Gedicht für einen Tag

Herby

Beitragvon Herby » 16.07.2006, 12:04

Flüchtig*

Worte

entstanden
in den Tiefen der Frühe,
warfen Schatten
für wenige Stunden,
verblassten
mit dem Lauf der Sonne,
versanken
im Abgrund des Dunkels.



Angeregt durch moshes Idee vom "Letzten Gedicht" hatte ich dieses Gedicht als Spontantext in den Umzugsfaden gesetzt. Inzwischen habe ich ihn überarbeitet und bin dankbar für kritische Rückmeldungen.

*geändert auf Anregung von Trixie, Cornelia und Cara, denen ich herzlich danke!
Zuletzt geändert von Herby am 21.07.2006, 19:29, insgesamt 2-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 22.07.2006, 22:33

Hallo aram,

ja, die "Tiefen der Frühe" waren von Anfang an da :eusa_angel: Gemeint ist, um damit deine dritte Frage als erste zu beantworten, dass die flüchtigen Worte am sehr frühen Morgen entstanden, also aus den Tiefen der Frühe zum Tag "aufstiegen", um dann mit der Nacht wieder in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Mit den ersten beiden Punkten deiner Antwort habe ich Probleme, besonders mit deinen Anmerkungen zum Rhythmus. Du schreibst:

die erste zeile wird zu lang, der übergang zu z2 gelingt nicht mehr

Der erste Vers besteht doch nur aus einem Wort. Und wieso gelingt der Übergang zu V2 nicht? Da brauche ich deine Erklärungshilfe.
Und wodurch wird für dich der Eindruck der Steifheit hervorgerufen??

Vielleicht kannst du meiner Verständnisblockade abhelfen. Auf jeden Fall danke ich dir sehr für deinen Kommentar!

Liebe Grüße
Herby

rya

Beitragvon rya » 23.07.2006, 01:03

Hallo Herby,

das Schreiben ist das eine.....

doch manchmal...
mus --Mann-- auch etwas tun.

Der Gruss,Rya

aram
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Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 24.07.2006, 23:15

hallo herby,
danke für deine antwort!

- ich muss mich erst mal in aller form entschuldigen - dein gedicht hat scheinbar eine art 'inneres bild' bei mir ausgelöst, und ich scheine das durcheinandergebracht zu haben mit dem, was du tatsächlich geschrieben hast. mein bild sah ungefähr so aus:


Worte

entstanden
in der Frühe
werfen Schatten
für wenige Stunden
verblassen
mit dem Lauf der Sonne
versinken
im Abgrund des Dunkels-

flüchtig.


eine art von 'unbewusster lesart' bzw. mein 'verständnis' des textes - mir war schon klar dass es teilweise anders da steht, nur bei "Tiefen der Frühe" dachte ich wirklich, du hättest es erst zuletzt geändert - entschuldige, dass ich so unaufmerksam war.

-zu deiner frage, warum mir die 'tiefen' nicht so gefallen:

1. rhythmus - als du alles ins imperfekt gesetzt hast, fand ich das erst gut, aber im nachhinein kriegte ich probleme - ich tendiere nun dazu, "entstanden" als partizip zu lesen, muss mich bewusst disziplinieren, es nicht zu tun - vielleicht, als ob das "entstehen der worte" eine art mysterium wäre, das erst im nachhinein benennbar ist, wenn die worte schon "da" sind? jedenfalls möchte ich es rein vom gefühl her als partizip lesen, und dieser 'drang' ist recht stark.

dadurch möchte ich dann vom rhthmus her zum verb hin streben - ein bogen von worte bis unmittelbar vor das verb warfen schatten in einem atemzug. als mir plötzlich auffiel, dass hier ja in den tiefen der frühe steht, merkte ich erst, dass ich es gar nicht so rhythmisieren kann. ich muss dann nach entstanden eine zusätzliche kleine pause machen: den bogen entstanden in den tiefen der frühe könnte ich nur dann in einem zug lesen, wenn danach der satz zu ende wäre (was er nicht ist, wenn ich entstanden als partizip lese) - zusammen mit der zweiten pause nach frühe rückt dadurch plötzlich ziemlich weit auseinander, was ich vorher 'innerlich' dichter verwoben empfunden hatte.

vielleicht fühlt es sich auch deshalb so für mich an, weil das "entstehen der worte" in meinem bild ein magischer, unbeobachteter moment ist, ein geschehen fast ohne 'ausdehnung' - und so möchte ich dann auch die beschreibung lesen, als abbildung davon.

2. formalbezug - hm, das kann ich schwer anders zu erklären als ich es schon versucht habe... für mich ist der beschriebene entstehungs- und vernichtungs-bogen eine art 'flugbahn', eine dynamische kurve in der zeit - und wenn ich da so parallele strukturen am anfang und am ende lese wie "entstanden in der tiefe der frühe" - "versanken im abgrund des dunkels", wirkt das auf mich dagegen leidenschaftslos, statisch, 'parallel' statt 'parabolisch'.

3. inhalt - du hast ja schon erklärt worin der sinn der "tiefen" liegt, auf die frühe bezogen. ich kann das wahrscheinlich nicht nachvollziehen, weil die "frühe frühe" für mich eher etwas sehr zart ansetzendes und allmählich tiefer werdendes ist - wie das erste hell werden am horizont. das ist für mich im begriff 'frühe' schon enthalten, die 'tiefe' fügt dem nichts mehr hinzu, konterkariert es eher - wenn die (morgen)frühe beginnt, ist ja die nacht tief. (vielleicht steht dieser perspektivunterschied auch damit in zusammenhang, ob man nachts zu schlafen pflegt oder nicht :_)

nochmal sorry, diese kritik ist eine art 'masturbation', weil sie sich auf mein 'wunschdenken' bezieht, das mir leider mit der realität durcheinandergeraten war - ich hoffe aber, dass ich deine verständlichen fragen ob meiner unverständlichen erstkritik damit klären konnte.

liebe grüße,
aram

Herby

Beitragvon Herby » 30.07.2006, 11:51

Hallo aram,

mit großer Verspätung komme ich erst jetzt dazu, dir auf deinen ausführlichen Kommentar zu antworten, für den ich dir recht herzlich danke.

Es hätte deiner Entschuldigung nicht bedurft, ich kenne dieses Phänomen des „inneren Bildes“, wie du es nennst, selbst sehr gut und auch ich habe schon bei Texten hier im Forum Änderungen zu sehen geglaubt, wo keine waren.

Zu deinem ersten Punkt. Du schreibst:

ich tendiere nun dazu, "entstanden" als partizip zu lesen, muss mich bewusst disziplinieren, es nicht zu tun … jedenfalls möchte ich es rein vom gefühl her als partizip lesen, und dieser 'drang' ist recht stark.

Das kann ich einerseits aufgrund der Wortgleichheit von Präteritum und Partizip“ gut nachvollziehen, andererseits steht deiner Lesart die Interpunktion entgegen. Denn wäre „entstanden“ ein Partizip, hätte es von „Worte“ durch ein Komma abgetrennt sein müssen. Ich glaube fast, es liegt mehr ( oder zumindest auch ) an dem Zeilenumbruch nach „Worte“ als am verwendeten Tempus, d.h., vielleicht wäre es weniger missverständlich zu lesen, hätte ich den ersten und zweiten Vers zusammengezogen:

Worte entstanden
in der Frühe


Dagegen sträube ich mich aber noch, weil es mir wichtig war, die Verben zu betonen. Von daher möchte ich es gerne so belassen, wie es ist, auch auf die Gefahr hin, dass es beim Leser meiner Zeilen einer gewissen Selbstdisziplinierung bedarf, die ich aber im Umgang mit lyrischen Texten nicht grundsätzlich als negativ ansehe.

Was deinen zweiten Punkt angeht, so kommen wir hier leider nicht zusammen, lieber aram. Ich verstehe, was du meinst, kann es aber für mich und mein Verhältnis zu meinem Text nicht nachempfinden.

In deinem dritten und letzten Absatz gebe ich dir völlig Recht, wenn du schreibst:

vielleicht steht dieser perspektivunterschied auch damit in zusammenhang, ob man nachts zu schlafen pflegt oder nicht

Wie ich gelegentlich schon in anderen Kommentaren hier im Forum schrieb, bin ich häufig aus verschiedenen Gründen 'nachtaktiv' und schreibe oder arbeite manchmal bis 3, 4 Uhr in der Frühe an Texten. Das macht wohl tatsächlich diesen von dir angemerkten Perspektivunterschied aus.

Nochmals herzlichen Dank für deine Auseinandersetzung mit meinem Text und meine ebensolche Entschuldigung für die verspätete Antwort!

Einen schönen Sonntag dir und liebe Grüße!
Herby


PS: Ich begreife nicht, warum immer dann, wenn ich An- und Abführungszeichen bzw drei Punkte setze, diese kryptischen Zeichen- und Zahlenfolge erscheint :confused: :confused:

aram
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Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 30.07.2006, 12:21

hallo herby!

...ich will das ja nun nicht in die länge ziehn aber mir fällt noch was ein - dieser inhaltbezogene grund, warum ich "worte entstanden in der frühe" nicht so 'gerne' lese: das imperfekt ist so die übliche 'beschreibungszeitform' à la "er ging zur bar und nahm einen drink", ich assoziere scheinbar unbewusst was 'profan beschreibbares' damit, und möchte das 'entstehen der worte' da 'raushalten' :)))

und du hast recht, da hilft es sofort, zu setzen:

Worte entstanden
in der Frühe


bin ich häufig aus verschiedenen Gründen 'nachtaktiv'

das haben wir dann ja gemeinsam!

schönen sonntag
aram



ps. - tja, so ein aufwandfreies spontangedicht, und dann verlangt es noch nachträglich so viel zuwendung :))

pps.
Ich begreife nicht, warum immer dann, wenn ich An- und Abführungszeichen bzw drei Punkte setze, diese kryptischen Zeichen- und Zahlenfolge erscheint

- schreibst du direkt im editor oder fügst du aus word ein?

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Beitragvon Lisa » 30.07.2006, 13:17

Lieber Herby,

das istr, wenn du etwas aus word kopierst. Wenn du den Text einfach einmal in einen editor (start --- programme - zubehör -- editor) zwischenkopierst, kommen diese blöden zeichen nicht...ich hoffe, dass ich das noch ändern kann.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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