bleiben)

Aber in die Krone meines Schmerzes klettern
um Ausschau zu halten (nicht um zu blühen)

das will ich






(Erstfassung)

Mein schwarzer Baum muss bleiben

Du heißt mich meine Urteile fällen wie einen kranken Baum
damit ein neuer an seiner Stelle wächst
(voller Kirschen, voller Glück, ich weiß doch)
du musst verstehen, das kann ich nicht

Was ist, das ist (mein schwarzer Baum muss bleiben)
(unmöglich eine Sünde mit einer anderen zu büßen)

Aber in die Krone meines Schmerzes klettern
um Ausschau zu halten (und nicht um zu blühen)
das will ich!
Zuletzt geändert von Lisa am 10.02.2007, 13:54, insgesamt 6-mal geändert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

aram
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Beitragvon aram » 01.01.2007, 05:36

liebe lisa

ich wünsche dir ein gutes,
wundervolles neues jahr


- diesen text finde ich noch etwas 'verwirrend' - die vielen klammern schwächen in diesem fall, finde ich.

inhaltlich berührt er mich sehr. schön, wieder von dir zu lesen.

alles liebe
aram


- 'meine variation' wäre in etwa


mein schwarzer baum muss bleiben


heißt mich
urteile fällen
wie kranke bäume

an ihrer statt soll'n neue wachsen
voller kirschen und glück
ich weiß

mein schwarzer baum
muss bleiben

in die krone des schmerzes
klettern
ausschau zu halten

(nicht um zu blühen)

das will ich
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 01.01.2007, 11:51

Lieber aram,
was verwirrt dich am Text? Die Klammern? Kannst du erklären warum? Ich mag sie nicht einfach so aufgeben ;-). Sie sind mir wichtig.

Liebe Grüße, ich wünsch dir auch ein wunderschönes neues Jahr,
alles Liebe,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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Max

Beitragvon Max » 01.01.2007, 12:26

Lieber Aram,

ich empfinde die Klammern als eine Möglichkeit eine zweite Ebene in das Gedicht einzubauen, eine Art inoffizieller Dialog, der da mit einem potentiellen Leser geführt wird - insofern wären sie wichtig, denn ohne die Klammern bekommen die Zeilen einen anderen Status.

Liebe Grüße
Max

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annette
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Beitragvon annette » 01.01.2007, 12:38

Liebe Lisa,

einen schönen Jahresbeginn wünsche ich Dir!

Dein Text spricht mich an, obwohl ich nicht sicher bin, inwieweit ich ihn verstehe.

Ganz verkürzt: Etwas Unglückliches, Krankes wird nicht weggeworfen und ausgetauscht, (obwohl das Du darauf drängt), sondern als Möglichkeit begriffen, weiterzusehen, sich daran zu entwickeln?

Unklar bleibt mir der Vers „unmöglich eine Sünde mit einer anderen zu büßen“. (Komma nach unmöglich?) Das Ich hat eine Schuld auf sich geladen und kann die Schuldgefühle nicht ablegen? Der neue Baum würde in seinen Augen Unrecht bedeuten? Wäre es wirkliches Unrecht oder nur das Unrecht, angesichts früherer Fehler wieder glücklich zu werden?

Arams Version gefällt mir auch, ändert aber den Ton grundlegend. Dein Text ist gesprächiger, das Ich wird greifbarer.

Zu den Klammern: Die erste finde ich sehr gut gewählt. (voller Kirschen, voller Glück, ich weiß doch) ist in einem anderen Ton gesprochen, leicht beiseite, um einen Einwand des Du vorwegzunehmen.
Die Wiederholung des Titels im Text in der zweiten Klammer finde ich nicht nötig. Die Klammer mit der Sünde weiß ich nicht recht zu beurteilen, weil sich mir der Inhalt, wie gesagt, nicht ganz erschließt. Die letzte Klammer finde ich wieder sehr stimmig, die hat Aram ja auch beibehalten. Auch hier verändert die Klammer den Ton, greift etwas auf, verleiht Nachdruck.

Zum Titel: Der klingt etwas wie das Flugblatt einer Bürgerinitiative gegen die Abholzung eines Baumes. Soll das mitschwingen? Gibt dem Text meiner Meinung etwas unfreiwillig Komisches, finde ich.

Mir gefällt die Sprache hier sehr, gerade weil sie nicht so lyrisch-verkürzt ist wie in Arams Vorschlag.

Lieber Gruß, annette

Louisa

Beitragvon Louisa » 01.01.2007, 12:49

Hallo Lisa und ein wunderbares neues Jahr!!!

Ich grüble jetzt schon seit den morgenroten Stunden über dieses Werk nach und ich meine eben gerade die Lösung gefunden zu haben :smile: ...

Also zuerst möchte ich anmerken, dass der Titel wirklich sehr gut ist, denn er hat mich gleich in seinen Bann gezogen (ich denke der schwarze Baum steht für den kranken Baum. Richtig?)

Die ersten zwei Zeilen sind ein sehr gutes Bild für das "Fällen von Urteilen" (über andere Menschen?)! Sie haben mir gleich gefallen!

Es folgt:

(voller Kirschen, voller Glück, ich weiß doch)
du musst verstehen, dass kann ich nicht


-Hier kann ich die Klammer nachvollziehen. Ich finde es überlegenswert, ob man diese Phrase "ich weiß doch" stehen lässt. Wieso braucht es sie? Sind die Klammern nicht schon Beweis genug, dass "Du" es weißt?

Aber dieses "du musst verstehen, dass kann ich nicht" ... Ich muss wieder nachdenken :smile: ! Das "lyrische Ich" :smile: fällt also keine Urteile, man könnte sagen es ist "tolerant" gegenüber der Welt und ihren Bewohnern...
Wenn es keine Urteile über etwas oder jemand fällt, kann es auch nicht "verstehen" ??? Das "verstehe" ich nicht :smile: !

Aber es steckt sicherlich ein schlauer Sinn dahinter! Vielleicht weiß das jemand anders!

Was ist, das ist (mein schwarzer Baum muss bleiben)
(unmöglich eine Sünde mit einer anderen zu büßen)


Also für mich ist der "schwarze Baum" ja sowas ähnliches wie Offenheit, Toleranz (Ah, mir fällt kein gutes Wort ein!)... Jedenfalls das "Nicht-Fällen" von Urteilen!

Aber wieso dieses "Was ist, das ist" ? -Achso! Jetzt meine ich wieder zu verstehen... Du meinst, dass was es so auf der Welt gibt an Kuriositäten, das ist eben da und soll auch ruhig bleiben!

Das ist schön! Aber das ist schlau und hat eine eigene Zeile verdient!
(Muss man den Titel noch einmal wiederholen? Er ist wunderschön, aber so eine Wirkung nützt sich auch ab :blumen: !)

(unmöglich eine Sünde mit einer anderen zu büßen)


Woher kommt jetzt die Sünde? Oh, zu diesem Satz bin ich ratlos :smile: !

Aber in die Krone meines Schmerzes klettern
um Ausschau zu halten (und nicht um zu blühen)
das will ich!


-"Schmerz", weil der Baum krank ist und weil es manchmal schwer fällt sich KEIN Urteil zu bilden? Ist es so gemeint?
"Ausschau halten" ist in diesem Kontext ganz fabelhaft (finde ich)! Wenn es denn nun wirklich um meine (das ist so ein deppertes Wort :smile: ) "Toleranz" geht!
-Auch hier ist die Klammer noch verständlich, aber am ehesten würde ich sie am Anfang verteidigen wollen. Das ist wirklich etwas, was man in Klammern schreibt. So etwas scheinbar "Nebensächliches"! Aber ist es das am Ende auch? Naja...man kann es dabei belassen!

Also verzeih, dass ich hier die ganze Zeit interpretiere, aber bei diesem Text erschien mir die Entschlüsselung wichtiger, als die Form :smile: ...

Hat Aram etwa den schlauen "was ist, das ist" Satz heraus genommen? Der soll bleiben!

Aber an dieser Stelle würde ich auch eine Pause machen. Sonst steht zu viel in einer Zeile (mein Gehirn ist dann wieder überladen :smile: ...)

Ich habe wohl alles gesagt. Nun denke ich plötzlich, dass ich alles falsch verstanden habe, weil das ein "LIEBESGEDICHT" sein soll und ich hier von ehrenvoller "Toleranz" :mrgreen: schreibe...

Aber verzeih, es ist schade um die lange Antwort oder :smile: ? -Vielleicht kann man noch etwas Brauchbares daraus fischen!

Ich mag das Gedicht sehr!

Liebe Grüße,
l

Gast

Beitragvon Gast » 01.01.2007, 13:27

Liebe Lisa,

endlich wieder ein Lisa-Text. Er gefällt mir sehr, die vorhergehenden Besprechungen habe ich nicht nicht gründlich gelesen.
Annettes Interpretation kann ich mich im Großen und Ganzen anschließen.
Mich stören die Klammern, die aram bemängelt, indess nicht.
Lisa hat geschrieben:
Mein schwarzer Baum muss bleiben


Du heißt mich meine Urteile fällen wie einen kranken Baum
damit ein neuer an seiner Stelle wächst
(voller Kirschen, voller Glück, ich weiß doch)
du musst verstehen, dass kann ich nicht


Die erste Textzeile, die Umkerhrung des "Urteil fällen", sprachlich gelungen und sinnbildlich auch, mit dem "kranken Baum".
Es geht darum Urteile oder Burteilungen aufgeben zu sollen, was das Lyrich aber nicht kann (will) da selbstbestimmt und gedankenfrei, aber vom Lyrdu gefordert oder zumindest vorgschlagen.
Ob das Lyrdu nun aber wirklich ein "Du" ist, oder die innere Stimme des Lyrich, möchte ich offen lassen.

(Dein Gedicht, so fällt mir gerade auf, würde gut zum Monatsthema Januar passen).
Lisa hat geschrieben:Was ist, das ist (mein schwarzer Baum muss bleiben)
(unmöglich eine Sünde mit einer anderen zu büßen)


Über die zweite Zeile habe ich schon etwas gegrübelt, aber ich denk mir folgendes dazu:
Eine Sünde, etwas Dunkles, das in der Vergangenheit liegt, noch nicht be- oder aufgearbeitet ist, zu zu decken, sieht, das Lyrich als verlogen an, als weitere Sünde.

Lisa hat geschrieben:Aber in die Krone meines Schmerzes klettern
um Ausschau zu halten (und nicht um zu blühen)
das will ich!


Offenbar ist das Lyrich bereit seinen Schmerz anzunehmen und darüber hinaus zu reflektieren, nach Ursachen zu suchen, statt Neues zu beginnen.
Mit anderen Worten, hier will das Lyrich eine alte Schuld abtragen, an des Wurzels Übel gehen und nicht mit Neuen übertünschen...
Das Bild ist besonders intensiv, finde ich, denn wer will nicht Blühen oder neu beginnen.
Für mich ein sehr ernstes, fast trauriges Gedicht.
Ich empfinde, es aber sehr stark und nicht hilflos sondern als klare Stellungnahme eines autarken Lyrichs.

Liebe Grüße - in der Hoffnung nicht völlig daneben zu legen.

Gerda

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Beitragvon Mucki » 01.01.2007, 13:57

Liebe Lisa,

eine tiefgehende Eigenreflexion des LI mit seinem Schmerz, lese ich hier. Die "Urteile" beziehen sich m.E. nicht auf Urteile über andere, sondern auf die ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst. Das Ich mag sich selbst nicht verraten, sondern steht zu seinem Schmerz, ist aber, aus Liebe zum Du bereit, sich auf den Gipfel seines Schmerzes zu begeben, jedoch nicht, sich selbst zu verleugnen, indem es den Schmerz ausmerzt, weil der Schmerz zum Ich dazugehört. Es will sich dem Schmerz stellen, ihm ins Auge sehen. Die Klammern sind gut. Einzig das Wort "Sünde" würde ich überdenken.
Saludos
Magic

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annette
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Beitragvon annette » 01.01.2007, 14:03

Gerda Jäger hat geschrieben:Die erste Textzeile, die Umkerhrung des "Urteil fällen", sprachlich gelungen und sinnbildlich auch, mit dem "kranken Baum".
Es geht darum Urteile oder Burteilungen aufgeben zu sollen, was das Lyrich aber nicht kann (will) da selbstbestimmt und gedankenfrei, aber vom Lyrdu gefordert oder zumindest vorgschlagen.

Ich teile hier Gerdas Verständnis, dass es darum geht, Urteile zu revidieren, Meinungen zu ändern, vielleicht sich von einer Leitvorstellung des Lebens zu verabschieden (also "fällen" im Sinne von "zu Fall bringen"). Die andere Lesart wäre die von Louisa, "Urteil fällen" im normalsprachlichen Sinn von "urteilen" (daher wird bei Dir, Louisa, die Toleranz wichtig, die mir nicht zentral scheint).

Gerda Jäger hat geschrieben:Für mich ein sehr ernstes, fast trauriges Gedicht.
Ich empfinde, es aber sehr stark und nicht hilflos sondern als klare Stellungnahme eines autarken Lyrichs.


Geht mir genauso. (Der alte Baum bedeutet Schmerz, der neue verheißt Früchte und Glück. Trotzdem hält das Ich am kranken, schwarzen Baum fest. Es klettert in die Krone des Schmerzes (bis zum höchsten Schmerz), um weiter zu sehen.) Deshalb stoße ich mich auch am Titel.

Gruß, annette

carl
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Beitragvon carl » 01.01.2007, 14:14

Hallo Lisa, und ihr "Salonlöwen"

ein gutes neues Jahr!

Liebe Lisa, Dein Gedicht spricht für mich eine deutliche Sprache:
Das Alte soll Platz machen für etwas Neues, ein glücklicheres und gelingenderes Leben, bzw. Beziehung. Jedenfalls in den Augen des Partners. Dagegen wehrt sich das lyrische Ich.
Ich nehme die Rubrik beim Wort, und lese das Gedicht als intime Gesprächssituation von lyrischem Ich und Du.

Arams Version hat dagegen die Gegenüberstellung ich - ihr, einen stärkeren Ton der Selbstbehauptung, daher auch die Plurale von "Urteile fällen wie Bäume" und "neue wachsen", und nicht das Ringen um eine Gemeinsamkeit wie in "ich weißt doch, du musst verstehen".
Konsequent lässt er diese Passagen auch weg.
Durch Arams Version kommt zwar das Beharren auf das eigene Schicksal zur Geltung gegen die als leicht betulich abgewerteten Alternativen, aber das verfäscht Dein Intention, da stimme ich Annette zu.

Wenn ich Deine Sprache beim Wort nehme, ergibt sich für mich folgendes Bild:
Die sprachliche Parrallele von Urteile fällen wie Bäume fällen trägt/ soll das Gedicht tragen.
Das funktioniert auch sehr gut, weil ich als Leser (bzw. die meisten Kommentatoren) Dich intuitiv richtig verstehen, nämlich sinngemäß:
"Du heißt mich einen kranken Baum fällen
wie ein Urteil
damit ein neuer an seiner Stelle wächst..."
Es geht Dir um den Baum (wie auch der Titel sagt) und nicht um irgendwelche zu fällenden Urteile. Durch Deine Version steht das Bild des Baumes sowohl für Urteile, wie für das Leben/ die Liebe. Für mein Empfinden eine unnötige Doppelfunktion. Du brauchst auch keinen Kunstgriff um das Bild einzuführen: es funktioniert m.E. sogar besser, wenn Du direkt damit anfängst! Dem Titel nach tust Du's ja sowieso.
Sonst bleibt streng logisch genommen der ganze Rest des Gedichtes eine Ausführung zum Urteilen "Du heißt mich meine Urteile fällen wie...".
Aber wir Leser sind ja nicht logisch ;-)
Das oben sollte übrigens kein wörtlich zu nehmender Vorschlag sein, nur eine ungefähre Vorstellung.
Ich würde das "kranker" weglassen, "schwarz" reicht, das lyrische Ich fällt sonst implizit selbst ein zu deutliches Urteil. Dagegen gilt "was ist, das ist" und das hat per se seine Daseinsberechtigung!
Dass der Baum durch eine Sünde schwarz wurde und diese Sünde nicht durch eine 2. Sünde, das Fällen, korrigiert werden kann, ist verständlich und in jeder Hinsicht stimmig.
Allerdings wertet das lyrische Ich dadurch wieder sehr stark, wie es auch auf seinem Schmerz beharrt und eine Gesundung verweigert:
So einfach geht es nicht, einen neuen Baum zu pflanzen und gleich ernten zu wollen!
Der eigene Schmerz als Aussichtsturm auf die Welt, ein kostbarer Besitz!
Das ist wohl Deine Aussageintention.
Die Klammern heben aus dem Dialog ich-du heraus: ohne sie würde ihr Inhalt sich natlos in das Gespräch einfügen.
Deine Deutung, Max, als Hinwendung zu einem Dritten (den Leser) kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Wenn ich sie deuten soll, Lisa, empfinde ich sie als unausgesprochene Selbstvergewisserung des lyrischen Ichs.
Ob es dafür andere Möglichkeiten gibt? Kursivdruck? Gedankenstriche?
Oder eine tasächlich sprachlich explizite Abgrenzung.

Liebe Grüße, Carl

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 01.01.2007, 14:39

Liebe Lisa,

was für ein schönes Gedicht. Der schwarze Baum steht für erlittenes Unrecht. Das lyrische Du möchte dem "Ich" helfen, davon loszukommen.

Das Ich weiß sogar, dass dies der richtige Weg ist, kann aber von seinem Schmerz nicht lassen. (Das Unrecht war so groß.)

Wie klug Du bist. Könnte ich mir von Deiner Weisheit doch fürs neue Jahr eine Scheibe abschneiden!

Grüße

Paul Ost

pandora

Beitragvon pandora » 01.01.2007, 15:52

liebe lisa,

sind das die abgespaltenen baumbilder? ich finde sie toll, auch wenn ich sie vielleicht nicht durchgängig deuten kann.
ich lese, dass das LYRich sich wehrt gegen eine (geistige) totalwandlung, dass es vergangenes (erfahrungen zb) mittnehmen will, auch, wenn es schmerzt. (sie schmerzen) die letzten zeilen interpretiere ich als bereitschaft, sich der vergangenheit zu stellen und sie ins gegenwärtige zu intergrieren.
was mir gefällt, ist die sicherheit, mit der das LYRich dem (heilungs)prozess entgegenschaut: während das LYRdu bereits von früchten träumt, ist das LYRich sogar noch von der blüte entfernt.

lg und euch ein gutes neues jahr,

p.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 01.01.2007, 18:07

Hallo!
Meine Güte (das musste ich jetzt tippen). Ich danke euch sehr. Ehrlich gesagt mögen sich die Gedichte und ich sich zur Zeit nicht so gerne, ich habe also ein unsicheres Gefühl. Darum helft ihr mir sehr mit eurer Riesenrückmeldung...danke....(wirklich!).

Annette: Das mit dem Titel klingt nicht gut, unfreiwillign komisch ist immer schlecht für einen Text ;-). Louisa bemängelte ja zudem die Wiederholung...ich könnte mir also durchaus vorstellen, den Text anders zu nennen, es ist dann aber die Frage wie. Ich könnte mir vorstellen: "In der Liebe" oder etwas mit Vorstellung? Natürlich alles sehr konventionell :rolleyes: . Vielleicht hat ja jemand eine Idee...??? Warum ich den Titel eigentlich mochte ist, weil er sich anders erfüllt, als man denkt. Man denkt ja, es sei hoffnungslos, aber letzlich ist ja das Überwinden (oder der <Versuch dazu) nur dadurch möglich, dass der Baum bleibt. Der Baum ist also wider Erwarten keine Negierung von Hoffnung oder dergleichen. Daher wiederhotl er sich für mich auch nicht unbedingt. Aber vielleicht kann das der Titel auch nur für mich leisten.

Zum Komma: annette, das würde ich lieber weglassen...aber in der neuen Fassung stellt sich die Frage nicht mehr :pfeifen:

Louisa: Also wie gesagt: Einen politischen Text werde ich wohl niemals schaffen zu schrieben ;-). Insgesamt passt aber natürlich Toleranz für den anderen durchaus. Es ist aber schon etwas enger gemeint (die Liebe, du weißt schon, mein einziges Thema ;-)), das Du liebt das Ich (und das Ich erst das Du :pfeifen: ) und verständlicherweise wünscht sich das Du etwas gemeinsames, das "Früchte trägt". Das geht aber eben nicht so einfach für das Ich. (Paul, Pan, Gerda und magic haben das für mich sehr dicht beschrieben)...--- so ist es gemeint. ich habe mich ser gefreut, dich hier zu lesen...

Liebe pan: Ich musste erst mal rätseln, was du meinst, aber dann kam die Idee...aber die Antwort lautet nein (leider)...das was mir da eingefallen ist, ist noch viek weniger....das kommt wohl in einen Prosatext (ich verrate es dann).

Lieber paul: Ich habe deine Art ser gern, du bist ein feiner Mensch (und nicht, weil du mir zustimmst (zumindest nur ein bisschen deshalb ;-)). Das habe ich gern gelesen (ein bissche n klüger wäre ich trotzdem manches Mal).

Liebe Gerda: Du hast dich sehr in den Text vertieft und ich finde mich ganz und gar in deiner Lesart wieder, ja, so habe ich es gemeint...(das klingt jetzt so doof, aber was soll ich sagen, wenn es doch genau so ist? Das ist wunderschön so gelesen zu werden, wie man es versucht hat. Gleiches gilt auch für dich Magic, danke, das ist ein schönes Gefühl...

Lieber carl:

Ich danke dir sehr für deine dichten und super interessanten Ausführungen. Besonders danke auch, dass du dich für die Sündenstelle stark gemacht hast (die aber trotzdem wohl fallen wird, ich glaube, mir gefile die idee zu gut und sie passte auch noch so lala zum text und ich habe den fehler gemacht sie aus dem gefallen heraus nicht genug zu prüfen und ich glaube sie hat nicht genug mit dem text zu tun, um stehen gelassen zu werden). Diese Stelle verstehe ich nicht ganz:

Es geht Dir um den Baum (wie auch der Titel sagt) und nicht um irgendwelche zu fällenden Urteile. Durch Deine Version steht das Bild des Baumes sowohl für Urteile, wie für das Leben/ die Liebe. Für mein Empfinden eine unnötige Doppelfunktion


Kannst du mir sagen, was ich weglassen sollte? Die ganze erste Strophe? :razz:
Urteile fällen ist durchaus doppeldeutig gemeint. Es geht nicht nur um das fällen im förstersinne, also den gedanken, man fällt urteile nicht so wie man bäume fällt, sondern auch um das Bild ein urteil "machen"(bilden). Vielleicht verrät das der Bezug, was denn überhaupt mit einem Urteil hier gemeint ist. Paul hat Recht (und es wundert mich, dass man das so herauslesen kann bzw. dass er es kann), es geht um Schmerz (das vom Ich durchaus als Unrecht bezeichnet werden würde, soll heißen, das Ich hat Verlangen, ihn als Unrecht zu kennzeichnen (gegenüber dem Du, auch wenn das Du gar nicht dieses Unrecht getan hat). An dem Schmerz hängen aber eben auch die Urteile dran. b das nun kulturell/prägemäßig oder ganz individuell für dieses ich gemeint ist: Es gibt einfach Urteile, die sind so fest in einem drin, die kann man nicht über Bord werfen, selbst wenn man will (aber auch weil man es auf gewisse Weise eben nicht will, der Baum ist duerchaus liebgewonnen). Urteiel/Grundannahmen, die aber auf Schmerz gebaut sind, sind nicht unbedingt immer die, die das Ich loslassen/fruchtbar zu machen sind/. Sie sind eher steril/verneinend, gar vernichtend. Trotzdem werden Urteile immer gefällt. (Hm, die erklärung ist jetzt ziemluch schlecht geworden).
Insgesamt habe ich auch ein etwas blödes gefühl, weil es sehr wortspielerisch ist, aber ich hatte zeitweise ein Gefühl zu der Formulierung, die darüber hinaus ging.

Das krank möchte ich nicht streichen. Für mich ist es nichrt das gleiche wie das schwarz, es dient ja zum einem Vergleich. Und damit für mich der Vergleich funktioniert, muss es ein kranker Baum sein, denn einfach nur einen Baum fällen, wäre nicht, das, was ich sagen will. Gerda hat das gut umrissen (Gerda, du kannst übrigens den Text serh gerne ins Monatsthema verschieben, das ist eine gute Idee!)

Überarbeitete Fassung wäre dann vielleicht so???


Mein schwarzer Baum muss bleiben

Du heißt mich meine Urteile fällen wie einen kranken Baum
damit ein neuer an seiner Stelle wächst
(voller Kirschen, voller Glück, ich weiß doch)
du musst verstehen, das kann ich nicht

Was ist, das ist
(mein schwarzer Baum
muss bleiben)

Aber in die Krone meines Schmerzes klettern
um Ausschau zu halten (nicht um zu blühen)

das will ich


(letzter Umbruch nach aram?)

Noch ganz anders?
Liebe Grüße, ich danke nochmal...
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Beitragvon Klara » 01.01.2007, 18:49

Hallo,
die Idee finde ich stark, das Ende auch, aber das Ganze noch nicht. (keine Kommentare gelesen)

Der Titel ist - absichtlich? - naiv, kindlich fast. Mir fällt naive Malerei dazu ein, aber dazu passt das Folgende, Rationalisierende nicht.

Vielleicht gewänne der Text, wenn er insgesamt "einfach" bleibt, also zum Beispiel statt

Du heißt mich meine Urteile fällen wie einen kranken Baum

Du sagst, ich soll mene Urteile fällen wie einen kranken Baum
Dann wird es in der Zuordnung schwach:
damit ein neuer an seiner Stelle wächst

Das sagt ja noch das Du? damit ein neuer an seiner Stelle wachse? Wachsen könne?
(voller Kirschen, voller Glück, ich weiß doch)

Das finde ich genau stimmig, auch mit der Klammer.

du musst verstehen, das kann ich nicht

Das ist wieder so kindlich/naiv, auch in der "falschen" Grammatik (richtig wäre, wie du weißt: du musst verstehen, dass ich das nicht kann)
Ich kann nicht klarkriegen, jetzt in dieser Sekunde, was ich daran nicht mag, es kommt mir künstlich vor, als wäre es ein innerer Monolog, der sich als Dialog tarnt oder so, ich sehe kein Du dazu, ich würde so nicht "reden", trotzdem ist es so kindlich/altklug - weißt du ein bisschen, was ich meinen könnte?

Was ist, das ist (mein schwarzer Baum muss bleiben)
(unmöglich eine Sünde mit einer anderen zu büßen)

Hier leuchtet mir die Klammernhäufung nicht ein. Ich lese es so, dass das Ich sich selbst kommentiert, sich selbst erklärt (bzw. dem fingierten Du), was mit dem Nichtgeklammerten gemeint ist. Warum so umständlich? Ich könnte mir vorstellen, dass ich die Entstehung der Klammern nachvollziehen kann (da redet es halt im Kopf, man argumentiert mit sich selbst, klärt...), aber als Text sollte, finde ich, dieser Prozess abgeschlossen sein? Zumindest in der Häufung wirkt es nicht, für mich. Warum nicht so:
Was ist, das ist: Mein schwarzer Baum muss bleiben

Das Verkürzte an diesem Gedanken (denn darum handelt es sich) gefällt mir auch nicht:
(unmöglich eine Sünde mit einer anderen zu büßen)

Wenn ich richtig verstehe, geht es darum: Es ist unmöglich, die am Ich begangene Sünde mit vom Ich zu begehenden zu büßen. Stimmt das? So, wie der Vers da steht, bleibt aber als Hauptinterpretation diese: Ich kann eine Sünde nicht mit einer anderen büßen (also zum Beispiel: Ich kann einen Mord nicht mit einem Selbstmord oder einem weiteren Mord büßen oder so...)
Was ich zus agen versuche: Es bleibt in dieser Verkürzung verschleiert/unklar, wer schon Sünde begangen hat: Ich? Oder ist Ich das Opfer?
Nach unmöglich ein Komma?

Aber in die Krone meines Schmerzes klettern
um Ausschau zu halten (und nicht um zu blühen)
das will ich!

Das ist sehr schön. Auch mit der Klammer ,-)
Du kommst zurück zu dem Wachsen-Bild, stattdessen ist es nicht einfach Wachsen (mühelos), sondern Klettern (anstrengend), und doch die Schmerzen als Wurzel und zugleich Krone der Erkenntnis, wenn man so will...

Ich lese es als quasi psychologisch orientiertes erkenntnistheoretisches Gedanken-Gedicht, in dem die eigene Betroffenheit rationalisiert wird, resigniert in einer Hinsicht, zugleich anpackend in einer zweiten. Wie gesagt: Es ist ein starker Gedanke, flankiert von starken (schweren) Gefühlen, der für mein Gefühl noch nicht stark genug steht.

Liebe Grüße
Klara


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