Von der Traurigkeit

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.03.2006, 19:24

Hallo,
kaum wurde in der Cafeecke über Songtexte gesprochen, ergab es sich zufällig (!), dass eine Freundin mich fragte, ob ich einen Liedtext schreiben könnte, auf den sich eine Melodie komponieren ließe.

Hier mein erster Versuch. Es gibt 2 Versionen. Sowohl am Text als auch der Fähigkeit ihn zu vertonen darf kritisiert werden :grin:

Version 1

Von der Traurigkeit

Die Traurigkeit
ist ein vollständig stiller, weiter Blick
an einem lichten, belebten Tag

Finde ein träumendes Honigkuchenpferd
ein Rudel stillender Hyänen
einen zotteligen Bären
und greif ihnen tief in die Mähnen.

Stich dir mit einer Nadel in die Kuppe
Denk dabei an einen Fingerhut
An sein raues, mattkaltes Zinn
und an dein rotes, glühendes Blut.

Blick in das changierende Rad eines Pfaus
währenddessen ein Jäger ihn schießt
steck dir sein Grün und Blau ins Haar
und sieh wie sein weißes Herz zerfließt.

Die Traurigkeit
ist ein vollständig stiller, weiter Blick
an einem lichten, belebten Tag.



Version 2

Von der Traurigkeit

Die Traurigkeit
ist ein vollständig stiller, weiter Blick
an einem lichten, belebten Tag

Finde ein träumendes Honigkuchenpferd
ein Rudel stillender Hyänen
einen zotteligen Bären
und greif ihnen tief in die Mähnen.

Die Traurigkeit
ist mit der Melancholie nicht bekannt
auch wenn Heinrich Böll sie einst so hieß.

Stich dir mit einer Nadel in die Kuppe
Denk dabei an einen Fingerhut
An sein raues, mattkaltes Zinn
und an dein rotes, glühendes Blut.

Die Traurigkeit
ist keine hoffähige Frau von Welt
wohnt nicht in den Untiefen deiner Brust

Blick in das changierende Rad eines Pfaus
währenddessen ein Jäger ihn schießt
steck dir sein Grün und Blau ins Haar
und sieh wie sein weißes Herz zerfließt.

Die Traurigkeit
ist ein vollständig stiller, weiter Blick
an einem lichten, belebten Tag.
Zuletzt geändert von Lisa am 16.03.2006, 19:04, insgesamt 1-mal geändert.

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 13.03.2006, 23:46

Hallo Lisa

Habe mit Interesse Deinen Songtext gelesen. Inhaltlich ist er spannend. Aber mit der Form habe ich Probleme.

Du fragst, ob der Text die Fähigkeit hat, sich vertonen zu lassen.

Das käme darauf an, wie er vertont werden soll.

Die Mehrzahl der Pop/Rock-Songs und Chansons arbeiten mit dem Schema Strophe/Refrain/Strophe/Refrain und dazwischen ein oder mehrere Mittelteile. Da bietet sich Version zwei an, wenn die inhaltlich gering variierenden Zeilen "Die Traurigkeit ist ein vollständig stiller, weiter Blick..." als Refrain gewählt werden. Version eins hat keinen Refrain, wenn ich das richtig sehe..

Lieder haben meist eine wiederkehrende Melodie. Ich sehe das Problem, dass der Rhythmus Deiner Zeilen uneinheitlich ist. Bitte jetzt nicht an die Vermaße von Gedichten denken (Jambus, Trochäus usw.). Nehmen wir einmal an, bei der zweiten Version sollten die Strophen zu der gleichen Melodie klingen können...

"Finde ein träumendes Honigkuchenpferd" - "Blick in das changierende Rad eines Pfaus".
... sollten auf derselben Melodie laufen können.

"Ein Rudel stillender Hyänen" - "währenddessen ein Jäger ihn schießt"
... müssten ebenfalls rhythmisch zueinander passen.

Die Rhythmik ist bei all diesen Zeilen unheitlich. Das macht es einem Sänger/einer Sängerin schwierig bis unmöglich ihn in eine Melodie zu zwingen. Stark rhythmisch strukturierte Stile wie Rap könnten den Text erst recht nicht darbringen. Klar, Silben könnten verschluckt werden, aber das kann´s ja nicht sein :razz:

Das ist natürlich alles kein Problem, wenn Deine Freundin eine Musik macht, die

a) keine wiederkehrende Melodie hat, sondern sich in ihrem Ablauf völlig dem Text anpassen kann (was sicher sehr schön wäre) .
b) Der Gesang überhaupt keine Melodie hat und der Text mit Musik im Hintergrund gesprochen wird.
c) Der Gesang Stellen kaschieren kann, indem er den Text nicht eins zu eins auf eine Melodie legen muss sondern im Vordergrund steht. Ich stelle mir gerade eine Soul-Nummer vor.
d) Oder der Text wird gegröhlt wie im Punk/Hardcore/Trash Metal, aber verzeih, so kann ich mir diesen Text einfach nicht vorstellen :smile:

Wie gesagt, was will Deine Freundin machen???

Ich schreibe Songtexte meist auf die fertige Melodie. Finde ich leichter, als eine Melodie auf einen Text zu finden.

Und ich würde "Stich dir mit einer Nadel in die Kuppe." empfehlen.

Ich hoffe, dass war nicht zu oberlehrerhaft.

Bin gespannt auf den fertigen Song

Jürgen

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 14.03.2006, 10:34

Hallo Gürkchen Jürgen :smile:

Danke für deine ausführliche Rückmeldung, das ist ja toll! Vielleicht schaffen wir es zusammen, den Text etwas musikalischer zu gestalten.
Was für eine Musik meine Freundin machen will, ist schwierig zu sagen, da sie selbst in den Anfängen steckt. Sie ist zwar schon lange Musikerin, doch hat bisher eher (so sind ihre Worte) „Jazz billig imitiert“ und sich nun mit ihrem Freund vorgenommen, mal zu versuchen, eigenes zu entwerfen. Ich denke aber sicher, dass es sich nicht um gängige Pop- oder Rockmusik handeln wird. Den beiden ist selbst so etwas wie Zwölftonmusik nicht fremd.

Besonders wichtig scheint mir dieser angesprochene Punkt von dir:

Lieder haben meist eine wiederkehrende Melodie. Ich sehe das Problem, dass der Rhythmus Deiner Zeilen uneinheitlich ist. Bitte jetzt nicht an die Vermaße von Gedichten denken (Jambus, Trochäus usw.).


Und ich war so stolz wenigstens auf eine einheitliche Metrik geachtet zu haben :smile: . Was bildet den Unterschied? Warum gleichen sich musikalisch die Zeilen nicht? Da musst du mir helfen.


Ich schreibe Songtexte meist auf die fertige Melodie. Finde ich leichter, als eine Melodie auf einen Text zu finden.


Ja, das würde ich auch, und das machen wir auch, wenn ich sie sehe (sie wohnt in einer anderen Stadt), aber sie kann mir hierhin keine fertigen Melodien schicken...

Zu oberlehrerhaft warst du bestimmt nicht, im Gegenteil, ich kann jede Kritik gebrauchen §blumen§

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 14.03.2006, 11:57

Hi Lisa

Meine Vorschläge beziehen sich jetzt nur darauf, wie ich den Song machen würde. Wie gesagt, deine Freundin könnte es völlig anders machen. Das berücksichtige bitte.

Ich setze voraus, dass der Text genau auf einer Melodie liegen sollte und desweiteren, dass diese Melodie wiederkehrt. Wenn dem also nun so ist, müssten z. B. die ersten Zeilen der verschiedenen Strophen auf der gleichen Melodie laufen, z. B.
"Finde ein träumendes Honigkuchenpferd"
und
"Blick in das changierende Rad eines Pfaus"

Ich würde es so betonen:
FINde ein TRÄUMendes HONigKUCHenPFERD
BLICK in das chanGIERende RAD eines PFAUS

wie wäre: BLICK ins chanGIERende RAD des STOLzen PFAUS.
(Nur ein spontaner Vorschlag)

Nach meiner Vorstellung müssten auch folgende Zeilen passen.
"ein Rudel stillender Hyänen"
und
"währenddessen ein Jäger ihn schießt"

Mein Betonungsvorschlag
EIN rudel STILLender HYänen (könnte man anders betonen)
WÄHrendDESsen ein JÄGer ihn SCHIEßt

Ginge vielleicht
WÄHRend ein JÄGer den VOGel schießt.

Hmm schwierig :razz:

Ich hoffe, ich habe es so betont, wie du es Dir vorgestellt hast.



Allzu großes Kopfzerbrechen sollten meine Gedanken Dir bitte nicht bereiten. Im Song kann man auch durch Verschlucken von Silben kaschieren. Je nachdem, was für Ansprüche man setzt. Du kannst es ja mal auf einer eigenen Melodie Dir selbst laut vorsingen.

Bin gespannt auf den fertigen Song.

MfG

Jürgen

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Beitragvon Lisa » 16.03.2006, 19:03

Hallo Gurke,
ich habe das dir übrigens geändert, das ist VIEL besser, da hast du recht. Meine Freundin bastelt wohl gerade an einer Melodie, daher schaue ich mal, was dabei herauskommt und auf welche Schwierigkeiten sie stößt.
Ich bin gespannt...sie kann mir, wenn es fertig ist, auch eine Datei schicken (allerdings nur eine synthetische vom PC, da sie nichts original aufnehmen kann). Ich stelle sie dann mal hier rein. Das kann aber noch ein paar Wochen dauern :grin:

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 17.03.2006, 01:36

Hallo Lisa

Du schreibst

"Das kann aber noch ein paar Wochen dauern "

Dann dauert es halt ein paar Wochen :grin:

Es ist auf jeden Fall ein interessantes Projekt. Nur von Zwölftonmusik, wenn ihr die machen wollt, habe ich herzlich wenig Ahnung. Aber wenn Ihr fragen zum Text habt, sehe ich ihn mir gerne an.

Bin gespannt und harre der weiteren Dinge

Jürgen


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