Wo es keine Nachtschwärze gibt

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 24.10.2006, 00:30

Wir,
die Romantiker
der Häuserschluchten,
Nomaden
im weiten Land
der Mietskasernen,
verlieren uns in Impressionen -
Die Melancholie der Hinterhöfe,
wo weiße Wäsche wie Wellen
gegen bröckelnde Wände brandet,
die Eleganz des Neonlichts
beim Picknick im U-Bahnschacht.

Wir sind viele,
darum sind wir vielerlei -
Man sagt,
unsere Augen flackern,
kommen nie zur Ruhe.
Warum sollten sie?
Wie sollten sie
übersehen,
was es zu erhaschen gilt
im El Dorado
der kurzlebigen Möglichkeiten.
Zuletzt geändert von Jürgen am 24.10.2006, 21:33, insgesamt 1-mal geändert.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 24.10.2006, 14:53

Lieber Gurke,

das ist schön. Entwurzelte Großstadtmenschen. Wie wäre es, wenn Du den letzten Punkt durch ein Fragezeichen ersetzen würdest?

Grüße

Paul Ost

Klara
Beiträge: 4508
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 24.10.2006, 15:33

Hallo,
für mich schreit das nach einem Song (reimen oder rhythmisieren?) - und flüstert nach ein bisschen Verfeinerung bzw. Streichung überflüssger Adjektive, z.B.

"ziehende Nomaden" - ziehend braucht es nicht, Nomaden ziehen immer
"leise Melancholie" - gibt es auch eine laute?
"weiße Wäsche" - Wäsche reicht auch, und dann ist die Alliteration nicht ganz so penetrant... (Wo Weiße Wäsche Wie Wellen)
"kühle Eleganz" - abgenutzte Kopplung, dabei denkt man an Hollywood-Ladies oder Gräfinnen, ich finde das ZurNaturmachen der Stadt, auch wenn es als Idee nicht neu ist, besser: wie sie zum Meer wird? Könnte man audiomäßig unterstreichen, das Meerige...

Als Song? (jetzt auf die Schnelle natürlich nur Skizzen!)

Refr.: Wir sind nur die Romantiker
wir sind nicht die Gesuchten
Wir sind nur die Nomaden
im Land der Häuserschluchten
Verlieren uns in Impressionen, Depressionen, Katarakten
Mietskasernen, Hinterhöfen - wir halten uns an die Fakten!

Wo die Wäsche wie ne Brandung
gegen graue Wände flattert
kicken wir Dosen statt Stöcke
über Steine, wo sie rattert:

unsre Hochbahn, beste Freundin
Zuverlässig, laut und keck
hält sie uns die Stange, immer
ist sie gerade, gerade weg

Refr.

So wie wir, denn wir sind immer
auf dem Sprung in kalten Nächten
Unsre Sonne scheint in Neon
in muffigen Ubahnschächten

Unsre Augen flackern mit
halten nicht den Takt
Wir sind immer auf der Suche
nach dem nächsten Akt

Ja, wir sind nur die Romantiker
wir sind nur die Nomaden
Unser Land sind Häuserschluchten
unsre Wüste ohne Gnaden
Verliern uns in Impressionen, Depressionen, Katarakten
Mietskasernen, Hinterhöfe - wir halten uns an die Fakten!


Oder so °knirsch°
:-)
Grüße von
Klara

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leonie
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Beitragvon leonie » 24.10.2006, 18:30

Lieber Jürgen,
bei mir kommt eine Stimmung an, die allein durch die Fragen ein wenig gestört wird, weil diese sich auf einer anderen Sprachebene bewegt. Ein wie ich finde sehr gelungenes, gut eingefangenes Bild der Großstadt und der Menschen, die dort wohnen.
Liebe Grüße
leonie

rya

Beitragvon rya » 24.10.2006, 20:04

Hallo Gurke.

DAS gefällt mir.
Ich würde sogar von deinem bisher besten Text sprechen.Beschreibst du hier Bochum,oder Gross(s?)tädte allgemein?
Den Romantiker/Nomadenvergleich finde ich besonders gelungen.bzw die Zusammenführung beider... :daumen:
find ich klasse.
Frank
(ich kühl dann mal weiter)

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 24.10.2006, 21:49

Hallo zusammen

Erstmal Danke für die Beschäftigung mit dem Text und Eure Kommentare :-)

@ Paul
Ich hoffe, ich habe Großstadtmenschen nicht zu negativ dargestellt. Ironischerweise hatte ich erst ein Fragezeichen da stehn, hätte den Satz lieber als bestimmte Aussage und nicht als Frage. Könnte ein Ausrufezeichen helfen? Danke Dir.

@ rya
In Bochum wohne ich, wird daher sicher auch beschrieben, aber nicht explizit diese Stadt. Der Text ist so allgemein gehalten, dass jede Großstadt passt. Merci beaucoup für das Lob und alles Gute.

@ Klara
Übrigens...Herzlich willkommen.
Ich muß wirklich lernen, diese Schnörkelwörter wegzulassen. "Kühl" und "leise" habe ich gestrichen. Du hast schlicht und ergreifend Recht. "Weiß" habe ich gelassen. Der Klang der Alliteration gefällt mir.
Danke für Deinen Song und für die Anregungen.

@ leonie
Sorry, die Fragen sollten doch bleiben, der kühle, nüchterne Teil setzt sich durch die Stropheneinteilung ab (er ist halt in der zweiten Strophe). Danke für Deinen Kommentar.

Schönen Abend

Jürgen

Die ursprüngliche Version;


Wir, die Romantiker
der Häuserschluchten,
ziehende Nomaden
im weiten Land
der Mietskasernen,
verlieren uns in Impressionen -
Die leise Melancholie der Hinterhöfe,
wo weiße Wäsche wie Wellen
gegen bröckelnde Wände brandet,
die kühle Eleganz des Neonlichts
beim Picknick im U-Bahnschacht.

Wir sind viele,
darum sind wir vielerlei.
Man sagt,
unsere Augen flackern,
kommen nie zur Ruhe.
Warum sollten sie?
Wie sollten sie
übersehen,
was es zu erhaschen gilt
im El Dorado
der kurzlebigen Möglichkeiten.


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