Hallo Moshe!
Ich mag das Thema

- ABER es gibt hier neben interessanten Ideen auch wieder diese bösen "Gedichtwörter" (Ja, so kann man es nennen!) - Dazu gehört alles, was jeder gute Romantiker und jeder hippe Sturm-und-Drang-Poet in seiner Westentasche hatte: "Die Ferne", "Das Treffen im Traume" und vielleicht sogar, wenn ich böse bin: "Die Liebenden von verschiedenen Ufern" ...
Diese Bilder wollen nach 2000 Jahren Poesiegeschichte nicht mehr in meinen Kopf. ABER

Ich finde du solltest mehr bei den Worten bleiben, dann können sie noch etwas Besonderes werden. Hier hüpfst du so von einer Metapher zur nächsten.
Zum Beispiel beginnst du mit: "verspätet" - Ist das Wort schon so stark, dass es alleine bleiben kann? Braucht das gar keinen Bildraum mehr, in dem es sich wohlfühlt?
Ich meine ja. Danach bist du plötzlich bei Küssen und verschiedenen Ufern. Wie passt das zusammen? (Jaja...es ist eine Geschichte der VErgangenheit, aber ich glaube die Vergänglichkeit hat auch schon in dieser Vergangenheit eine Rolle gespielt - Weshalb also kein Bild der Vergänglichkeit in Zusammenhang mit den Küssen und den Ufern. Dann wäre alles ein spannendes Ganzes meiner ANsicht nach. Ich mache irgendeinen Vorschlag:
Verspätet
unsere Küsse sind eingezogene
Angelschnüre
von verschiedenen UfernWeißt du, was ich meine? Es könnte von mir aus noch ruppiger sein. Nur damit ich nicht immer in einer Reklametafel in meinem Hinterkopf denken muss: "Wie zwei Königskinder-Wie zwei Königskinder-Wie zwei Königskiner-Wie zwei..."

"So weit haben wir in der Ferne gelebt"
würde ich streichen. Meiner Ansicht nach sagst du dasselbe mit den getrennten Ufern und es hört sich auch nach meinem Geschmack nicht besonders gut an.
Wieso schreibst du einmal "so weit" auseinander und danach zusammen? Das eine bezieht sich auf die Entfernung, das andere ist eher eine Redensweise: "Soweit alles in Ordnung" - Also bedeutet es: "
Bis zu diesem Punkt"

Absicht?
Ich mochte aber deine Idee mit dem "nahe wachsen" - Obwohl es ja ein bisschen paradox erscheint, da die beiden ja an getrennten "fernen" Orten leben. Deshalb würde ich eher dichten:
Aber wir sind gewachsen
Finger an Finger
Fuß an Fuß
Auge an Auge(und wenn du nun mein Bild übernehmen solltest, vielleicht noch:)
Köder an Köder(das ist gar nicht so albern wie es sich liest. Denn mit einem Köder willst du ja jemand anlocken und ich finde ein Finger, ein Fuß und ein Blick kann ebenso ein Köder sein.)
Und das Ende mit den "Träumen" würde ich auch wieder streichen. Es ist auch hier durch den Wiederspruch: 1. Wir sind uns fern 2. Wir wachsen zusammen klar, dass eine geistige Bindung zwischen den beiden besteht. Da braucht es nicht mehr die Erklärung, die auch nicht sonderlich originell ist, wenn es um Liebende geht. Kennst du das Gedicht von der romantischen Freundin Günderode "Es hat ein Kuss im Traume/ mir Leben eingehaucht / .... " ?
Danach hat sie sich ein Messer ins Herz gerammt und ist in den Rhein gefallen.
In diesem Sinne:
Es ist nie zu spät

! (Huch!)
Ich hoffe auf deine Freude über meine positiv-/negativ Kritik!
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