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Heute am See

Verfasst: 28.06.2009, 18:15
von leonie
Heute am See,
der so blau ist
wie deine Iris –
sofern der Himmel
sich darin spiegelt –

An dieser mit süßem
Wasser gefüllten Mulde
trafen sich Möwen:
sie erzählten von
Weite, Salz, Muscheln.
Und Sand, den ich versuche
mir aus den Augen
zu wischen.

Sie landeten,
ließen sich wiegen
von dem, was man Dünung
nicht nennen kann,
rieben mir rau
ihr Geschwätz auf die Haut
und heiserten Träume
hinter die Trommelfelle.

Als sei es noch da.
Das Meer.


Erstfassung:

Heute am See,
der so blau ist
wie deine Iris –
vorausgesetzt der Himmel
spiegelt sich darin –

an dieser mit süßem
Wasser gefüllten Mulde
trafen sich Möwen
und erzählten von
Weite, Salz, Muscheln.
Und Sand, den ich versuche
mir aus den Augen
zu wischen.

Ihr Geschwätz rieben sie
mir rau auf die Haut
und schrieen heisere Träume
hinter die Trommelfelle.

Als sei es noch da.
Das Meer.

Eins und zwei ...

Verfasst: 30.06.2009, 21:47
von DonKju
... schon vor dem ersten Kommentar, dann wären meine Vorschläge ja schon für die dritte ...

Hallo Leonie,

einfach und leicht, scheint mir dieser Text an einigen Ecken noch runder zu machen, daher meine Ideen dazu :

Heute am See,
der so blau ist
wie deine Iris –
wenn sich der Himmel
darin spiegelt –

[Das mag ja eingängiger formuliert sein, passt aber ganz gut zum Typus "Erzählgedicht", oder ?]

An dieser mit Süßwasser
gefüllten Mulde
treffen sich Möwen:
Sie erzählen von
Weite, Salz, Muscheln.
Und vom Sand, den ich mir
aus den Augen
zu wischen versuche.

[Einheitliche Zeit = Präsens, ansonsten gilt das oben Gesagte nochmals]

Sie landen,
lassen sich wiegen
von dem, was man Dünung
nicht nennen kann,
reiben mir rau
ihr Geschwätz auf die Haut
und heisern mir Träume
hinter die Trommelfelle.

[Nur konsequent im Tempus bleiben, für mich die stärkste Strophe !]

Als sei es noch da.
Das Meer.

[Damit klingt es schön aus]

Mit lieben Grüßen von Hannes

Verfasst: 30.06.2009, 22:49
von Mucki
Hallo leonie,

dein Gedicht komplett in den Präsens zu setzen, halte ich für eine gute Idee. Dadurch entsteht mehr Nähe zum LI und auch zum Leser.
Hier:
sie erzählten von
Weite, Salz, Muscheln.
Und Sand, den ich versuche
mir aus den Augen
zu wischen.

empfinde ich den Sandsatz als zu umständlich formuliert, durch das "den ich ...". Wie wäre:
Und Sand. Ich wische ihn vergeblich aus den Augen.

Das wäre meine Idee zu deinem schönen, melancholischen Gedicht.

Saludos
Mucki

Verfasst: 30.06.2009, 23:55
von Elsa
Liebe leonie,

Von technischen Hinweisen sehe ich ab, die 2. Fassung empfinde ich sehr gelungen.

Vom See zum Meer ... den See gibt es, das Meer nicht mehr. Der See ist ein einzelnes Teil, das Meer war einmal unendlich, als da ein Gegenüber war. Für mich ist es ein Liebesgedicht, auch wenn es nicht dort gepostet wurde. Wenn ich alles ins Präsens setzte, würde ich drauf schließen, das LI ist also verlassen worden, will sich den Sand der Illusion aus den Augen wischen, die Möwenschreie sind fast wie Hohn, da sie von der Unendlichkeit/Vielfalt schwätzen, was die Situation noch unerträglicher macht.

Vielleicht ist das alles nicht intendiert, aber ich lese es so. Schön ist es!

Lieben Gruß
ELsa

Verfasst: 01.07.2009, 19:25
von leonie
Lieber Hannes, liebe Gabi, liebe Elsa,

ich finde die Idee mit dem Präsenz hat was. Ich bin mir nur gerade unsicher, ob dadurch die Möglichkeit verloren geht, dass das Meer ja auch tatsächlich noch da sein könnte.

Die ist mir nämlich wichtig. (Dass die Möwen davon erzählen, weil sie es in der Tat gesehen haben (und man sich natürlich trotzdem fragt, warum sie einen so "popeligen" See als "Ersatzmeer" akzeptieren...)

Auf jeden Fall schon mal vielen Dank, ich muss noch ein Weilchen überlegen und abwarten...

Liebe Grüße

leonie

Auf

Verfasst: 02.07.2009, 07:56
von Ylvi
Hallo Leonie,

vorab vielleicht die Frage, warum das für dich anders als deine anderen Gedichte ein Erzählgedicht ist? Ich kann eigentlich weder sprachlich, noch formal große Unterschiede zu ihnen erkennen.

Der Einstieg gerät für mich hier beinahe schon zum Ausstieg. Ich glaube, das liegt daran, dass du selbst schon so oft die blauen Augen in deinen Gedichten verwendet hast, (zumindest in meiner Erinnerung) dass ich dann nur dachte: och schade, nicht schon wieder. Und dann kommen auch noch Meer, Möwen, Muscheln, Sand und der Sand in den Augen, alles Bilder, die ich für sich genommen sehr mag, die mir aber hier einfach zu verbraucht sind, oder in zu wenig Neues, Eigenes eingebunden sind.
Dass das Meer noch da sein könnte, LIch es nur nicht wahrnimmt, finde ich einen schönen Gedanken, hätte ihn aber so nicht herausgelesen, auch nicht in der jetzigen Fassung.

Liebe Grüße
Flora

Verfasst: 02.07.2009, 15:05
von leonie
Liebe Flora,

für mein Empfinden ist der Ton erzählender als in vielen anderen Texten von mir, ja, und es erzählt ja auch vordergründig in der Tat eine Begebenheit. Aber mir ist jetzt die Rubrik nicht so wichtig, es kann also auch verschoben werden...

Es stimmt: Das Gedicht nimmt viele "Topoi" auf, die ich öfter verwende. Dass sie hier nichts Eigenes bilden, hat eine Funktion. Sie werden doch vom lyrIch als Geschwätz ohne Tiefe wahrgenommen.

Ich bin kein Mensch, der das Nichtfunktionieren eines Textes den Lesern anlastet.
Aber ich merke, dass es mich hier etwas enttäuscht, denn ich selber finde, hier sind einige Beziehungen zwischen den Zeilen und Themen gespannt, denen es sich auf die Spur zu kommen lohnen würde.
(Für mich ist es zum Beispiel völlig offensichtlich, dass das Meer noch da ist, wo kämen die Möwen sonst her? Außerdem der Sand, den man sich nicht mal erfolgreich aus den Augen wischen kann).

Vielleicht überschätze ich den auch Text einfach...

Trotzdem vielen Dank, ich werde auf jeden Fall versuchen, Deine Anregungen beim nächsten Text aufzunehmen und "eigener" zu gestalten. ... :-). Diesen hier kann ich nicht einfach dahingehend ändern.


Liebe Grüße

leonie

Verfasst: 02.07.2009, 18:57
von Ylvi
Hallo Leonie,

Ich bin kein Mensch, der das Nichtfunktionieren eines Textes den Lesern anlastet.
Aber ich merke, dass es mich hier etwas enttäuscht, denn ich selber finde, hier sind einige Beziehungen zwischen den Zeilen und Themen gespannt, denen es sich auf die Spur zu kommen lohnen würde.

Das kann gut sein, dass es an mir liegt und die Enttäuschung kann ich verstehen. :pfeifen:
Vielleicht ist es aber auch so, dass du manches für so selbstverständlich, offensichtlich ansiehst, dass du es nicht mehr erwähnst, der Leser (ich) es dann aber auch nicht sehen kann, oder eben nur, wenn es ihm selbst dann als Bild eigen und vertraut ist.
(Das gleiche gilt für „Und du“... woher soll ich z.B. wissen, dass es sich um eine Querflöte handelt?)
Entscheidend ist dann wohl, wie wichtig dir ist, dass deiner Intention, deinen inneren Bildern entsprechend gelesen und verstanden wird.
(Für mich ist es zum Beispiel völlig offensichtlich, dass das Meer noch da ist, wo kämen die Möwen sonst her? Außerdem der Sand, den man sich nicht mal erfolgreich aus den Augen wischen kann).

Ich mag mich täuschen, aber ich meine, ich hätte schon öfter Möwen auf/an Süßwasserseen gesehen? Das hielt ich also für ein ganz reales und „normales“ Szenario. Der Sand hingegen wurde ja von den Möwen hererzählt, ich las ihn nicht als realen Sand im Auge, sondern im übertragenen Sinne.

liebe Grüße
Flora

edit:
Aber mir ist jetzt die Rubrik nicht so wichtig, es kann also auch verschoben werden...

Ach was, ich war nur neugierig, weil ich mir da selbst oft nicht schlüssig bin.

Verfasst: 02.07.2009, 19:28
von leonie
Liebe Flora,

ja, das kann schon sein, dass ich oft Dinge für offensichtlich halte, die es für andere Menschen nicht sind. Ich neige da vermutlich zu sehr zur Verkürzung.

Ich denke dann, durch die Erwähnung des Adjektivs "silber" in dem Gedicht ist doch offensichtlich, dass es eine Querflöte ist.
Oder für mich ist es einfach so, dass Möwen mit dem Meer assoziiert sind (selbst wenn sie sich auch anderswo ansiedeln).

Insofern werde ich versuchen, das beim Schreiben mehr zu berücksichtigen.

Liebe Grüße und danke Dir nochmal!

leonie

Verfasst: 02.07.2009, 19:39
von noel
wundersam
auf mindestens 2 ebenen
der ebene der einfachen erzählung
& mir auch auf der ebene der synonymen semantik

will meinen die möwen "palavern" über ein könnnte/sollte,
kreieren träume & sehn
_süchte & das auf eine herrlich fein
_sinnige art

Verfasst: 02.07.2009, 19:51
von leonie
Liebe noel,

ich danke Dir! Mich freut sehr, wie Du den Text liest!

Liebe alle,

ich habe noch mal über das Tempus und die Änderungsvorschläge nachgedacht.

In der ersten Strophe ist das "sofern" mit Bedacht gewählt. Ich hatte sogar überlegt "so fern" zu schreiben.

Ebenso passt für mich die umständlichere Formulierung zum vergeblichen Versuch, sich den Sand aus den Augen zu reiben.

Und zum Tempus: M;ir erscheint der Text in der Vergangenheitsform eine Spur lakonischer, distanzierter, deshlab passt sie für mich besser als das Präsens.

Das EInzige, woran ihc überlege, ist zu schreiben:

Als sei es noch. Das Meer.

Doch selbst dazu kann ich mich im Moment nicht durchringen.

Auf jeden Fall nocheinmal "Danke" an alle!

Liebe Grüße

leonie