Jule
Jule
Sommer 1970
Jule hat es eilig. Ihre Mutter geht auf die Toilette und muss pressen. Jule fällt ins Klo, stürzt sich ins Leben. Sie entwickelt eine Aversion gegen Wasser und Allergien gegen verschiedene Reinigungsmittel.
Frühjahr 1975
Jules Mutter muss ins Krankenhaus. Jule verbringt ein halbes Jahr bei ihren Großeltern. Die Oma kümmert sich um das dünne Kind. Jeden Tag gibt es Kuchen, selbstgemachten Erdbeer-Sahnejoghurt oder Eis, weil Jule alles brav auffrisst.
Herbst 1975
Fett kehrt Jule heim. Die Mutter ist wieder gesund und nimmt Jule den Teller weg, wenn sie eine zweite Portion haben will.
Winter 1980
Jule lässt die Grundschule hinter sich und beginnt ihr erstes Jahr auf dem Gymnasium. Vor jedem Schwimmunterricht reibt sie sich Essigreiniger auf die Oberarme und zeigt dem Lehrer den Hautausschlag. Sie wird vom Schwimmen befreit.
In den Pausen wirft Jule die von ihrer Mutter geschmierten Diät-Knäckebrote weg und kauft sich im Kiosk auf dem Schulgelände Chips und Erdnüsse. Zuhause verweigert sie das Essen. Die Mutter ist zufrieden. Jule ist vernünftig geworden.
Sommer 1983
Jules Eltern verbringen die Wochenenden auf dem Golfplatz, bitten Jule, sich zuhause um den Hund zu kümmern.
Am Weg zum Wald befindet sich ein Fast-Food-Laden. Der Hund gehorcht ihr aufs Wort. Er mag Hamburger.
Jules Freundeskreis hat kein Gewicht. Ihre Mitschüler geben ihr viele runde Namen.
Sommer 1985
Jule lässt sich Zeit. Sie ist fünfzehn Jahre alt, hat noch keinen Jungen geküsst. Die Menstruation kennt sie nicht.
Winter 1986
Jules Mutter will mit ihr zum Arzt gehen. Der Grund für die ausbleibende Menstruation soll gefunden werden. Jule greift vorher zum WC-Reiniger und reibt ihren runden Körper damit ein. Die Reaktionszeit kennt sie und packt sich in dicke Klamotten ein.
Als sie nackt vor dem Arzt steht, sagt er, dass ihre Allergie vermutlich der Grund sei. Ihr Übergewicht könnte auch eine Rolle spielen. Er entnimmt ihr eine Blutprobe. Beim Piecken der Nadel entdeckt Jule ein neues Gefühl.
Frühjahr 1987
Jule hat einige Untersuchungen hinter sich gebracht. Da die Allergien ohne ersichtlichen Grund kommen und gehen, findet der Arzt keinen Zusammenhang. Die Ursache sei ihr starkes Übergewicht, lautet seine Diagnose.
Sommer 1988
Jules Mutter setzt sie auf Diät. Je stärker sie Jules Mahlzeiten reduziert, umso mehr steigt Jules Gewicht. Jule besorgt sich rote Tuschfarbe, kippt sie ins Klo und ruft ihre Mutter. Sie verzerrt ihr Gesicht und krümmt sich leicht. Zufrieden geht die Mutter Binden einkaufen.
Herbst 1990
Jule hat die Schule geschafft. Sie hat Probleme, geradeaus zu gehen. Sie fällt zur Seite, mal nach rechts, mal nach links. Sie kann sich nicht halten und verbringt ganze Tage im Bett. Mit einer Gehhilfe möchte sie nicht studieren. Es ist das Übergewicht. Da ist sich ihre Mutter sicher.
Jule hat es eilig. Jule fällt aus dem Leben, wie sie ins Leben hineingefallen ist.
© Gabriella Marten Cortes 2010
Ich relativiere: Quoth liest, sie mochten sich einander; ich lese nur, sie mochte den Hund. Ob der auch sie mochte, lese ich nicht.
Da steht, sie kümmere sich gern um den Hund. Das ist durchaus ein emotionales Urteil, wie ich finde, ein deutlich warmes sogar, im Vergleich zur ansonsten konsequent durchgezogenen Basiskälte des Textes.
Ahoi
Pjotr
Da steht, sie kümmere sich gern um den Hund. Das ist durchaus ein emotionales Urteil, wie ich finde, ein deutlich warmes sogar, im Vergleich zur ansonsten konsequent durchgezogenen Basiskälte des Textes.
Ahoi
Pjotr
Jetzt fällt mir noch eine winzige Kleinigkeit auf: "Auf dem Weg zum Wald befindet sich ein Fast-Food-Laden" -- Der Laden steht wahrscheinlich eher am Weg, nicht auf ihm; wobei nach "Auf dem Weg ..." überlicherweise eine Tätigkeit oder ein Ereignis folgt anstatt einer Existenz. Also, die vordere Satzhälfte passt grammatisch nicht ganz zur hinteren, oder?
Morgen Zefi,
Hmmm halten wir mal fest:
-Der Text gibt keinen Schluss her
- Man weiß nichts und kann nichts tun
Aber aber was bleibt dem Leser denn dann? Und ja, der Text gibt keinen Schluss her und dadurch implantiert er eben die Kurzschlüsse bei vielen Lesern. Weil ein Mensch doch keine Maschine ist, der einfach in seinen Datenspeicher laden kann, ohne was damit anfangen zu wollen, es werden doch immer Automatismen getriggert. Vielleicht merken viele gar nicht, wie sie manipuliert werden … mal eben „dick“= „keine Freunde“ verknüpfen usw.
Ich möchte auch keine Erklärungen, keinen Speck, keine Deutungen, keinen expliziten Pathos (ich verstehe nicht, warum das in dieser Diskussion als die zwei möglichen Pole dargestellt wird).
Ich möchte Jule einfach besser kennenlernen (und das kann auch völlig emotionslos geschehen), damit es mir überhaupt möglich ist einen „Raum“ aufzubauen.
Selbst ein Polizeibericht (der ja auch emotionslos sein muss), versucht immer ALLE Indizien zu erfassen. Die Indizien fehlen in diesem Text aber auch und so bleibt dem Leser nur: „Friss oder stirb“ und ich sterbe.
Übrigens: Sams Text (den ich auch nicht so mochte, aber aus anderen Gründen) –lies ihn bitte nochmal- zeichnet viel viel genauer, baut viel mehr auf … und darum verbietet sich für mich ein Vergleich per se.
LG
das Niflchen
Zefira hat geschrieben:Lieber Nifl, ich sehe das Gleiche wie Du, ziehe aber ganz andere Schlüsse:Dieser Text ist eine Aneinanderreihung von Behauptungen (haarsträubenden Behauptungen) , die durch ihre Reduktion gar keine Lesermeinung zulassen dürften. Dafür reicht der Informationsgehalt (wie nüchtern auch immer) einfach nicht. Sie müssen im Leser „Kurzschlüsse“ erzeugen (ähnlich einem Bildzeitungstitel) und das ist Manipulation, die mich ärgert
Tatsächlich ist in meinen Augen jeder Schluss, den man als Leser ziehen könnte, implantiert; der Text gibt keinen her (nicht einmal den, dass die Mutter Jule nicht liebt, wie ich schon oben schrieb) und genau das macht für mich die Stärke des Textes aus. Man weiß nichts und kann nichts tun; der Leser natürlich sowieso nicht, aber auch sonst niemand.
Hmmm halten wir mal fest:
-Der Text gibt keinen Schluss her
- Man weiß nichts und kann nichts tun
Aber aber was bleibt dem Leser denn dann? Und ja, der Text gibt keinen Schluss her und dadurch implantiert er eben die Kurzschlüsse bei vielen Lesern. Weil ein Mensch doch keine Maschine ist, der einfach in seinen Datenspeicher laden kann, ohne was damit anfangen zu wollen, es werden doch immer Automatismen getriggert. Vielleicht merken viele gar nicht, wie sie manipuliert werden … mal eben „dick“= „keine Freunde“ verknüpfen usw.
Ich möchte auch keine Erklärungen, keinen Speck, keine Deutungen, keinen expliziten Pathos (ich verstehe nicht, warum das in dieser Diskussion als die zwei möglichen Pole dargestellt wird).
Ich möchte Jule einfach besser kennenlernen (und das kann auch völlig emotionslos geschehen), damit es mir überhaupt möglich ist einen „Raum“ aufzubauen.
Selbst ein Polizeibericht (der ja auch emotionslos sein muss), versucht immer ALLE Indizien zu erfassen. Die Indizien fehlen in diesem Text aber auch und so bleibt dem Leser nur: „Friss oder stirb“ und ich sterbe.
Übrigens: Sams Text (den ich auch nicht so mochte, aber aus anderen Gründen) –lies ihn bitte nochmal- zeichnet viel viel genauer, baut viel mehr auf … und darum verbietet sich für mich ein Vergleich per se.
LG
das Niflchen
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)
Mucki, du schreibst:
Ach so, DARUM geht es? Um eine "grausame", "oberflächliche" Mutter (was sich m.E. übrigens beides logisch ausschließen müsste... - grausam ODER oberflächlich -) Wir sollen hier (wieder mal) die ganz große Mutter-Schuld-Maschine kaufen? Die böse Täterin, das unschuldige Opfer? Es geht hier tatsächlich um das Simpel-Schema böse Mutter-gequälte Tochter?
Oweh.
Dann wäre es allerdings alles andere als tragisch, nämlich nicht nur psychologischer Unsinn (die Mutter ist 6 Monate krank - was hat sie? hat sie Gefühle? Leidet sie selbst an irgendwas? Macht das Leben, machen andere Menschen etwas mit ihr, das sie "grausam und oberflächlich" lassen wird?), sondern auch Courths-Mahler verkleidet in Nüchternheit, in "lakonisches" Schreiben.
Dem ich nun noch weniger glaube, weil der Text, wie ich ja schon befürchtete, manipuliert,ohne damit ehrlich zu sein: Ich soll die Mutter verabscheuen, ihr die Schuld geben, das Mädchen bedauern?
Pardon, aber das ist mir nach den vorliegenden Informationen zu billig - und nicht möglich.
Versteh mich nicht falsch, es geht hier nicht um Herabwürdigung von Manipuliation, im Gegenteil: Literatur lebt von Manipulation, wie Film, Musik und jede Kunst, und auch ich mag es, kunstvoll manipuliert zu werden, den Blick gerichtet zu bekommen, den Ausschnitt der Welt präsentiert, den einen, feinen, grässlichen etc, ich möchte das auch können - aber ich mag es nicht, wenn, wenn mir was Anderes verkauft werden soll als behauptet. Wenn Manipulation behauptet, sie sei keine, weißt du. Ich kaufe, lese, höre lieber Sachen, in denen drin ist, was drauf steht. In denen die Manipulation sich ihrer selbst bewusst ist sozusagen - und bewusst macht. Ehrliche Manipulation. Und ich will dann auch, wenn ich kaufe, lese, höre etc., weder was ungefragt was dazu bekommen, noch etwas Anderes als behauptet. Am allerwenigsten die GROßE-UNTILGBARE-MUTTERSCHULD-GESCHICHTE, denn die ist immer zu einfach, und eine der größten (auch hartnäckigsten) Lügen des Boulevards (diesen Begriff fasse ich sehr weit), und wenn sie (mir) verkauft werden soll, muss sie (mir) besser erzählt werden. Auch Boulevard, gerade Boulevard (= Courths-Mahler) muss man ja erstmal können, näch...
Ich auch nicht...
Das tragische Element, das Leiden des Mädchens, der ganze Schmerz, die grausame und oberflächliche Mutter, all das soll beim Leser evoziert werden, eben durch die extrem distanzierte und nur anskizzierte Schilderung.
Ach so, DARUM geht es? Um eine "grausame", "oberflächliche" Mutter (was sich m.E. übrigens beides logisch ausschließen müsste... - grausam ODER oberflächlich -) Wir sollen hier (wieder mal) die ganz große Mutter-Schuld-Maschine kaufen? Die böse Täterin, das unschuldige Opfer? Es geht hier tatsächlich um das Simpel-Schema böse Mutter-gequälte Tochter?
Oweh.
Dann wäre es allerdings alles andere als tragisch, nämlich nicht nur psychologischer Unsinn (die Mutter ist 6 Monate krank - was hat sie? hat sie Gefühle? Leidet sie selbst an irgendwas? Macht das Leben, machen andere Menschen etwas mit ihr, das sie "grausam und oberflächlich" lassen wird?), sondern auch Courths-Mahler verkleidet in Nüchternheit, in "lakonisches" Schreiben.
Dem ich nun noch weniger glaube, weil der Text, wie ich ja schon befürchtete, manipuliert,ohne damit ehrlich zu sein: Ich soll die Mutter verabscheuen, ihr die Schuld geben, das Mädchen bedauern?
Pardon, aber das ist mir nach den vorliegenden Informationen zu billig - und nicht möglich.
Versteh mich nicht falsch, es geht hier nicht um Herabwürdigung von Manipuliation, im Gegenteil: Literatur lebt von Manipulation, wie Film, Musik und jede Kunst, und auch ich mag es, kunstvoll manipuliert zu werden, den Blick gerichtet zu bekommen, den Ausschnitt der Welt präsentiert, den einen, feinen, grässlichen etc, ich möchte das auch können - aber ich mag es nicht, wenn, wenn mir was Anderes verkauft werden soll als behauptet. Wenn Manipulation behauptet, sie sei keine, weißt du. Ich kaufe, lese, höre lieber Sachen, in denen drin ist, was drauf steht. In denen die Manipulation sich ihrer selbst bewusst ist sozusagen - und bewusst macht. Ehrliche Manipulation. Und ich will dann auch, wenn ich kaufe, lese, höre etc., weder was ungefragt was dazu bekommen, noch etwas Anderes als behauptet. Am allerwenigsten die GROßE-UNTILGBARE-MUTTERSCHULD-GESCHICHTE, denn die ist immer zu einfach, und eine der größten (auch hartnäckigsten) Lügen des Boulevards (diesen Begriff fasse ich sehr weit), und wenn sie (mir) verkauft werden soll, muss sie (mir) besser erzählt werden. Auch Boulevard, gerade Boulevard (= Courths-Mahler) muss man ja erstmal können, näch...
Ich möchte auch keine Erklärungen, keinen Speck, keine Deutungen, keinen expliziten Pathos (ich verstehe nicht, warum das in dieser Diskussion als die zwei möglichen Pole dargestellt wird).
Ich auch nicht...
Lieber Nifl, ich werde hier langsam OT, weil ich das Gefühl habe, dass meine Lesart des Textes nicht die ist, die Mucki beabsichtigt hat (siehe z.B. oben - ich erkenne in dem Text keine grausame, oberflächliche Mutter). Trotzdem kurze Antwort:
Nicht nur beim Lesen von Texten, auch bei in der Realität neigt man gern dazu, ein Problem so zu "lesen", dass die Lösung gleich mit auf der Hand liegt oder wenigstens so, dass die Ursache eingekapselt und abgelegt werden kann. Der Text, der den Leser insoweit allein lässt, als er dafür gar keinen Anhaltspunkt gibt, zeigt damit in meinen Augen die Fragwürdigkeit aller Schlussfolgerungen auf, die man gern ziehen würde, aber nicht kann.
OT Ende ...
der Text gibt keinen Schluss her und dadurch implantiert er eben die Kurzschlüsse bei vielen Lesern.
Nicht nur beim Lesen von Texten, auch bei in der Realität neigt man gern dazu, ein Problem so zu "lesen", dass die Lösung gleich mit auf der Hand liegt oder wenigstens so, dass die Ursache eingekapselt und abgelegt werden kann. Der Text, der den Leser insoweit allein lässt, als er dafür gar keinen Anhaltspunkt gibt, zeigt damit in meinen Augen die Fragwürdigkeit aller Schlussfolgerungen auf, die man gern ziehen würde, aber nicht kann.
OT Ende ...
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Eine grausame und oberflächliche Mutter sehe ich auch nicht. Ich sehe im Übrigen überhaupt keine Mutter, und auch Jule nicht als Mensch (deswegen have ich auch keinerlei Neugier mehr über Jule und ihre Familie bzw. Lebensumstände zu erfahren).
Für mich ist der Text nichts anderes, als ein abstraktes Modell, die Skizze eines Lebens, das eigentlich keines sein will und es deswegen eilig hat, wieder in der Nichtexistenz zu verschwinden. Modell eines Lebens, das keine Berührungspunkte zulassen will und selbst wenn es geschieht (das Pieksen der Spritze) hat es keine Auswirkungen, weil die Abschottung nicht zu durchdringen ist. Modell auch eines konsequenten Nihilismus. Das Jule dick ist, ist für dieses Modell völlig unwichtig. Sie könnte genauso gut magersüchtig, depressiv, homosexuell, Harz IV-Empfängerin, Muslimin (um Dinge zu nennen, die ähnlich emotional aufladend sein können) oder einfach nur eine Poetin sein. Wichtig ist nicht, was sie ist, sondern ihre Weigerung, mit der Welt in Kontakt zu treten.
Die Selbstinterpretation der Autorin mal ganz außen vorlassend, sehe ich hier keinerlei Form von Manipulation. Der Text ist eine Münze, die auf beiden Seiten das Gleiche zeigt. Man könnte ja auch sagen, Jule ist oberflächlich und grausam. Zur Meinungsbildung (auch einer unbewussten) das Thema Fettleibigkeit/Schuld der Eltern etc. betreffend taugt er nicht.
Zu was taugt er dann? Er ist für mich ein (wenn auch leichtgewichtiges) literarisches Spiel, bei dem es darum geht, einem Modell eine gewisse Form zu geben und erhält seinen Reiz vor allem durch die Absurdität der Mittel, zu denen Jule greift, um sich der Welt und dem Leben zu entziehen.
Für mich ist der Text nichts anderes, als ein abstraktes Modell, die Skizze eines Lebens, das eigentlich keines sein will und es deswegen eilig hat, wieder in der Nichtexistenz zu verschwinden. Modell eines Lebens, das keine Berührungspunkte zulassen will und selbst wenn es geschieht (das Pieksen der Spritze) hat es keine Auswirkungen, weil die Abschottung nicht zu durchdringen ist. Modell auch eines konsequenten Nihilismus. Das Jule dick ist, ist für dieses Modell völlig unwichtig. Sie könnte genauso gut magersüchtig, depressiv, homosexuell, Harz IV-Empfängerin, Muslimin (um Dinge zu nennen, die ähnlich emotional aufladend sein können) oder einfach nur eine Poetin sein. Wichtig ist nicht, was sie ist, sondern ihre Weigerung, mit der Welt in Kontakt zu treten.
Die Selbstinterpretation der Autorin mal ganz außen vorlassend, sehe ich hier keinerlei Form von Manipulation. Der Text ist eine Münze, die auf beiden Seiten das Gleiche zeigt. Man könnte ja auch sagen, Jule ist oberflächlich und grausam. Zur Meinungsbildung (auch einer unbewussten) das Thema Fettleibigkeit/Schuld der Eltern etc. betreffend taugt er nicht.
Zu was taugt er dann? Er ist für mich ein (wenn auch leichtgewichtiges) literarisches Spiel, bei dem es darum geht, einem Modell eine gewisse Form zu geben und erhält seinen Reiz vor allem durch die Absurdität der Mittel, zu denen Jule greift, um sich der Welt und dem Leben zu entziehen.
Hi Sam,
Na, das ist doch eine Ansage, die mir zudem sehr gefällt!.gif)
Saludos
Gabriella
P.S. Bevor ich auf "Absenden" dieses Textes klickte, las ich meinem Mann den Text vor. Er meinte: Willst du diesen Text wirklich ins Forum stellen? Ich meinte: Ja, weil er ziemlich polarisieren wird.
Sam hat geschrieben:Für mich ist der Text nichts anderes, als ein abstraktes Modell, die Skizze eines Lebens, das eigentlich keines sein will und es deswegen eilig hat, wieder in der Nichtexistenz zu verschwinden. Modell eines Lebens, das keine Berührungspunkte zulassen will und selbst wenn es geschieht (das Pieksen der Spritze) hat es keine Auswirkungen, weil die Abschottung nicht zu durchdringen ist. Modell auch eines konsequenten Nihilismus.
Na, das ist doch eine Ansage, die mir zudem sehr gefällt!
.gif)
Saludos
Gabriella
P.S. Bevor ich auf "Absenden" dieses Textes klickte, las ich meinem Mann den Text vor. Er meinte: Willst du diesen Text wirklich ins Forum stellen? Ich meinte: Ja, weil er ziemlich polarisieren wird.
tja, dann oute ich mich mal
genauso kam er bei mir an ...
vielleicht konnotiert man aus dem gestern ins jetzt ...
diesen text
Das tragische Element, das Leiden des Mädchens, der ganze Schmerz, die grausame und oberflächliche Mutter, all das soll beim Leser evoziert werden, eben durch die extrem distanzierte und nur anskizzierte Schilderung.
genauso kam er bei mir an ...
vielleicht konnotiert man aus dem gestern ins jetzt ...
diesen text
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).
Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel
Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel
Chère noel,
und vielleicht schreibt man solche Texte "heute", weil man sie "gestern" nicht hätte schreiben können.
Und vielleicht schreibt man solche Texte, weil man "heute" diese "fatalistische" Einstellung angenommen hat, die man "gestern" nicht hatte ...
Und vielleicht schreibt man solche Texte nicht aus, weil die "fatalistische" Einstellung noch nicht ausreicht ...
Ich habe deinen ersten Kommentar schon genau richtig verstanden, diese vielsagenden Pünktchen ...
Saludos
Mucki
noel hat geschrieben:vielleicht konnotiert man aus dem gestern ins jetzt ...
diesen text
und vielleicht schreibt man solche Texte "heute", weil man sie "gestern" nicht hätte schreiben können.
Und vielleicht schreibt man solche Texte, weil man "heute" diese "fatalistische" Einstellung angenommen hat, die man "gestern" nicht hatte ...
Und vielleicht schreibt man solche Texte nicht aus, weil die "fatalistische" Einstellung noch nicht ausreicht ...
Ich habe deinen ersten Kommentar schon genau richtig verstanden, diese vielsagenden Pünktchen ...
Saludos
Mucki
zu deinen rhetorischen fRagen
gewiss
umärmelung
gewiss
umärmelung
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).
Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel
Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel
das ist ja das spannende; diese polarisierung die dein text bewirkt. nur frage ich mich schon manchmal, worum es in der diskussion eigentlich geht. an manchen stellen, kommt es mir vor, als würden einfach befindlichkeiten, bedürfnisse und erwartungen ausdiskutiert, die sich längst vom konkreten text gelöst haben und ich merke schon, dass ich genau das hier gerade selbst tue. ich weiß nur gar nicht, ob ich wirklich etwas zum text sagen kann, nachdem ich diese ganze diskussion verfolgt habe, etwas, das wirklich nur mit dem text zu tun hat. was er aber verdammt noch einmal verdient hätte. ich habe dieses ungute gefühl, dass wir alle hier uns selbst immerzu zu wichtig nehmen. geht das nicht, dass man sich einlässt auf einen text, seine mittel ohne von sich selbst zu reden, ohne sich selbst in den mittelpunkt zu stellen? keine ahnung, ob einigermaßen deutlich wird, was ich sagen will. vielleicht ist es auch gar nicht so wichtig. weil es ja wieder nicht direkt mit dem text zu tun hat.
ich mag den mut dieses textes, das experimentelle, die riesigen leerstellen. die schlagzeilen, die er auf ein leben wirft. für mich ist der text ein blick darauf wie wir heute auf das leben gucken. in schlagzeilen, mit vielen aussparungen, und wenig zeit.
xanthi
ich mag den mut dieses textes, das experimentelle, die riesigen leerstellen. die schlagzeilen, die er auf ein leben wirft. für mich ist der text ein blick darauf wie wir heute auf das leben gucken. in schlagzeilen, mit vielen aussparungen, und wenig zeit.
xanthi
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