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abgesang
Verfasst: 20.08.2009, 22:49
von Lydie
frühling, sommer,
herbst und winter,
allein der
sommer stirbt
(Kein Titel)
Verfasst: 21.08.2009, 00:05
von aram
hallo lydie,
die grundlegende beobachtung gefällt mir in ihrer einfachheit und offenen, aber nicht beliebigen aussage.
die art und kürze ihrer herausstellung finde ich subtil und lakonisch.
die wiederholung von "sommer" auf engem raum raubt dem text m.e. viel an kraft, (zer)stört seine schlanke ästhetik - fände es nachsehenswert, ob sich nicht eine form finden läßt, die eine solche doppelung vermeidet (ohne die schlichtheit aufzugeben, d.h. ohne 'gekünstelt' zu wirken), wie z.b. -
abgesang
frühling, herbst und
winter, allein der
sommer
stirbt
od.
abgesang
frühling, herbst und winter,
allein der sommer stirbt.
liebe grüße, gern gelesen.
Verfasst: 21.08.2009, 12:07
von leonie
Liebe Lydie,
das regt mich zum Nachdenken an. Ich überlege, warum es für Dich der Sommer ist. Ob es für mich nicht eher der Herbst ist, der stirbt.
Dahinter liegt für mich auch wieder eine metaphorische Ebene, hier zum Beispiel die Lebensalter des Menschen. Vielleicht ist es doch der Sommer, der stirbt?
Sprachlich finde ich arams Vorschlag gut. Zum einen, weil er die Doppelung vermeidet. Zum anderen erhöht er die Spannung, weil man sich natürlich fragt, was denn mit dem (zunächst weggelassenen) Sommer ist.
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 21.08.2009, 12:41
von Lisa
Liebe leonie und natürlich Lydie,
genau dieses, dass es der Sommer ist (und nicht der Herbst), der stirbt, finde ich gerade das reizvolle/das geheimnisvolle des Textes - ich lese es so, dass eben diese Jahreszeit alleine sterben kann (im Sinne einer menschlichen Zuschreibung eines Attributes), die Hochzeit sozusagen, der eine Moment, wo sich niederschlägt, was worauf die anderen Jahreszeiten nur hinarbeiten, die Auslebzeit, die Realisierung, da, wo die Wünsche und Samen und all das endlich springen -- übertragen gelesen auf die menschliche Situation könnte man also sagen dieser Text spricht mittelbar personifiziert oder innerlich/jahreszeitenfabulös - und das mag ich sehr. Während die anderen jahreszeiten einfach nur vergehen (selbst der Herbst mit seiner Vergänglichkeit, der Winter mit seinen Kältetoden und der Frühling mit seinen versprechenden Knopsen) hat der Sommer als einziger die Möglichkeit zu sterben - und damit fängt der Text für mich einen menschlichen Zustand ein.
In Bezug auf den Begriff der Hoffnung kann man das ganze dann auch noch lesen.
Arams zweite Setzung/Umsetzung finde ich sehr vorteilhalft für den Text, für mich wird es dadurch weniger pointenhaft gesprochen und damit feiner!
liebe grüße,
Lisa
Verfasst: 21.08.2009, 22:20
von Max
Liebe Lydie,
ich stimme Arams Kommentar zu.
Warum der Sommer stirbt, mag natürlich vielfältige Gründe haben, das wichtige ist aber eben, dass es nicht der Herbst ist ...
Die zweite Setzung Arams entspricht am meisten meiner Lesart (vielleicht aber nicht Deiner Schreibweise) des Gedichts.
Liebe Grüße
Max
Verfasst: 22.08.2009, 19:28
von Lydie
Hallo Aram,
Herzlichen Dank für deinen Kommentar! Ich mag, wie du das geschrieben hast und du triffst den heilen Punkt sehr genau: das war der Stolperstein. Denn eigentlich war der zweite Teil zuerst, und ich brauchte einen Einstieg... Für den ich dann das Eingängige, Aufzählende "Frühling usw." gewählt habe. Mein Problem mit dem den Sommer zunächst einfach Weglassen ist, dass es den Reigen auflösen würde, das Zitieren des Eingängigen, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, in das hinein dann "allein der Sommer stirbt".
Herzliche Grüße,
Lydie
(Kein Titel)
Verfasst: 22.08.2009, 19:43
von Lydie
Liebe Leonie und Lisa und Max!
So schön wie du, Lisa, es schreibst und womit du ja Leonie's Kommentar aufnimmst, hätte ich es wohl selbst kaum schreiben können, und es trifft das sich im Text ausdrückende Lebensgefühl sehr genau. Sehr fein und danke! Mein Gedicht geht auch mit dem einher, was andere zur Zeit zum sterbenden Sommer so schreiben und damit, dass ich Ende August immer richtig wehmütig werde und mich gefragt habe, warum. Ich habe dann gedacht: es ist eben dieses "Umkippen". Plötzlich ist der Zenith überschritten, wie Lisa es so schön sagt, die "Auslebzeit". Im Sinnieren über diese Interpretation meiner Wehmut kam mir dann dieses Bild vom Sterben des Sommers, das ich tatsächlich als einzig für eine Jahreszeit empfinde, genau wie Lisa es dann auch auf das menschliche Leben überträgt, und das hatte ich bisher immer nur latent empfunden, aber nie so gesehen oder gedacht.
Und auch dir Leonie, dank für deinen Kommentar und für's Mitgehen!! Und dir Max!! Sprachlich habt ihr sicher alle Recht, aber wenn man den Sommer von vornherein herausnimmt, nimmt man für mich zuviel vorweg... eben die Pointe sozusagen. Hat jemand eine andere Idee? Die dennoch dem von Aram Angemerkten zur Einfachheit des Stils gerecht wird?
Liebe Grüße,
Lydie
Verfasst: 23.08.2009, 11:00
von leonie
Liebe Lydie,
das ist interessant. Mich überkommt die Wehmut eher im Oktober (Ende August ist noch dem Genuss und dem Ernten gewidmet). Insofern lese ich meine eigene erste Frage mit anderen Augen, ob es nicht der Herbst ist, der stirbt...
Vielleicht eine Frage, wann einen selbst das Thema "Abschied" im Verlauf des Jahres ereilt.
Dass man sie unterschiedlich fühlt und die Bilder, die dieses Fühlen ausmachen, das Umkippen, das alles anzuschauen, finde ich sehr spannend!
Liebe Grüße, das war sehr anregend für mich!
leonie