Liebste Nicole,
vielen Dank!
Mir geht es ja selbst so, dass ich immer noch Herzklopfen bekomme, wenn ich das Gedicht lese...
Und du hast Recht, schön ist es wirklich nicht. Aber das, was raus wollte, ist hier in der für mich bestmöglichen Form geschehen. Deswegen halte ich es auch für eines der Besseren und freue mich, dass du es genauso siehst, auch was die Vielschichtigkeit des Textes angeht.
Hallo Yorick,
dir auch vielen Dank für deinen Kommentar!
Ich fang mal hinten an:
"Da hatte ich schon den Lauf
in ihren unschuldigen Mund geschoben"
Das ist mir sofort aufgefallen. Das war mir zu dicke. Der Beigeschmack ist deutlich, nicht nur metallisch, ist klar. Aber durch das "unschuldig" wird es m.E. recht fett, das Bild würde auch ohne reichen. Fast klingt es nach Hascherei...
Mit dem Vorwurf der Effekthascherei muss man immer rechnen, wenn man sich eines solchen Themas annimmt. Das ist auch durchaus legitim, denn jeder Leser empfindet unterschiedlich.
Mir erscheint das "unschuldig" hier insofern passend, weil es den in den Versen zuvor beschriebenen Konflikt noch verstärkt - das Nichteinschreiten Gottes. Es geht hier ja u.A. um eine Verschiebung der Verantwortung, eine Art negative Theodizee. Der Aspekt der Schuld ist also nicht unwichtig. In ähnlicher Äeise müssen auch die anderen Beschreibungen des Mädchens gelesen werden.
Den geschlossenen Mund habe ich nicht verstanden. Er ist geschlossen, dann schiebt er den Lauf hinein. Davon würde man wohl aufwachen, merkwürdig. Es wird sogar betont, dass sie nicht aufwacht, also irgendwie wichtig. Hat das eine weiterführende Bedeutung? Ich krieges das nicht rechz zusammen...
Nun, das Aufwachen wäre eine Art des Einschreitens von Oben. Bzw. ist das Nichtaufwachen ein Zeichen der Zulassung.
Es kann aber auch eine andere Bedeutung haben. ein Leser in einem anderern Forum, sah bei diesem Gesicht eine junge Frau vor dem Spiegel sitzen, die sich selber erschiesst. Hier würde das Nichtaufwachen wieder einen anderen Aspekt bekommen.
Desweiteren kann man das Mädchen ja auch symbolhaft sehen, wie es Nicole schon angedeutet hat. Z.B. als Zeichen der Wehrlosigkeit, des Ausgeliefertseins.
Ist das LI ein schlichter Mensch? Ich hatte diese Assoziation aufgrund der Wiederholungen und des ersten "Hab". Aber dazu passt m.E. nicht der sehr poetische Stil ("allerzärtlichste", "Traum der Vorväter, etc). Mh. Das schlichte Gemüt scheint mir für den Text recht wichtig. Bei den poetischen Formulierungen bin ich mir nicht so sicher.
Ich erinnere mich, dass ich vor Jahren mal einen Text über einen Verkäufer geschrieben hatte, der die Gelegenheit zu einem Seitensprung bekommt. In dem Text bezeichnet er den Körper der jungen Frau als Zeitmaschine, mit der in die Tage jugendlicher Unbekümmertheit zurückreisen könnte. Da gab es dann einige, die meinten, ein Verkäufer würde das nicht so ausdrücken. Nun denn, ich bin selber Verkäufer...
Schlichte und einfache Menschen drücken sich nicht selten poetisch aus. Sie tun es aber nicht unbedingt absichtlich. In diesem Falle meine ich sogar, dass die Ausrucksweise eigentlich nicht wirklich poetisch ist. "Allerzärtlichste" klingt eher ein wenig hilflos und würde in einem "poetischen" Gedicht wahrscheinlich sogar negativ auffallen. Auch der Begriff "Traum unserer Vorväter" ist eher ein Simplifizierung.
Mir ging es in der Wahl der Sprache darum, einen Ton zu finden, der den verschiedenen Ebenen des Gedichtes entspricht, aber auch der beschrieben Situation, nämlich den der Beichte. Das "habe" ist deswegen auf "hab'" gekürzt, weil es eine gewisse Emotionalität in das Gesprochene bringt.
Für mich lese ich die Zeilen nämlich nicht unbewegt gesprochen, sondern im Echo jener Emotion, die die eigentliche Tat begleiteten.
Liebe Grüße an Euch Beide und nochmals vielen Dank!
Sam