ebne mir die gipfel, scharr nicht nach dem holz

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.08.2008, 10:28

 

ebne mir die gipfel, scharr nicht nach dem holz




es wären wohl lichte höhen. aussichten
glaubst du. ich steige nie zum kreuz
kehr um

wolken geistern die wälder hinauf
am morgen nähen sie die himmel zu
im tal herrscht stampfendes treiben

und zwischen den schneeaugen
verkünden schwalbenflüge
flatterlos

wir horchen auf: befiehl du deine wege
folgen streifen
sehnen den punkt

glockengeläut. blitze
kirchturmspitzen golden glitzen
orgelorkan

der berg: steig ruft er steig!
täuscht nähe vor. es ist zu weit
und ich wollte dir wilde erdbeeren pflücken am fluß

aber lauf du. lauf nur aufwärts
ich sperr solang die sonne aus
bin höhlenmüd

unter den felsgesichtern sind wir zuhaus
ach du
ebne mir die gipfel, scharr nicht nach dem holz





 
edit: die zeile "befiehl du deine wege" erweitert um "wir horchen auf" und kursiv gesetzt und in der nächsten zeile ein "wir" gestrichen
Zuletzt geändert von Ylvi am 15.08.2008, 19:23, insgesamt 1-mal geändert.

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noel
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Beitragvon noel » 15.08.2008, 11:59

es wären wohl lichte höhen. aussichten
glaubst du. ich steige nie zum kreuz
kehr um


erste zeile : kLasseR zeilenbruch
zweite zeile : mir kommt sofort : krieche nie zu kreuze
die invertierung der bedeutung gefällt. denn hier ist ja der gipfel = kreuz & das lyr. I will ja die gipfel geebnet haben sehr fein das!

wolken geistern die wälder hinauf
am morgen nähen sie die himmel zu
im tal herrscht stampfendes treiben


man sagt bei uns: die füchse kochen kaffee.
wen die nebel durch die blätter & nadeln wabern & alles herbstlich stimmt
& wenn der dampf der wälder sich mit dem grauEn des himmels vermählt...
superbes bild

und zwischen den schneeaugen
verkünden schwalbenflüge
flatterlos


schneeaugen finde ich schön, doch kann ich
-veramente wegen der jahreszeit- es hier nicht ganz greifen
& flatterlos? das los des flatterns?
weil wenn die schwalben fliegen, flattern sie, also ist hier los als schicksal gemeint???


befiehl du deine wege
wir folgen streifen
sehnen den punkt


auch hier stehe ich satd & werd schier malad
weil ich es nicht orten kann
wer ist denn jetzt das wir? war es mir nicht eben noch ein ich & ein du???
& die die folgen sind, oder hinterlassen nur streifen?
obwohl sie einen punkt (er)sehnen, also ein halt???


glockengeläut. blitze
kirchturmspitzen golden glitzen
orgelorkan

der berg: steig ruft er steig!
täuscht nähe vor. es ist zu weit
und ich wollte dir wilde erdbeeren pflücken am fluß


toll

aber lauf du. lauf nur aufwärts
ich sperr solang die sonne aus
bin höhlenmüd


jetzt die letzten beiden absätze wieder ein du & ein ich
die sonne aussperren, fein
aber wenn ich die sonne aussperre, bin ich höhlenwillig, oder?
oder meint das hier: so müde sein, dass man der höhle, dem sonnenleeren raum bedarf?

fragende grüße
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Perry

Beitragvon Perry » 15.08.2008, 17:45

Hallo Smile,
ja es sind gute Passagen in dem Text (1.,2., vorletzter und Schlussvers) aber auch einiges (ver)Wirr(end)es.
Seit wann scharrt man nach Holz?
Der Berg ruft und die wilden Erdbeeren kommen mir bekannt vor und wären vermutlich nicht nur deshalb verzichtbar.
LG
Manfred

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noel
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Beitragvon noel » 15.08.2008, 18:10

ich mag die erdbeeren
weil du sie in den text legst...
wie es eben nicht BEKANNT ist
& auch nach holz scharren, bedeutet mir,
dass das du nicht nur nicht die gipfel ebnen soll, sondern auch nicht toll in der
ebene scharren, nach dem was grund
_tiefe sei

ala himmelhochjauchzend & zu tode betrübt, sei nicht das, was man liebt, sondern das sein
ohne wenn & aber
denn dOrt ist der hort in denen sich das selbst zu wilden windungen erhebt & lebt
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 15.08.2008, 19:18

Hallo noel,

man sagt bei uns: die füchse kochen kaffee.

das kannte ich nicht, gefällt mir
wen die nebel durch die blätter & nadeln wabern & alles herbstlich stimmt
& wenn der dampf der wälder sich mit dem grauEn des himmels vermählt...

und das ist beinah selbst gedicht

schneeaugen finde ich schön, doch kann ich
-veramente wegen der jahreszeit- es hier nicht ganz greifen
& flatterlos? das los des flatterns?
weil wenn die schwalben fliegen, flattern sie, also ist hier los als schicksal gemeint???

mit den Schneeaugen verbinde ich etwas, sie sind mir Metapher, aber auch Bild: wenn man in den Bergen hinaufschaut, sieht man diese Schneefelder, die auch den Sommer überdauern, ich denke es bezieht sich so auf die Höhe.
Und ja, Schwalben flattern, aber dann gibt es den Moment, in dem sie ganz still gleiten, getragen werden. Als wäre plötzlich etwas geschehen, eine Entscheidung gefallen über das wohin, als hätten sie für einen Augenblick eine andere Luft, als hätten sie etwas gesehen, eine unbegreifbare Sicherheit und dann fällt all die Anstrengung des Flatterns, der Ungewissheit ab und es scheint ganz selbstverständlich, leicht, ohne sich selbst zu bewegen, sind sie doch ganz Bewegung.

befiehl du deine wege
wir folgen streifen
sehnen den punkt


auch hier stehe ich satd & werd schier malad
weil ich es nicht orten kann
wer ist denn jetzt das wir? war es mir nicht eben noch ein ich & ein du???

ich dachte nicht, dass das „wir“ hier fragen aufwerfen würde. aber es liegt an der zeile davor, oder?
„befiehl du deine wege“ ist ein Liedtietel, das verwirrt, stimmt. :-( Wird es so klarer (ich änder mal oben, muss es mir aber selbst noch mal ansehen, vielleicht fällt mir auch noch was anderes ein):

wir horchen auf: befiehl du deine wege
folgen streifen
sehnen den punkt

Das „du“ bezieht sich also auf „Ich“ und „Du“ bzw. eine Allgemeinheit, es ist ein Gedanke von Außen.
Ich finde das Wort „befehlen“ hier spannend, denn es meint (eigentlich und doch in der Konsequenz wieder nicht) nicht das, was man heute darunter versteht, sondern: Jemandem etwas in die Hände legen, anvertrauen, übertragen. Wenn man es heute liest, ist es dann beinahe ein Spiegel, der diese Verantwortung wieder auf einen selbst zurückwirft.
die streifen und die punkte kann ich bildhaft erklären, es könnten (Wander)wegmarkierungen sein, darüberhinaus bin ich selbst noch am erkunden, kann es zumindest noch nicht Wortfest machen.
jetzt die letzten beiden absätze wieder ein du & ein ich
die sonne aussperren, fein
aber wenn ich die sonne aussperre, bin ich höhlenwillig, oder?
oder meint das hier: so müde sein, dass man der höhle, dem sonnenleeren raum bedarf?

das du und das ich, das zum wir wird, ist hoffentlich jetzt klarer
höhlenwillig ist fein, so müde sein auch. Ich denke das „solang“ wäre hier noch ein Schlüsselwort.

danke für deinen Kommentar, sie sind immer eine Herausforderung, machen sichtbar und geben neue Anreize auch das hier:
noel hat geschrieben:ala himmelhochjauchzend & zu tode betrübt, sei nicht das, was man liebt, sondern das sein
ohne wenn & aber
denn dOrt ist der hort in denen sich das selbst zu wilden windungen erhebt & lebt

vielleicht sind es die wilden Windungen der Schwalben

noel hat geschrieben:dass das du nicht nur nicht die gipfel ebnen soll

das ist interessant für mich, dass du das so liest.

liebe Grüße smile

Hallo Perry,

der Berg und die Erdbeeren sind mir nicht verzichtbar. ;-) Das scharren nach Holz ist sicherlich eines der ver(wirren)den Bilder, die sich einem selbst öffnen muss, schade, dass das bei dir nicht gelingt.

liebe Grüße auch dir smile

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noel
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Beitragvon noel » 15.08.2008, 19:40

holz scharren
ist nach den wurzeln scharrren
holz scharren ist teif
_greifend
& dort sind die wurzeln

danke für die antwort :)
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

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Max

Beitragvon Max » 15.08.2008, 21:18

Liebe Smile,

ein spontaner erster Eindruck: ein Text, der sehr der mir die Landschaft sehr nahe bringt, als sei ich selbst dabei. Das gefällt mir gut.

Meine Assoziationen bei

ich steige nie zum kreuz
kehr um


sind die gleichen wie Noels - klasse.

Das "flatterlos" verstehe ich zwar, aber es ist so ungewohnt, dass ich immer "falterlos" lese, was angesichts der Falter fressenden Schwalben auch ginge ;-)

Woher das Kirchenlied kommt

wir horchen auf: befiehl du deine wege


- vor dem Glockengeläut - war mir zunächst schleierhaft, aber das LI ist wohl spät unterwegs und es sind die Schlussglocken, oder?


der berg: steig ruft er steig!


ist mir in der Tat ein wenig nah an "Der Berg ruft" (ich ahne, dass das Absicht ist).

Das "ach du" würde ich - wie alle "achs" in Gedichten - gandenlos streichen ;-)

Gern gelesen.

Liebe Grüße
Max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 17.08.2008, 11:30

Hallo Max,

Woher das Kirchenlied kommt


wir horchen auf: befiehl du deine wege



- vor dem Glockengeläut - war mir zunächst schleierhaft, aber das LI ist wohl spät unterwegs und es sind die Schlussglocken, oder?


Du stellst Fragen :book3:
Also nachdem ich mich nun über die Läutordnung, die Mess- oder Gottesdienstordnung und das Lied nochmal näher informiert habe, denke ich es ist in der Reihenfolge möglich. Erst Lied, dann Glocken, dann Orgelnachspiel. Oder?
Wobei das ja auch ein "inneres" Hören, Assoziationen, Erinnerungen sein könnten.

Das Lied ist ja eigentlich ein vertontes Gedicht von Paul Gerhardt, ein Akrostichon (vielleicht kann ich ja ferdi damit herlocken ;-)). War interessant, darüber noch ein wenig nachzulesen und im Grimmschen Wörterbuch zu stöbern.

Das "ach du" würde ich - wie alle "achs" in Gedichten - gandenlos streichen

Ach, das wäre aber Schade. ;-) Nein, ich denke es ist hier wichtig, um eine bestimmte Stimme / Stimmung hörbar zu machen.

Und ja, dieser rufende Berg ist schon Absicht, nicht als Verweis, aber als Bewusstsein über diese Assoziation und wie wir sie selbst verinnerlicht haben, oder vielleicht tatsächlich auch empfinden. Das ist ja schwierig zu trennen, inwieweit man da von Bildern, Texten beeinflusst ist oder was aus einem Selbst entsteht.

liebe Grüße smile

jondoy
Beiträge: 1662
Registriert: 28.02.2008

Beitragvon jondoy » 17.08.2008, 23:02

Hi smile,

- ohne mich in die Details der Vorgangskommentare zu verirren -

der Text ist eine Art inneres Zwiegespräch,
so wirkt er auf mich, ohne jeden Zweifel,

von der Sprache her absolut bergländisch geerdet, von der ausdrucksweise her fast schon alpenländisch geprägt,

und die Worte, die das Lyrische Ich benutzt, um seine, wie drück ichs nur aus, `Sinnion`(Intension) auszudrücken, nenn ich sehr poesievoll...

werd die nachfolgenden Textstellen jetzt mit Absicht nicht mit dem großen Mantel "Auswahl zitieren" zitieren, weil sie versteckt im Textgebilde eingebettet sind, und deswegen das große nicht zu ihren Worten passt....

`ebne mir die gipfel, scharr nicht nach dem holz...
....ich wollte dir wilde erdbeeren pflücken am fluß...`

das sagt doch viel aus, find ich.

Schnitt.

orgelorkan


der begriff lässt mich auf immer und ewig an den film "schlafes bruder" denken, (auch) das wort kann ich mir lebhaft vorstellen...

täuscht nähe vor.

der berg.

.....das müsste ich hakuin *grins* erzählen. er hat mal eines seiner "langen Texte" so mit Worten aus der `Alpinistensprache`besetzt, dass es nicht unmöglich wäre, dass er, es wäre interessant zu wissen, wie für jemanden, der aus dieser Ecke möglicherweise kommt, diese Worte klingen, diese von smile eingefangene Sichtweise: "täuscht nähe vor. der berg.".

Ein recht seltsamer Kommentar, fürchte ich.

Gruß,
Stefan

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 20.08.2008, 11:44

Hallo smile.

Ein sehr entrückter (entrückender?) Text.
Deine Bilder tragen wirklich die ganze Landschaft auf dem Rücken. Ich kann förmlich die Bergwiesen riechen.

Soll das wirklich " kirchturmspitzen golden glitzen" (nicht glitzern?) heißen?
In Bezug auf die vorhergehenden 'Blitze' wirkt das auf mich als einziges sehr gekünstelt und ohne Not in Klangähnlichkeit gebracht. Und aus irgendeinem Grunde will mein lyrisches Auge immer 'scharre' in der Überschrift lesen.

Ich lese den Text jetzt noch ein paar Mal. Vielleicht kann ich dir dann irgendwann mal einen rationalen Kommentar geben. Ich will was sagen, kanns aber nicht ausdrücken. Aber warum solls mir besser gehen als Stefan? Schöner und seltsamer Text, seltsame Kommentare ...

Tom
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 20.08.2008, 14:09

Hallo Stefan, Tom,

ich finde eure Kommentare auch nicht seltsamer als mein Gedicht. .-) Und ich freu mich über solche Leseeindrücke immer besonders.

stefan hat geschrieben:der begriff lässt mich auf immer und ewig an den film "schlafes bruder" denken, (auch) das wort kann ich mir lebhaft vorstellen...

„schlafes Bruder“ habe ich nicht gelesen, gibt es da auch einen Orgelorkan?

Tom hat geschrieben:Soll das wirklich " kirchturmspitzen golden glitzen" (nicht glitzern?) heißen?
In Bezug auf die vorhergehenden 'Blitze' wirkt das auf mich als einziges sehr gekünstelt und ohne Not in Klangähnlichkeit gebracht.

Das „glitzen“ ist keine Eigenkreation, obwohl ich es vorsichtshalber noch mal im Grimmschen Wörterbuch nachgeschaut habe und war eines der Worte, bei denen ich mir sehr sicher war, um manches kämpft man ja.

Tom hat geschrieben:Und aus irgendeinem Grunde will mein lyrisches Auge immer 'scharre' in der Überschrift lesen.

Du fändest „scharre“ lyrischer? Also ich habe es mir jetzt noch ein paar Mal angehört, ich glaube es ist ein Antagonist zum weichen „ebne“ und korrespondiert für mich mit dem einsilbigen „Holz“.

entrückende Grüße smile

Max

Beitragvon Max » 20.08.2008, 20:58

schlafes Bruder“ habe ich nicht gelesen, gibt es da auch einen Orgelorkan?


Eigentlich geht es nur um orgeln ... und um die Liebe.

Liebe Grüße
Max


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