Zweiteland

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 04.12.2008, 17:43

Wir haben uns lang genug gesonnt,
unsere Buttersprache ist geschmolzen
und die Stranduhr ist abgelaufen.
Ein Kind hat seine Schippe in die Burg gerammt

und wir sind mohnmächtig gerannt...

Dafür gib mir nochmal deine dritte Hand
und dein zweites Augenpaar,
wir ziehen auf´s Standesamt,
um zu erklären, dass nichts Bestand
hat, dann ziehen wir uns an.

Wir haben uns lang genug geregnet,
unsere Pfützensprache ist versiegt
Ein Kind hat sein Papierschiff
im Wasser versenkt

und wir sind mohnmächtig gerannt,
durch eine Tür in der Wand...

Dafür gib mir dein Schweigenswort
und deinen zweiten Oberkörper,
wir ziehen ins Zweiteland,
in dem nichts war wie es war
und nichts war wie die Sonne scheint.

Wir haben uns lang genug geschneit
und die Wasseruhr ist abgelaufen.
Ein Kind hat seinen Eiszapfen
in sein Schwesterlein gerammt

und wir sind mohnmächtig gerannt,
durch eine Tür in der Wand
ins Hinterzimmer aller Erinnerung.

Wir haben uns lang genug gezeitet.





Änderungen

1. Die Strophe:

und wir sind mohnmächtig gerannt,
durch eine Tür in der Wand
ins Hinterzimmer aller Erinnerung.

...stand zuvor überall vollständig im Text, jetzt ist sie aufgeteilt.

3. Strophe vorher:

Wir haben uns lang genug geregnet,
unsere Pfützensprache ist versiegt
und die Wasseruhr ist abgelaufen
durch die Regenrinne – Ein Kind
hat sein Papierschiff ins Wasser geworfen

4. Letzte Strophe vorher:

Wir haben uns lang genug geschneit,
unsere Frostsprache ist erwärmt
und die Gletscheruhr ist abgelaufen.
Ein Kind hat seinen Eiszapfen
in sein Schwesterlein gerammt
Zuletzt geändert von Louisa am 18.12.2008, 15:20, insgesamt 6-mal geändert.

jondoy
Beiträge: 1662
Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 06.12.2008, 01:38

Auf einem günveioletten Canapè liegend,
zappe ich durch Venedigs Kanäle,
zappe mich schließlich in den bürgerlich rechtlichen Kanal,
ins Zweite.

Eine visuellsprachlicher Kurzfilm.

Eine kamasutrische Sanduhr in Indien,
er fließt in sie und sie fließt in ihn,
wie man sie auch dreht und wendet,
es bleibt eine Beziehungskiste.

~~~

Zwei Menschen fliesen ruhig den Ganges hinunter,
ihre Buttersprache tropft ihnen aus ihren Mündern,
hinterlässt Flecken auf ihren Gesichtern,
eine vorbeiziehende Sandburg rammt sich
die Schippe in die Brust.

Mohnsüchtig rennen sie durch ihre Bilderwiesen
wollen mit der Tür durch die Wand,
in ihrem wilden Herzen nächtigt
ruhelos die Unvergänglichkeit.

Im Amt auf Würde kommen sie
schneiden sie sich atemlos
ihre Füße ab und ziehen sich an,
um sich ihre Nacktheit zu erklären,

es hat in ihnen aufgehört, zu regnen,
ihre Pfützensprache ist versiegt,
das Kind hat sich
in einen nepalesischen Gebirgsbach verwandelt,
auf dem Papierschiffe mit tibetanischen Fähnchen treiben,

ohnmächtig sind sie gerannt mit der Tür in der Hand,
ins Zweistromland,
in dem nichts war, nur den ganzen Tag die Sonne schien,
und haben kein Haus gefunden,

ihre Frostsprache hat ihre Nasen gefrieren lassen,
im Schneeland schneit es aufgewärmte Phrasen,
Kay hat klein Gerda seinen Eiszapfen
in die Brust gerammt.

Die Vergänglichkeit zeltet obdachlos vor dem
schneebedeckten Kilimandscharo.

Wir, Schnitt und Ton, haben jetzt genug gereitet.
Sie sahen.

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.12.2008, 15:31

Huhu!

Eine Alternativversion? Viele gute Ideen, fast zu viele, finde ich :smile: ... Es ufert etwas aus, meinst du nicht?

Das wirkt daher auf mich etwas komisch (aber nicht schlecht); wenn es heißt:

Die Vergänglichkeit zeltet obdachlos vor dem
schneebedeckten Kilimandscharo.


Da entsteht ein Eindruck bei mir , als wäre es nur die Parodie meines Textes. So beladen wie die Metapher:

Lakaiische Schupfnudeln übergeben sich
auf die splitternde Mondwendung


:smile:

Da rückt das Bild hinter den schönen Worten zurück.

Obwohl es schöner klingt, das stimmt.

Schönen Tag und danke für das Experiment!!!
l

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.12.2008, 15:33

PS: Denn ich beabsichtige ja auch etwas, wenn ich schreibe: "Gib mir deine zweite Hand" etc. Das ist ja keine Willkür :smile:

jondoy
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Beitragvon jondoy » 07.12.2008, 01:13

Hallo Louisa,

ja, mit Alternativversion liegst du gar nicht schlecht, es hat mir einfach Spaß gemacht, ich sehs ja so, das "die Liebe" ist eben `dein`Liebslingsthema, so kommts mir jedenfalls vor, deshalb wollte ich ja auch einen Film aus deinem Text drehen, *g*,

Die Vergänglichkeit zeltet obdachlos vor dem
schneebedeckten Kilimandscharo.


Dein Eindruck, dass es eine Parodie ist, geht schon in die richtige Richtung, aber eben doch nicht ganz,
ich denk mir, diese Zeilen sind typisch Louisa, da geht mir auf das Paket auf dem Kopf durch den Kopf, ich seh das quasi in Farbe.

"Wir haben uns lang genug gezeitet", schreibst du.
Ich weiss schon, wie das meinst,

mein Satz stand erst anders da, ich hab sie (die Vergänglichkeit) erst einmal auf deinen Zeilen campieren lassen, dann vor deinen Zeilen und erst im letzten Moment ist die Vergänglichkeit spontan umgezogen vor den schneebedeckten Kilimandscharo. Da stand er auf einmal.

Das "Original" stammt einem Gedicht von Rilke, weiss nicht, ob das kennst,

Wunderliches Wort: die Zeit vertreiben!
Sie zu halten, wäre das Problem.
Denn, wen ängstigts nicht: wo ist ein Bleiben,
wo ein endlich Sein in alledem? -

Sieh, der Tag verlangsamt sich, entgegen
jenem Raum, der ihn nach Abend nimmt:
Aufstehn wurde Stehn, und Stehn wird Legen,
und das willig Liegende verschwimmt -

Berge ruhn, von Sternen überprächtigt; -
aber auch in ihnen flimmert Zeit.
Ach, in meinem wilden Herzen nächtigt
obdachlos die Unvergänglichkeit.

Jetzt hast du ein Problem, das musst jetzt nämlich als Modin löschen,
so ne Vollversion darf hier nicht einfach so stehen bleiben, wo kämen wir denn dahin, :mrgreen:

PS:
Denn ich beabsichtige ja auch etwas, wenn ich schreibe:
"Gib mir deine zweite Hand" etc.


Ich hab das schon genau gelesen, gib mir deine dritte Hand und dein zweites Augenpaar ....und deinen zweiten Oberkörper...und dann ziehen wir ins Zweiteland....

Aber ich konnte das nicht so genau deuten, deshalb hab ich meine Deutungsversuche aus dem "Film" wieder rausgeschnitten :smile: ,

....es ist natürlich eine Metapher, soll ich dich jetzt fragen, was du damit beabsichtigt hast, was du damit ausdrücken wolltest :frage:

....die Frage würde (s)ich nur stellen, wenn ich eine erschöpfende Antwort darauf bekäme, da müsst ich jetzt wohl die dritte Hand fragen, hey, was bist du, die kann sprechen, aber nicht schreiben, vielleicht kannst du dich mal kurz als Medium Bauchrednerin zur Verfügung stellen, und dann deine Finger benutzen, um das so kommunikativ mit Rauchwolken weiterzugeben, schließlich ist es ein ernstes Thema Punkt. Strich Klammer.

Louisa

Beitragvon Louisa » 07.12.2008, 01:21

Mein zweiter Mund gähnt und behauptet es sei jetzt Schlafenszeit.

Bevor er dir morgen Rede und Antwort steht will mein zweites Ich noch hinzufügen: Hehehe....wir löschen das Rilke-Gedicht einfach nicht, bis man uns dazu zwingt :smile:

REVOLUTION :smile: !!!

Die Kommentare sind frei, wer will sie erraten....lalala-lala, lalala-lala :smile:

Gute Nacht zweiter Jondoy!

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Beitragvon jondoy » 07.12.2008, 01:33

Das find ich gut. :smile:
Aber dann kriegst du Probleme mit deiner Angetrauten : - )

DonKju

Beitragvon DonKju » 07.12.2008, 09:03

Hallo Louisa,

das Thema ist schon altgebackt - doch frisch und originell verpackt - um im Bild zu bleiben, ist ' s aber für mein Gefühl - halt hier und da ein Schleifchen zu viel - in 'nem Liedtext stünde da einfach (Refrain) - doch in einem Gedicht, kann das da geh'n ? - nur bei all dem Gerenne ins Hinterzimmer - wird's Vorhofflimmern immer schlimmer - also mutigst frag' ich micht - warum eigentlich denn nicht ? - Schluß, Aus, nun ist genug gekritikt - diese Uhr hat ausgetickt !

Nix für ungut und Gruß von Bilbo

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 07.12.2008, 09:34

Hallo Stefan und Louisa,
Stefan hat geschrieben:Jetzt hast du ein Problem, das musst jetzt nämlich als Modin löschen,
so ne Vollversion darf hier nicht einfach so stehen bleiben, wo kämen wir denn dahin,

Louisa hat geschrieben:Bevor er dir morgen Rede und Antwort steht will mein zweites Ich noch hinzufügen: Hehehe....wir löschen das Rilke-Gedicht einfach nicht, bis man uns dazu zwingt

REVOLUTION !!!

Ach wie witzig. Vor allem für Lisa.

smile

Last

Beitragvon Last » 07.12.2008, 10:33

Rilke ist schon mehr als 70 Jahre tot. Das Gedicht darf also ruhig in Vollversion hier stehen, ohne damit eine Revolution anzuzetteln, oder?

Zum Gedicht wollte ich auch schon was sagen, aber meine Gedanken sind noch nicht so weit.

LG
Last

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Beitragvon Ylvi » 07.12.2008, 10:42

Hallo Last,

uuups, danke, nächstes Mal schau ich mir die Daten vorher nochmal selber an. :o) Hab es wieder eingesetzt.

Liebe Grüße
smile

Louisa

Beitragvon Louisa » 07.12.2008, 11:44

Guten tag!

Tut mir leid, Smile... Gestern um zwei Uhr nachts sah ich das noch anders mit dem Urheberrecht.

Bilbo, wenn ich dich richtig verstehe, müsste ich die sich wiederholenden Zeilen mit dem Hinterzimmer einige Male weglassen? Kann ich gerne tun, wenn es dem Text hilft.

Bis später,
l

DonKju

Beitragvon DonKju » 07.12.2008, 12:00

Hi Louisa,

ganz recht, ich fand diese Iteration nicht unbedingt notwendig - aber als Autorin musst Du entscheiden, ob etwas für Dich entbehrlich ist oder eher nicht, vielleicht reicht ja auch die Andeutung wie ":| und wir sind ... |:", liedtextartig halt ...

Und noch'n Sonntagsgruß von Bilbo

Louisa

Beitragvon Louisa » 07.12.2008, 17:37

Doch, du hast Recht. Schau mal wie es jetzt ist. Ich finde es besser so :smile:


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