Hallo also,
Im Hintergrund oder bzw. inhaltlich im Zentrum steht eigentlich das Thema von Begegnung schlechthin. Die Sehnsucht nach einer bestimmten Qualität von Begegnung. Und die Frage : wird sie stattfinden in meinem Leben oder nicht ? (Entschuldigung, ich sage jetzt nicht LI, sondern einfach ich, kommt auch hin.) Es ist mehr als Sehnsucht. Es ist ein Gefühl von Bestimmung. Ein Gefühl von « hier erfüllt sich was eigentlich mit mir gemeint ist ». Da ist ein Ruf, auf etwas hin, über mich hinaus. So ein « für diesen Augenblick bin ich geschaffen ». Das kann man als Lebenssicht mögen oder nicht, oder überzogen finden und so, aber für mich ist das eben da, das ist so.
Das ist die Brücke zu diesem « Dian Fossey »-Bild, das denke ich, da wirklich präsent ist. Ich denke, dass Menschen wie sie einem Ruf gefolgt sind. Und das kann dann so etwas sein wie « Gorilla ». Oder wie « Kalligraphie ». Oder « China ». Oder « Seide ». Oder « Violine ». Oder « Himalaya ». Ich hatte mal einen Traum, da hiess der Ruf « China ». Ich denke, das in solchem Ruf etwas liegt, das die betroffenen Menschen mehr ahnen als verstehen. Jedenfalls funktioniert das in meinem Gedicht so. Sie gehen einen Weg, sie sind aktiv, und gleichzeitig werden sie in eine Wirklichkeit hineingenommen, die nach ihnen ruft. Gorilla. Berg, wie Scarlett sagt, ginge genauso. Das berühmte : « der Berg ruft ». « Das Meer ruft. » Genau das gibt dann dieses lebendige -und riskante- Zusammenfinden und nicht nur das Konsumieren oder Erreichen eines selbst gesetzten Ziels.
In meinem Fall ist es eben nicht nur eine mythische Landschaft –der mythische Berg, im Nebel versunken-, sondern es ist ganz wichtig, dass da lebende Wesen sind. Und das mit dem Morgengrauen ist wohl so ein Tick von mir, sagt aber gleichzeitig was über den Zauber, die immer neue Möglichkeit, den immer neu, mit jedem neuen Morgen, möglichen Aufbruch. Für mich hat jeder frühe Morgen etwas vom "ersten Schöpfungsmorgen", alles noch alles neu war und offen, alles "neugeboren" atmete.
Ja, und Gorilla. Das ist wirklich so ein Effekt des Unterbewussten. Ich habe mir das nicht wirklich ausgesucht. Aber ich mag es. Es ist gut. Gorilla. Ich bin eine sehr an der « Archäologie » des Bewusstseins und Unterbewusstseins interessierte Frau. Gorilla : das ist eine andere Form von dem, was wir als Menschen sind. Nachbarn. Aber eben klar anders. Gorilla : das ist eine vom Untergang bedrohte Form von dem, was wir als Menschen sind.
Gorilla, das heisst Familie. Das heisst, draussen, am « mythischen Berg » leben. In den Nebelhängen. In einer Naturverbundenheit, die wir nicht mehr kennen, nur manchmal ahnen, und die dann etwas in uns weitet (das mag ich in Scarlett’s Gedichten, dieses Element des Herzweitens). Gorilla : das ist Afrika. Der Ursprungskontinent des Menschen.
Es ist sicher kein Zufall, dass bei mir, was als spirituelle Suche gedeutet werden kann, nicht Himmelsorientiert ist, sondern in « Fleisch und Blut », Kreatürlichkeit und ihr Geheimnis, hineingeht. Gorilla eben. Und es ist sicher auch kein Zufall, dass der Gorilla eben kein « einsamer Wolf » ist, sonder « die Gorillas ». Das gehört zu seiner Art. Ein Leben im Clan. Beziehung. Sozialisierung.
Und nun : wird die Begegnung stattfinden oder nicht ? Und was sind die Gorillas, was ist « Gorilla » dann wirklich ?
Wichtig im Gedicht, das, was den Aufbruch ermöglicht, sind die zweite und letzte Zeile.
Ja, und ein Paradox, sicherlich, und das hängt wohl auch mit etwas in mir zusammen : einerseits Begegnung, als stärkste Motivation, und dann wieder Unabhängigkeit oder Losgelöstheit. Ja, vielleicht ist es das, worauf mein Leben zielt und gleichzeitig kann ich mich innerlich in keinem Schritt davon abhängig machen, dass das nun auch passiert. Das wäre, denke ich, dem entgegen, was ich suche. Es wäre Vorstellung und Illusion. Das "Objekt" der Suche ist eben kein Objekt. Und das Subjekt ist nicht einfach nur "für sich". Die Freiheit zum frühen Aufbruch auf Begegnung hin gewinne ich erst im Vertrauen, dass das "in sich" schon OK ist mit diesem Aufbruch. Alles andere kann dann erst die lebendige Begegnung selbst zeigen. Oder eben auch nicht.
Ich glaube übrigens nicht, dass ich existenziell damit völlig daneben liege :
« Vielleicht werden sie sich nicht entbergen.
Vielleicht werde ich sie verfehlen.
Vielleicht sind sie Legende. »
Genau das kann mit jeder unserer wesentlichen, auf andere, einen anderen hin intendierten Lebensgesten passieren : dass sich da jemand nicht entbirgt (an dem Wort hänge ich, weil es eben die Freiheit des anderen zum Ausdruck bringt, er entscheidet darüber, ob er verborgen bleibt oder sich entbirgt), man ihn verfehlt, es ihn sogar so, wie man ihn sich vorstellte, gar nicht gibt. Es ist das, was geschieht, wenn man die Begegnung mit einem anderen sucht und wagt. Dann kommen Freiheit und Ungewissheit in’s Spiel. Es ist eine gänzlich offene Geschichte.
Und darum vielleicht die einzige, zum Entstehungszeitpunkt des Gedichtes jedenfalls, Gewissheit : der Aufbruch, das ist mein « Anteil », es ist das mir zugedachte. Und Sekunde ist natürlich wichtig. « Augenblick ». Wachheit, Präsenz im Augenblick. Des Aufbruchs zur Begegnung. Und das hat dann schon was von der Qualität des Ziels, dennoch würde ich nicht einfach so sagen « der Weg ist das Ziel ». Der Aubruch hat seine ganz eigene Qualität.
Also. So ist das. Oder war das. Mit « Gorilla ».
Danke den Kommentatoren ! Und denen, die jetzt noch ein Stück mitgekommen sind, in Richtung « Gorilla ».
Lydie
