Nur ein kleiner Bär
Papas Glubschaugen quollen noch weiter hervor; bald würden sie die Brille sprengen.
Er stammelte: „Ich ... ich hab im Lotto ...“
Dann verstummte er und schwankte ein bisschen. Wir saßen in der Küche, mein kleiner Bruder Thom riss die Augen auf wie Papa. Mama briet gerade Eier, wie an jeden Feiertag – erst brunchten wir, dann machten wir einen Ausflug. Sie drehte sich grinsend um.
„Wieviel ist es denn diesmal? 10 Euro?“
Wir alle wussten, wie sehr Papa auf den Haupttreffer wartete. Alle paar Wochen – er spielte nur, wenn es einen Jackpot zu knacken galt – hing er zur Ziehung vor dem Fernseher. Gestern hatte er eine Sitzung in der Uni und konnte erst heute im Internet das Ergebnis studieren.
„An Peanuts bin ich nicht interessiert“, sagte er, wenn wir ihn aufzogen. Als ob eine Million nichts wäre!
Und nun stand er da und stotterte, nachdem er zuvor die Lottoseite gecheckt hatte. Der Schein in seinen Händen bebte.
„Nicht im Ernst! Du machst doch Spaß, Werner?“, sagte Mama.
Es roch verbrannt. Ich stürzte mich auf die Pfanne und schob sie von der Platte.
„Keine blöden Eier heut“, sang Thom vergnügt und schmierte Nutella auf den Toast und sein Shirt.
„Doch, ich meine, nein, kein Scherz.“ Papa hielt den Schein über seinen Kopf und auf seinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. Er machte einen Luftsprung. Als er auf dem Holzboden landete, schepperten die Gläser im Schrank.
Ein schriller Juchzer teilte die Luft, er kam von Mama, gefolgt von einem Knall, als die Bratschaufel in der Spüle landete. Und ich? Als Vierzehnjährige ist man gesegnet mit Wünschen.
„Wieviel?“ Meine Stimme klang wie Staub, ich hustete. „Wieviel, Papa?“
Er sah mich an. „Genug, Baby, um euch die Sterne vom Großen Bären zu kaufen.“ Als Astronom liebte er solche Aussprüche.
Er hatte tatsächlich einen Fünfer mit Zusatzzahl, kein Scheiß! Knapp hundertfünfzigtausend Euro wert.
„Wenn einer von euch nur einen Muckser darüber verlauten lässt, reiß ich ihm das Herz raus“, sagte er.
Wir hielten Familienrat ab.
„Ich will den neuen Nintendo!“ Thom unterstrich die Forderung mit einem Hopser. Er machte Papa alles nach.
Ich ratterte herunter: „Laptop, Silberstiefel von DKNY, den Ledermantel von H&M, ’nen Vollbodenflokati, ein rundes Bett in Rosa und endlich Dreadlocks um zweihundert Euro, Nagelstudio ...“
„Stopp“, brüllte Papa und verstaute die Quittung in seiner Brieftasche, „ich wollte jedem von euch einen Stern kaufen.“
„Ich will einen Nintendo“, heulte Thom und rotzte ins Nutellaglas; Mama nahm es ihm schnell weg. Gott sei Dank esse ich das Zeugs nicht.
„Einen Stern?“ Mamas Augenlider flatterten.
„Warum?“ Vor Entsetzen riss ich mir ein Büschel Haare heraus.
„Weil Sterne haltbar ist“, sagte Papa bestimmt.
„Komm“, Mama bewegte sich langsam auf ihn zu und nahm ihn an der Hand, „lass uns in aller Ruhe überlegen.“ Sie führte ihn zu seinem Stuhl und drückte ihn sanft darauf nieder.
„Behandle mich nicht wie einen Schwachsinnigen, Rita.“
Sie lächelte auf ihn herab; ich sah ihr an, dass sie in ihrem Hirn nach Argumenten grub, um zu beweisen, dass er sich tatsächlich wie ein Irrer aufführte.
Sterne! Ich wusste schon lange, dass Astrophysiker einen Knall haben. Papa und seine Kollegen verbrachten ihre Nächte auf der Sternwarte. Oft kam er erst heim, wenn wir morgens zur Schule marschierten: Bleichgesichtig mit roten Augen, von den Mücken zerstochen im Sommer und mit roter Triefnase im Winter heim. Dann erzählte er von irgendwelchen Kometenschweifen.
„Nintendo?“, begann Thom leise, um sich dann wieder aufzuraffen, auf den Tisch zu hauen und ein Lied aus diesem einen Wort zu schmettern.
„Klappe!“, zischte ich und hielt seine Hände fest. Thom war erst fünf, aber bärenstark und er trat mich gegen das Knie, dass ich zusammenknickte.
Mama lächelte Papa weiterhin an, er runzelte die Stirn. „Was ist los? Ist mein Gesicht entstellt?“
„Aber geh, ich denke bloß“, sie schob einen Stuhl an seine Seite, setzte sich und tätschelte seine Hand, „so ein Betrag könnte allerhand hergeben. Vielleicht kaufst du einen kleinen Stern für die ganze Familie und mit dem Rest kö...“
„Rita“, er sprang auf und spurte durch die Küche, „seit ich ein kleiner Junge war, wollte ich einen haben. Dass du mich nie verstehst.“
„Kinder, raus.“ Mama streckte den Arm in Richtung Garten.
Ich zerrte Thom mit mir.
Nintendo grölend baumelte er kopfüber von seinem Klettergerüst.
„Dein Gehirn rinnt raus, wenn du so weiter machst“, rief ich ihm vom Holzstoß zu, auf den ich mich zurückgezogen hatte, um meine Wunschliste zu erweitern.
Eine halbe Stunde später trat Papa auf die Terrasse. Er stopfte seine Pfeife und setzte sich in die Hollywoodschaukel. Thoms Gesicht war knallrot. Er machte einen Salto vom Gerüst und kam angerannt.
„Papa, was nun?“
Papa zuckte die Achseln. „Mal sehen.“
Bald kam Mama dazu, mit Autoschlüssel und Straßenkarte in der Hand, der Picknickdecke über dem Arm. „Los geht’s, sonst brauchen wir nicht mehr fahren.“
Papa klopfte die Pfeife auf der Stufe aus und Thom blies die Glut durch die Gegend.
Der Peugeot spotzte ein paar Mal, ehe er ansprang.
„Tja, ein Auto ...“ Mama seufzte ein bisschen, als sie auf die Straße bog.
Mein Bruder machte den Mund auf, schnell steckte ich ihm die Ohrstöpsel meines MP3-Players in die Ohren, auch er mochte Tokio Hotel und vergaß, wieder und wieder seinen Herzenswunsch zu plärren.
„Das ist aber lieb von dir, Maus“, sagte Mama nach einem Blick in den Rückspiegel und zwinkerte mir zu. Nach unserem Ausflug würde ich die Stöpsel in Lysoformlösung baden.
Die Burg, die heute auf dem Programm stand, war schnell erreicht. Im Geist richtete ich gerade mein Zimmer ein. Voll genial. Die Ausstellung „Bäuerliches Kunsthandwerk“ ließ mir jedoch genügend Zeit, weiterzumachen, wen außer Mama interessiert so was schon, und Thom spielte Luftgitarre; ich könnte ihm den Player eigentlich schenken, ich würde sowieso bald ein megamäßiges Handy mit Player kriegen. Bei hundertfünfzigtausend war das bestimmt auch noch drin.
Papa wirkte abwesend, wahrscheinlich überlegte er, ob er gleich den Polarstern kaufen sollte. Als hätte er meine Gedanken gelesen, nahm er meine Hand, während Mama sich nicht halten konnte vor Begeisterung über ein Kruzifix, und sagte: „Ich weiß natürlich, dass einen Stern kaufen nur heißt, dass ich eine Art Spende für die Forschung mache. Aber trotzdem gehört er dann uns, quasi.“
„Meinst du, es bleibt was übrig für Stiefel von DKNY?“
„Du solltest Thom die Musik wegnehmen, schau, wie er zuckt. In seinem Alter ist das sicher nicht gesund.“
Danke, Papa für die ausführliche Antwort auf meine Frage! Ich starrte auf eine Bauernhochzeit in Öl.
Freitag war ein göttlicher, schulautonomer Tag; ich blieb lange im Bett. Einem Jugendbett aus hellem Holz mit Lattenrost. Toll. Ich träume von dem runden, neuen mit eingebauter Musikanlage und Fernseher in Pink. Gerade grübelte ich, ob Dreads nicht zu krass für mein neues Luxusleben wären, da platzte Thom rein. Mama hatte ihn leider auch zu Hause bleiben lassen.
„Sonst kränkt er sich“, erklärte sie gestern.
Er nahm Anlauf und sprang auf meinen Bauch, hielt mir seinen nassgelutschten Schlafhasen ins Gesicht und sang nicht „Nintendo“, sondern: „Komm und rette mich, ich verbrenne innerlich, komm und rette mich, ich schaffs nich ohne dich, komm und rette mich, rette mich, rette mich.“
Ich stopfte ihm ein Hasenohr in den Mund, obwohl er den Song ganz gut drauf hatte.
„Nie wieder borg ich dir Tokio Hotel, du Stummel!“
Der Tag dauerte eine Ewigkeit bis zum Abend. Mama rief Papa halbstündlich an – nie ging er ran. Leider konnte das Lied „ich schaffs nich ohne dich“ Thoms anderen Ohrwurm nicht dauerhaft tilgen. Vom Klo, in dem er stundenlang Micky-Maus lesend vor sich hin stank, ertönte sein Ruf nach dem Nintendo.
Ich pinkelte derweil in die Badewanne und entschloss mich, die Dreadlocks trotz Luxus zu einem Teil meiner Persönlichkeit zu machen.
Endlich hörten wir Papa die Tür vom Peugeot zuschlagen und rasten ihm entgegen.
Er schüttelte uns ab und warf sich aufs Sofa.
„So“, sagte er.
Mama, Thom und ich platzten bald, aber er schwieg. Stopfte bedächtig seine Pfeife. Hallo?
Ich hielt es nicht mehr aus. „Papa?“
Thom klatschte. „Nintendo?“
Mutig trat Mama näher an ihn heran. „Liebling, was meinst du mit so?“
„Tja, Kinder“, sagte Papa. Seine Pfeife gab ein saugendes Geräusch von sich. „Kurzum“, fuhr er fort, „es gibt noch neun, die den Fünfer mit Zusatzzahl getippt haben. Unser Anteil ist demnach fünfzehntausend.“
Okay, keine Dreads.
Thoms Blick wanderte zu Mama. Sie atmete tief durch.
„Aber das macht doch nichts. So haben eben viele etwas gewonnen. Was würden wir auch mit hundertfünfzigtausend anfangen? Das gibt bloß Sorgen, Werner.“ Sie schaute uns Kinder an. „Stimmt doch!“
Papa sog an der Pfeife und blies einen Rauchring, der sich zu einem Achter verformte und dann verschwand.
„Leider kann ich euch jetzt keinen Stern kaufen“, sagte er und stand auf, „aber ich habe was anderes für euch.“ Er holte den Autoschlüssel aus der Hosentasche und wirbelte ihn um den Finger. „Kommt mit.“
Wir folgten ihm zum Autostellplatz. Papa sperrte den Kofferraum auf, ließ die Tür hochschnalzen. Alles voller Pakete!
Er lud sie auf seine Arme, sagte: „Platz da!“
Eilig beförderte ich mit dem Fuß Thoms Raumstation aus Lego vom Terassenboden; sie zerfiel in hundert Steinchen. Nicht auszudenken, wenn Papa stürzte und etwas von den Sachen kaputt ginge.
Er legte alles aufs Sofa. Mama schlug die Hand vor den Mund, Wasser schoss in ihre Augen. Wahrscheinlich weinte sie, weil der Peugeot weiter spotzen würde.
„So!“, sagte Papa wieder, aber es klang fröhlich. Er nahm die erste Schachtel in die Hände, legte sie ans Ohr. „Aha, das gehört meiner Tochter.“
Ich riss sie ihm aus der Hand und verzog mich in eine Ecke.
„Warte, kommt noch was nach. Aber erstmal das nächste.“ Über das Sofa gebeugt, horchte Papa mal an diesem Karton, an jenem Päckchen, warf Blicke in Tragtaschen. Ach, Papa!
Plötzlich fuhr er herum und hielt Thom, der dreinschaute, als machte er sich gleich in die Hosen, eine Geschenktasche mit dem aufgedruckten Grüngesicht von Shreck hin. Thom lugte hinein.
„Nintendo!“, quietschte er und sprang Papa in die Arme.
Dann schmiss er ein paar der Geschenke vom Sofa und klemmte sich daneben zum Auspacken seines Schatzes. Papa reichte mir noch zwei Sachen, eins davon hatte die Länge von Stiefeln! Was Mama bekam, interessierte mich im Moment nicht, ich öffnete meins. Es waren die Silberstiefel, oh ja! Und ein Gutschein fürs Dreadlock-Studio. Und der Ledermantel!
„Oh, Papa“, schrie ich, meine Stimme kippte vor Freude ganz nach oben.
Nachdem wir uns alle beruhigt hatten, saßen wir um den Tisch. Bis auf Thom, der Mamas Bitten, doch zum Abendessen zu kommen, widerstand und auf seinem piepsenden Spiel herumtippte. Von Mamas Ohren baumelten glitzernde Hänger mit blutroten Steinchen.
„Dass du dran gedacht hast, Werner.“ Sie streifte den Hackbraten mit ihrem Bauch, als sie sich über den Tisch beugte, um ihn zu küssen. Dann teilte sie das Essen aus.
„Bin ja nicht ganz blöd“, sagte Papa. Er lachte.
„Und was hast du für dich gekauft?“ Ich konnte nirgends etwas entdecken, was für ihn interessant wäre.
„Ich habe die Sternwarte für heute Nacht reserviert. Ich wünsche mir schon lange, dass ihr endlich seht, was ich tu.“
Es war nicht einfach, Thom vom Nintendo loszueisen, aber dann saßen wir zusammen auf dem Turm. Rundum nichts als Sterne. Das breite Band der Milchstraße, wie Papa erklärte. Er nannte leise die Sternbilder und beschrieb sie. „Und dort ist Ursa Minor, der kleine Bär und sein Hauptstern, Polaris.“
Ich legte mich auf den Boden und starrte in den funkelnden Himmel. Mama legte den Kopf in Papas Halsgrube und sogar Thom hielt die Klappe. Lange Zeit schwiegen wir. Ich hatte das Gefühl, Teil von dem da oben zu werden.
„Weißt du, wie viel Sternlein stehhehen ...“, sang Thom auf einmal ganz leise. Und wir stimmten ein.
Vielen Dank, liebe Leonie, ich habe fast alles an Korrekturen übernommen
(c)Elsa Rieger
Nur ein kleiner Bär
Liebe Elsa,
eine schöne Geschichte ist das, tolle Idee und toll erzählt. Die Überschrift finde ich auch klasse.
Ein paar kleine Anregungen habe ich Dir fett markiert.
Liebe Grüße
leonie
Nur ein kleiner Bär
Papas Glubschaugen quollen noch weiter hervor; bald würden sie die Brille sprengen.
Er stammelte: „Ich ... ich hab im Lotto ...“
Dann verstummte er und schwankte ein bisschen. Wir saßen in der Küche, mein kleiner Bruder Thom riss die Augen auf wie Papa. Unsere Mama, die Eier briet, wie jeden Feiertag, an dem wir erst brunchten, und dann einen Ausflug machten, drehte sich um. (Unsere Mama briet gerade Eier, wie an....Jetzt drehte sie sich um. Auf jeden Fall zwei Sätze daraus machen...)
„Wieviel ist es denn diesmal? 10 Euro?“
Wir alle wussten, wie sehr Papa auf den Haupttreffer wartete. Alle paar Wochen – er spielte nur, wenn es einen Jackpot zu knacken galt – hing er zur Ziehung vor dem Fernseher. Gestern hatte er eine Sitzung in der Uni und konnte erst heute im Internet das Ergebnis studieren.
„An Peanuts bin ich nicht interessiert“, sagte er, wenn wir ihn aufzogen. Als wenn (als ob) eine Million nichts wäre!
(Und) nun stand er da und stotterte, nachdem er zuvor die Lottoseite gecheckt hatte. Der Schein in seinen Händen bebte.
„Nicht im Ernst! Du machst doch Spaß, Werner?“, sagte Mama.
Es roch verbrannt. Ich stürzte mich auf die Pfanne und schob sie von der Platte.
„Keine blöden Eier heut“, sang Thom vergnügt und schmierte Nutella auf den Toast und sein Shirt.
„Doch, ich meine, nein, kein Scherz.“ Papa hielt den Schein über seinen Kopf und sein Gesicht breitete sich zu einem Grinsen aus (auf seinem gesicht breitete sich ein Grinsen aus). Er machte einen Luftsprung. Als er auf dem Holzboden landete, schepperten die Gläser (welche Gläser?, auf dem Tisch?).
Ein schriller Juchzer teilte die Luft, er kam von Mama, gefolgt von einem Knall, als die Bratschaufel in der Spüle landete. Und ich? Als Vierzehnjährige ist man gesegnet von (mit) Wünschen.
„Wieviel?“ Meine Stimme klang wie Staub, ich hustete. „Wieviel, Papa?“
Er sah mich an. „Genug, Baby, um euch die Sterne vom Großen Bären zu kaufen.“ Als Astronom liebte er solche Aussprüche.
Er hatte tatsächlich einen Fünfer mit Zusatzzahl, (kein Scheiß)! Knapp hundertfünfzigtausend Euro (war der) wert.
„Wenn einer von euch nur einen Muckser darüber verlauten lässt, reiß ich ihm das Herz raus“, sagte er.
Wir hielten Familienrat ab.
„Ich will den neuen Nintendo!“ Thom unterstrich die Forderung mit einem Hopser. Er machte Papa alles nach.
Ich ratterte herunter: „Laptop, Silberstiefel von DKNY, den Ledermantel von H&M, ’nen Vollbodenflokati, ein rundes Bett in Rosa und endlich Dreadlocks um zweihundert Euro, Nagelstudio ...“
„Stopp“, brüllte Papa und verstaute die Quittung in seiner Brieftasche, „ich wollte jedem von euch einen Stern kaufen.“
„Ich will einen Nintendo“, heulte Thom und rotzte ins Nutellaglas; Mama nahm es ihm schnell weg. Gott sei Dank esse ich das Zeugs nicht.
„Einen Stern?“ Mamas Augenlider flatterten.
„Warum?“ Vor Entsetzen riss ich mir ein Büschel Haare heraus.
„Weil das haltbar ist“, sagte Papa bestimmt. (Weil Sterne haltbar sind)
„Komm“, Mama bewegte sich langsam auf ihn zu und nahm ihn an der Hand, „lass uns in aller Ruhe überlegen.“ Sie führte ihn zu seinem Stuhl und drückte ihn sanft darauf nieder.
„Behandle mich nicht wie einen Schwachsinnigen, Rita.“
Sie lächelte auf ihn herab; ich sah ihr an, dass sie in ihrem Hirn nach Argumenten grub, um zu beweisen, dass er sich tatsächlich wie ein Irrer aufführte.
Sterne! (Aber) ich wusste schon lange, dass Astrophysiker einen Knall haben. Papa und seine Kollegen verbrachten ihre Nächte auf der Sternwarte; oft kam er, wenn wir morgens zur Schule marschierten, bleichgesichtig mit roten Augen, von den Mücken zerstochen im Sommer und mit roter Triefnase im Winter heim. ( Zwei Sätze?: Oft kam er erst heim, wenn wir morgens zur Schule marschierten: bleichgesichtig....)Dann erzählte er von irgendwelchen Kometenschweifen.
„Nintendo?“, begann Thom leise, um sich dann wieder aufzuraffen, auf den Tisch zu hauen und ein Lied aus diesem einen Wort zu schmettern.
„Klappe!“, zischte ich und hielt seine Hände fest. Thom war erst fünf, aber bärenstark und er trat mich(mir) gegen das Knie, dass ich zusammenknickte.
Mama lächelte Papa weiterhin an, er runzelte die Stirn. „Was ist los? Hab ich eine Entstellung im Gesicht?“(Ist mein Gesicht entstellt?)
„Aber geh, ich denke bloß“, sie schob einen Stuhl an seine Seite, setzte sich und tätschelte seine Hand, „so ein Betrag könnte allerhand hergeben. Vielleicht kaufst du einen kleinen Stern für die ganze Familie und mit dem Rest kö...“
„Rita“, er sprang auf und spurte durch die Küche, „seit ich ein kleiner Junge war, wollte ich einen haben. Dass du mich nie verstehst.“
„Kinder, raus.“ Mama streckte den Arm in Richtung Garten.
Ich zerrte Thom mit mir.
Nintendo grölend baumelte er kopfüber von seinem Klettergerüst.
„Dein Gehirn rinnt raus, wenn du so weiter machst“, rief ich ihm vom Holzstoß zu, auf den ich mich zurückgezogen hatte, um meine Wunschliste zu erweitern.
Eine halbe Stunde später trat Papa auf die Terrasse. Er stopfte seine Pfeife und setzte sich in die Hollywoodschaukel. Thoms Gesicht war knallrot. Er machte einen Salto vom Gerüst und kam angerannt.
„Papa, was nun?“
Papa zuckte die Achseln. „Mal sehen.“
Bald kam Mama dazu, mit Autoschlüssel und Straßenkarte in der Hand, der Picknickdecke über dem Arm. „Los geht’s, sonst brauchen wir nicht mehr fahren.“
Papa klopfte die Pfeife auf der Stufe aus und Thom blies die Glut durch die Gegend.
Der Peugeot spotzte ein paar Mal, ehe er ansprang.
„Tja, ein Auto ...“ Mama seufzte ein bisschen, als sie auf die Straße bog.
Mein Bruder machte den Mund auf, schnell steckte ich ihm die Ohrstöpsel meines MP3-Players in die Ohren, auch er mochte Tokio Hotel und vergaß, wieder und wieder seinen Herzenswunsch zu plärren.
„Das ist aber lieb von dir, Maus“, sagte Mama nach einem Blick in den Rückspiegel und zwinkerte mir zu. Nach unserem Ausflug würde ich die Stöpsel in Lysoformlösung baden.
Die Burg, die heute auf dem Programm stand, war schnell erreicht. Im Geist richtete ich gerade mein Zimmer ein. Voll genial. Die Ausstellung „Bäuerliches Kunsthandwerk“ ließ mir jedoch genügend Zeit, weiterzumachen, wen außer Mama interessiert so was schon, und Thom spielte Luftgitarre; ich könnte ihm den Player eigentlich schenken, ich werde (würde) sowieso bald ein megamäßiges Handy mit Player kriegen. Bei hundertfünfzigtausend war das bestimmt auch noch drin.
Papa wirkte abwesend, wahrscheinlich überlegte er, ob er gleich den Polarstern kaufen sollte. Als hätte er meine Gedanken gelesen, nahm er meine Hand, während Mama sich nicht halten konnte vor Begeisterung über ein Kruzifix, und sagte: „Ich weiß natürlich, dass einen Stern kaufen nur heißt, dass ich eine Art Spende für die Forschung mache. Aber trotzdem gehört er dann uns, quasi.“
„Meinst du, es bleibt was übrig für Stiefel von DKNY?“
„Du solltest Thom die Musik wegnehmen, schau, wie er zuckt. In seinem Alter ist das sicher nicht gesund.“
Danke, Papa für die ausführliche Antwort auf meine Frage! Ich starrte auf eine Bauernhochzeit in Öl.
Freitag war ein göttlicher, schulautonomer Tag; ich blieb lange im Bett. Einem Jugendbett aus hellem Holz mit Lattenrost. Toll. Ich träume von dem runden, neuen mit eingebauter Musikanlage und Fernseher in Pink. Gerade grübelte ich, ob Dreads nicht zu krass für mein neues Luxusleben wären, da platzte Thom rein. Mama hatte ihn leider auch zu Hause bleiben lassen.
„Sonst kränkt er sich“, erklärte sie gestern.
Er nahm Anlauf und sprang auf meinen Bauch, hielt mir seinen nassgelutschten Schlafhasen ins Gesicht und sang nicht „Nintendo“, sondern: „Komm und rette mich, ich verbrenne innerlich, komm und rette mich, ich schaffs nich ohne dich, komm und rette mich, rette mich, rette mich.“
Ich stopfte ihm ein Hasenohr in den Mund, obwohl er den Song ganz gut drauf hatte.
„Nie wieder borg ich dir Tokio Hotel, du Stummel!“
Der Tag dauerte eine Ewigkeit bis zum Abend. Mama rief Papa halbstündlich an – nie ging er ran. Leider konnte das Lied „ich schaffs nich ohne dich“ Thoms anderen Ohrwurm nicht dauerhaft tilgen. Vom Klo, in dem er stundenlang Micky-Maus lesend vor sich hin stank, ertönte sein Ruf nach dem Nintendo.
Ich pinkelte derweil in die Badewanne und entschloss mich, die Dreadlocks trotz Luxus zu einem Teil meiner Persönlichkeit zu machen.
Endlich hörten wir Papa die Tür vom Peugeot zuschlagen und rasten ihm entgegen.
Er schüttelte uns ab und warf sich aufs Sofa.
„So“, sagte er.
Mama, Thom und ich platzten bald, aber er schwieg. Stopfte bedächtig seine Pfeife. Hallo?
Ich hielt es nicht mehr aus. „Papa?“
Thom klatschte. „Nintendo?“
Mutig trat Mama näher an ihn heran. „Liebling, was meinst du mit so?“
„Tja, Kinder“, sagte Papa. Seine Pfeife gab ein saugendes Geräusch von sich. „Kurzum“, fuhr er fort, „es gibt noch neun, die den Fünfer mit Zusatzzahl getippt haben. Unser Anteil ist demnach fünfzehntausend.“
Okay, keine Dreads.
Thoms Blick wanderte zu Mama. Sie atmete tief durch.
„Aber das macht doch nichts. So haben eben viele etwas gewonnen. Was würden wir auch mit hundertfünfzigtausend anfangen? Das gibt bloß Sorgen, Werner.“ Sie schaute uns Kinder an. „Stimmt doch!“
Papa sog an der Pfeife und blies einen Rauchring, der sich zu einem Achter verformte und dann verschwand.
„Leider kann ich euch jetzt keinen Stern kaufen“, sagte er und stand auf, „aber ich habe was anderes für euch.“ Er holte den Autoschlüssel aus der Hosentasche und wirbelte ihn um den Finger. „Kommt mit.“
Wir folgten ihm zum Autostellplatz. Papa sperrte den Kofferraum auf, ließ die Tür hochschnalzen. Alles voller Pakete!
Er lud sie auf seine Arme, sagte: „Platz da!“
Eilig beförderte ich mit dem Fuß Thoms Raumstation aus Lego vom Terassenboden; sie zerfiel in hundert Steinchen. Nicht auszudenken, wenn Papa stürzte und etwas von den Sachen kaputt ginge.
Er legte alles aufs Sofa. Mama schlug die Hand vor den Mund, Wasser schoss in ihre Augen. Wahrscheinlich weinte sie, weil der Peugeot weiter spotzen würde.
„So!“, sagte Papa wieder, aber es klang fröhlich. Er nahm die erste Schachtel in die Hände, legte sie ans Ohr. „Aha, das gehört meiner Tochter.“
Ich riss sie ihm aus der Hand und verzog mich in eine Ecke.
„Warte, kommt noch was nach. Aber erstmal das nächste.“ Über das Sofa gebeugt, horchte Papa mal an diesem Karton, an jenem Päckchen, warf Blicke in Tragtaschen. Ach, Papa!
Plötzlich fuhr er herum und hielt Thom, der dreinschaute, als machte er sich gleich in die Hosen, eine Geschenktasche mit dem aufgedruckten Grüngesicht von Shreck hin. Thom lugte hinein.
„Nintendo!“, quietschte er und sprang Papa in die Arme.
Dann schmiss er ein paar der Geschenke vom Sofa und klemmte sich daneben zum Auspacken seines Schatzes. Papa reichte mir noch zwei Sachen, eins davon hatte die Länge von Stiefeln! Was Mama bekam, interessierte mich im Moment nicht, ich öffnete meins. Es waren die Silberstiefel, oh ja! Und ein Gutschein fürs Dreadlock-Studio. Und der Ledermantel!
„Oh, Papa“, schrie ich, meine Stimme kippte vor Freude ganz nach oben.
Nachdem wir uns alle beruhigt hatten, saßen wir um den Tisch. Bis auf Thom, der Mamas Bitten, doch zum Abendessen zu kommen, widerstand und auf seinem piepsenden Spiel herumtippte. Von Mamas Ohren baumelten glitzernde Hänger mit blutroten Steinchen.
„Dass du dran gedacht hast, Werner.“ Sie streifte den Hackbraten mit ihrem Bauch, als sie sich über den Tisch beugte, um ihn zu küssen. Dann teilte sie das Essen aus.
„Bin ja nicht ganz blöd“, sagte Papa. Er lachte.
„Und was hast du für dich gekauft?“ Ich konnte nirgends etwas entdecken, was für ihn interessant wäre.
„Ich habe die Sternwarte für heute Nacht reserviert. Ich wünsche mir schon lange, dass ihr endlich seht, was ich tu.“
Es war nicht einfach, Thom vom Nintendo loszueisen, aber dann saßen wir zusammen auf dem Turm. Rundum nichts als Sterne. Das breite Band der Milchstraße, wie Papa erklärte. Er nannte die Sternbilder und beschrieb sie. „Und dort ist Ursa Minor, der kleine Bär und sein Hauptstern, Polaris.“
Ich legte mich auf den Boden und starrte in den funkelnden Himmel. Mama legte den Kopf in Papas Halsgrube und sogar Thom hielt die Klappe. Lange Zeit schwiegen wir. Ich hatte das Gefühl, Teil von dem da oben zu werden.
„Weißt du, wie viel Sternlein stehhehen ...“, sang Thom auf einmal ganz leise. Und wir stimmten ein.
eine schöne Geschichte ist das, tolle Idee und toll erzählt. Die Überschrift finde ich auch klasse.
Ein paar kleine Anregungen habe ich Dir fett markiert.
Liebe Grüße
leonie
Nur ein kleiner Bär
Papas Glubschaugen quollen noch weiter hervor; bald würden sie die Brille sprengen.
Er stammelte: „Ich ... ich hab im Lotto ...“
Dann verstummte er und schwankte ein bisschen. Wir saßen in der Küche, mein kleiner Bruder Thom riss die Augen auf wie Papa. Unsere Mama, die Eier briet, wie jeden Feiertag, an dem wir erst brunchten, und dann einen Ausflug machten, drehte sich um. (Unsere Mama briet gerade Eier, wie an....Jetzt drehte sie sich um. Auf jeden Fall zwei Sätze daraus machen...)
„Wieviel ist es denn diesmal? 10 Euro?“
Wir alle wussten, wie sehr Papa auf den Haupttreffer wartete. Alle paar Wochen – er spielte nur, wenn es einen Jackpot zu knacken galt – hing er zur Ziehung vor dem Fernseher. Gestern hatte er eine Sitzung in der Uni und konnte erst heute im Internet das Ergebnis studieren.
„An Peanuts bin ich nicht interessiert“, sagte er, wenn wir ihn aufzogen. Als wenn (als ob) eine Million nichts wäre!
(Und) nun stand er da und stotterte, nachdem er zuvor die Lottoseite gecheckt hatte. Der Schein in seinen Händen bebte.
„Nicht im Ernst! Du machst doch Spaß, Werner?“, sagte Mama.
Es roch verbrannt. Ich stürzte mich auf die Pfanne und schob sie von der Platte.
„Keine blöden Eier heut“, sang Thom vergnügt und schmierte Nutella auf den Toast und sein Shirt.
„Doch, ich meine, nein, kein Scherz.“ Papa hielt den Schein über seinen Kopf und sein Gesicht breitete sich zu einem Grinsen aus (auf seinem gesicht breitete sich ein Grinsen aus). Er machte einen Luftsprung. Als er auf dem Holzboden landete, schepperten die Gläser (welche Gläser?, auf dem Tisch?).
Ein schriller Juchzer teilte die Luft, er kam von Mama, gefolgt von einem Knall, als die Bratschaufel in der Spüle landete. Und ich? Als Vierzehnjährige ist man gesegnet von (mit) Wünschen.
„Wieviel?“ Meine Stimme klang wie Staub, ich hustete. „Wieviel, Papa?“
Er sah mich an. „Genug, Baby, um euch die Sterne vom Großen Bären zu kaufen.“ Als Astronom liebte er solche Aussprüche.
Er hatte tatsächlich einen Fünfer mit Zusatzzahl, (kein Scheiß)! Knapp hundertfünfzigtausend Euro (war der) wert.
„Wenn einer von euch nur einen Muckser darüber verlauten lässt, reiß ich ihm das Herz raus“, sagte er.
Wir hielten Familienrat ab.
„Ich will den neuen Nintendo!“ Thom unterstrich die Forderung mit einem Hopser. Er machte Papa alles nach.
Ich ratterte herunter: „Laptop, Silberstiefel von DKNY, den Ledermantel von H&M, ’nen Vollbodenflokati, ein rundes Bett in Rosa und endlich Dreadlocks um zweihundert Euro, Nagelstudio ...“
„Stopp“, brüllte Papa und verstaute die Quittung in seiner Brieftasche, „ich wollte jedem von euch einen Stern kaufen.“
„Ich will einen Nintendo“, heulte Thom und rotzte ins Nutellaglas; Mama nahm es ihm schnell weg. Gott sei Dank esse ich das Zeugs nicht.
„Einen Stern?“ Mamas Augenlider flatterten.
„Warum?“ Vor Entsetzen riss ich mir ein Büschel Haare heraus.
„Weil das haltbar ist“, sagte Papa bestimmt. (Weil Sterne haltbar sind)
„Komm“, Mama bewegte sich langsam auf ihn zu und nahm ihn an der Hand, „lass uns in aller Ruhe überlegen.“ Sie führte ihn zu seinem Stuhl und drückte ihn sanft darauf nieder.
„Behandle mich nicht wie einen Schwachsinnigen, Rita.“
Sie lächelte auf ihn herab; ich sah ihr an, dass sie in ihrem Hirn nach Argumenten grub, um zu beweisen, dass er sich tatsächlich wie ein Irrer aufführte.
Sterne! (Aber) ich wusste schon lange, dass Astrophysiker einen Knall haben. Papa und seine Kollegen verbrachten ihre Nächte auf der Sternwarte; oft kam er, wenn wir morgens zur Schule marschierten, bleichgesichtig mit roten Augen, von den Mücken zerstochen im Sommer und mit roter Triefnase im Winter heim. ( Zwei Sätze?: Oft kam er erst heim, wenn wir morgens zur Schule marschierten: bleichgesichtig....)Dann erzählte er von irgendwelchen Kometenschweifen.
„Nintendo?“, begann Thom leise, um sich dann wieder aufzuraffen, auf den Tisch zu hauen und ein Lied aus diesem einen Wort zu schmettern.
„Klappe!“, zischte ich und hielt seine Hände fest. Thom war erst fünf, aber bärenstark und er trat mich(mir) gegen das Knie, dass ich zusammenknickte.
Mama lächelte Papa weiterhin an, er runzelte die Stirn. „Was ist los? Hab ich eine Entstellung im Gesicht?“(Ist mein Gesicht entstellt?)
„Aber geh, ich denke bloß“, sie schob einen Stuhl an seine Seite, setzte sich und tätschelte seine Hand, „so ein Betrag könnte allerhand hergeben. Vielleicht kaufst du einen kleinen Stern für die ganze Familie und mit dem Rest kö...“
„Rita“, er sprang auf und spurte durch die Küche, „seit ich ein kleiner Junge war, wollte ich einen haben. Dass du mich nie verstehst.“
„Kinder, raus.“ Mama streckte den Arm in Richtung Garten.
Ich zerrte Thom mit mir.
Nintendo grölend baumelte er kopfüber von seinem Klettergerüst.
„Dein Gehirn rinnt raus, wenn du so weiter machst“, rief ich ihm vom Holzstoß zu, auf den ich mich zurückgezogen hatte, um meine Wunschliste zu erweitern.
Eine halbe Stunde später trat Papa auf die Terrasse. Er stopfte seine Pfeife und setzte sich in die Hollywoodschaukel. Thoms Gesicht war knallrot. Er machte einen Salto vom Gerüst und kam angerannt.
„Papa, was nun?“
Papa zuckte die Achseln. „Mal sehen.“
Bald kam Mama dazu, mit Autoschlüssel und Straßenkarte in der Hand, der Picknickdecke über dem Arm. „Los geht’s, sonst brauchen wir nicht mehr fahren.“
Papa klopfte die Pfeife auf der Stufe aus und Thom blies die Glut durch die Gegend.
Der Peugeot spotzte ein paar Mal, ehe er ansprang.
„Tja, ein Auto ...“ Mama seufzte ein bisschen, als sie auf die Straße bog.
Mein Bruder machte den Mund auf, schnell steckte ich ihm die Ohrstöpsel meines MP3-Players in die Ohren, auch er mochte Tokio Hotel und vergaß, wieder und wieder seinen Herzenswunsch zu plärren.
„Das ist aber lieb von dir, Maus“, sagte Mama nach einem Blick in den Rückspiegel und zwinkerte mir zu. Nach unserem Ausflug würde ich die Stöpsel in Lysoformlösung baden.
Die Burg, die heute auf dem Programm stand, war schnell erreicht. Im Geist richtete ich gerade mein Zimmer ein. Voll genial. Die Ausstellung „Bäuerliches Kunsthandwerk“ ließ mir jedoch genügend Zeit, weiterzumachen, wen außer Mama interessiert so was schon, und Thom spielte Luftgitarre; ich könnte ihm den Player eigentlich schenken, ich werde (würde) sowieso bald ein megamäßiges Handy mit Player kriegen. Bei hundertfünfzigtausend war das bestimmt auch noch drin.
Papa wirkte abwesend, wahrscheinlich überlegte er, ob er gleich den Polarstern kaufen sollte. Als hätte er meine Gedanken gelesen, nahm er meine Hand, während Mama sich nicht halten konnte vor Begeisterung über ein Kruzifix, und sagte: „Ich weiß natürlich, dass einen Stern kaufen nur heißt, dass ich eine Art Spende für die Forschung mache. Aber trotzdem gehört er dann uns, quasi.“
„Meinst du, es bleibt was übrig für Stiefel von DKNY?“
„Du solltest Thom die Musik wegnehmen, schau, wie er zuckt. In seinem Alter ist das sicher nicht gesund.“
Danke, Papa für die ausführliche Antwort auf meine Frage! Ich starrte auf eine Bauernhochzeit in Öl.
Freitag war ein göttlicher, schulautonomer Tag; ich blieb lange im Bett. Einem Jugendbett aus hellem Holz mit Lattenrost. Toll. Ich träume von dem runden, neuen mit eingebauter Musikanlage und Fernseher in Pink. Gerade grübelte ich, ob Dreads nicht zu krass für mein neues Luxusleben wären, da platzte Thom rein. Mama hatte ihn leider auch zu Hause bleiben lassen.
„Sonst kränkt er sich“, erklärte sie gestern.
Er nahm Anlauf und sprang auf meinen Bauch, hielt mir seinen nassgelutschten Schlafhasen ins Gesicht und sang nicht „Nintendo“, sondern: „Komm und rette mich, ich verbrenne innerlich, komm und rette mich, ich schaffs nich ohne dich, komm und rette mich, rette mich, rette mich.“
Ich stopfte ihm ein Hasenohr in den Mund, obwohl er den Song ganz gut drauf hatte.
„Nie wieder borg ich dir Tokio Hotel, du Stummel!“
Der Tag dauerte eine Ewigkeit bis zum Abend. Mama rief Papa halbstündlich an – nie ging er ran. Leider konnte das Lied „ich schaffs nich ohne dich“ Thoms anderen Ohrwurm nicht dauerhaft tilgen. Vom Klo, in dem er stundenlang Micky-Maus lesend vor sich hin stank, ertönte sein Ruf nach dem Nintendo.
Ich pinkelte derweil in die Badewanne und entschloss mich, die Dreadlocks trotz Luxus zu einem Teil meiner Persönlichkeit zu machen.
Endlich hörten wir Papa die Tür vom Peugeot zuschlagen und rasten ihm entgegen.
Er schüttelte uns ab und warf sich aufs Sofa.
„So“, sagte er.
Mama, Thom und ich platzten bald, aber er schwieg. Stopfte bedächtig seine Pfeife. Hallo?
Ich hielt es nicht mehr aus. „Papa?“
Thom klatschte. „Nintendo?“
Mutig trat Mama näher an ihn heran. „Liebling, was meinst du mit so?“
„Tja, Kinder“, sagte Papa. Seine Pfeife gab ein saugendes Geräusch von sich. „Kurzum“, fuhr er fort, „es gibt noch neun, die den Fünfer mit Zusatzzahl getippt haben. Unser Anteil ist demnach fünfzehntausend.“
Okay, keine Dreads.
Thoms Blick wanderte zu Mama. Sie atmete tief durch.
„Aber das macht doch nichts. So haben eben viele etwas gewonnen. Was würden wir auch mit hundertfünfzigtausend anfangen? Das gibt bloß Sorgen, Werner.“ Sie schaute uns Kinder an. „Stimmt doch!“
Papa sog an der Pfeife und blies einen Rauchring, der sich zu einem Achter verformte und dann verschwand.
„Leider kann ich euch jetzt keinen Stern kaufen“, sagte er und stand auf, „aber ich habe was anderes für euch.“ Er holte den Autoschlüssel aus der Hosentasche und wirbelte ihn um den Finger. „Kommt mit.“
Wir folgten ihm zum Autostellplatz. Papa sperrte den Kofferraum auf, ließ die Tür hochschnalzen. Alles voller Pakete!
Er lud sie auf seine Arme, sagte: „Platz da!“
Eilig beförderte ich mit dem Fuß Thoms Raumstation aus Lego vom Terassenboden; sie zerfiel in hundert Steinchen. Nicht auszudenken, wenn Papa stürzte und etwas von den Sachen kaputt ginge.
Er legte alles aufs Sofa. Mama schlug die Hand vor den Mund, Wasser schoss in ihre Augen. Wahrscheinlich weinte sie, weil der Peugeot weiter spotzen würde.
„So!“, sagte Papa wieder, aber es klang fröhlich. Er nahm die erste Schachtel in die Hände, legte sie ans Ohr. „Aha, das gehört meiner Tochter.“
Ich riss sie ihm aus der Hand und verzog mich in eine Ecke.
„Warte, kommt noch was nach. Aber erstmal das nächste.“ Über das Sofa gebeugt, horchte Papa mal an diesem Karton, an jenem Päckchen, warf Blicke in Tragtaschen. Ach, Papa!
Plötzlich fuhr er herum und hielt Thom, der dreinschaute, als machte er sich gleich in die Hosen, eine Geschenktasche mit dem aufgedruckten Grüngesicht von Shreck hin. Thom lugte hinein.
„Nintendo!“, quietschte er und sprang Papa in die Arme.
Dann schmiss er ein paar der Geschenke vom Sofa und klemmte sich daneben zum Auspacken seines Schatzes. Papa reichte mir noch zwei Sachen, eins davon hatte die Länge von Stiefeln! Was Mama bekam, interessierte mich im Moment nicht, ich öffnete meins. Es waren die Silberstiefel, oh ja! Und ein Gutschein fürs Dreadlock-Studio. Und der Ledermantel!
„Oh, Papa“, schrie ich, meine Stimme kippte vor Freude ganz nach oben.
Nachdem wir uns alle beruhigt hatten, saßen wir um den Tisch. Bis auf Thom, der Mamas Bitten, doch zum Abendessen zu kommen, widerstand und auf seinem piepsenden Spiel herumtippte. Von Mamas Ohren baumelten glitzernde Hänger mit blutroten Steinchen.
„Dass du dran gedacht hast, Werner.“ Sie streifte den Hackbraten mit ihrem Bauch, als sie sich über den Tisch beugte, um ihn zu küssen. Dann teilte sie das Essen aus.
„Bin ja nicht ganz blöd“, sagte Papa. Er lachte.
„Und was hast du für dich gekauft?“ Ich konnte nirgends etwas entdecken, was für ihn interessant wäre.
„Ich habe die Sternwarte für heute Nacht reserviert. Ich wünsche mir schon lange, dass ihr endlich seht, was ich tu.“
Es war nicht einfach, Thom vom Nintendo loszueisen, aber dann saßen wir zusammen auf dem Turm. Rundum nichts als Sterne. Das breite Band der Milchstraße, wie Papa erklärte. Er nannte die Sternbilder und beschrieb sie. „Und dort ist Ursa Minor, der kleine Bär und sein Hauptstern, Polaris.“
Ich legte mich auf den Boden und starrte in den funkelnden Himmel. Mama legte den Kopf in Papas Halsgrube und sogar Thom hielt die Klappe. Lange Zeit schwiegen wir. Ich hatte das Gefühl, Teil von dem da oben zu werden.
„Weißt du, wie viel Sternlein stehhehen ...“, sang Thom auf einmal ganz leise. Und wir stimmten ein.
Liebe Elsa,
... die Bären sind los
so könnte man meinen, jedenfalls im Blauen Salon.
Eine hübsche Geschichte, (für Kinder) wieder voller Wärme erzählt.
Könnte ich mir gut für Kinder illustriert vorstellen, erstes Lesealter bzw. auch als Vorlesebuch.
(Aber vielleicht weißt du das längst selbst).
Ist es gewollt, dass der Herr Astrophysiker nicht stringent als zerstreueter Professor gezeichnet ist?
Dieser Shopping Anfall passt ja nicht zu ihm, aber für Kinder wäre es rund - denk ich. (Der gute Vater,
das ist ausdrücklich nicht herablassend gemeint)
Dass Thom mit 5 Mickey Mouse "liest" okay,
scheint immer noch so zu sein wie vor 20 Jahren...
Tut auch mal gut, so etwas erheiternd Leichtes zu "verköstigen".
Liebe Grüße
Gerda
... die Bären sind los
.gif)
Eine hübsche Geschichte, (für Kinder) wieder voller Wärme erzählt.
Könnte ich mir gut für Kinder illustriert vorstellen, erstes Lesealter bzw. auch als Vorlesebuch.
(Aber vielleicht weißt du das längst selbst).
Ist es gewollt, dass der Herr Astrophysiker nicht stringent als zerstreueter Professor gezeichnet ist?
Dieser Shopping Anfall passt ja nicht zu ihm, aber für Kinder wäre es rund - denk ich. (Der gute Vater,
das ist ausdrücklich nicht herablassend gemeint)
Dass Thom mit 5 Mickey Mouse "liest" okay,
.gif)

Tut auch mal gut, so etwas erheiternd Leichtes zu "verköstigen".
Liebe Grüße
Gerda
Liebe Leonie,
Danke schön! Mit den Korrekturen werde ich mich gleich auseinandersetzen - auf den 1. Blick haben sie Hand und Fuß.
Liebe Gerda,
Genau, die Bären sind los. Sicher wäre es eine nette Sache, wenn es einen Verleger gäbe.
Danke dir. Warum sollte es zu Ostern nicht was "Leichtes" geben, nicht wahr?
Lieben Gruß
ELsa
Danke schön! Mit den Korrekturen werde ich mich gleich auseinandersetzen - auf den 1. Blick haben sie Hand und Fuß.
Liebe Gerda,
Genau, die Bären sind los. Sicher wäre es eine nette Sache, wenn es einen Verleger gäbe.
Ich habe mir gedacht, wenn er tatsächlich 15.000.- gewinnt, würde er das bestimmt für die Kinder machen. Er ist auch nicht wirklich zerstreut gezeichnet.zerstreueter Professor gezeichnet ist? Dieser Shopping Anfall passt ja nicht zu ihm, aber für Kinder wäre es rund - denk ich. (Der gute Vater, das ist ausdrücklich nicht herablassend gemeint)
Ich schwöre, es ist so!Dass Thom mit 5 Mickey Mouse "liest" okay, scheint immer noch so zu sein wie vor 20 Jahren...
Danke dir. Warum sollte es zu Ostern nicht was "Leichtes" geben, nicht wahr?
Lieben Gruß
ELsa
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