der durstigen g`scht

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Estragon

Beitragvon Estragon » 04.08.2008, 15:42

du legst dich zwischen
den mahlzeiten
irgendwo hin

welch lohn für das stille bergwerk
wo alles was man erkennt
nicht mehr zu erkennen ist

fürwahr
das ist eine notlandschaft
über die werden die nächte
wild und ungezogen

das starre vergnügen der haut
die existenz des wirrwarrs

wir waren es
sagt der alte mit dem rasierzwang
und seiner blauen nase
die er nur festhält
damit sie nicht davonfliegt

wir waren es
sagt er der alte mann
mit der gischt im blute
mit den meereswellen im aug

blitz und donner drauf

wir waren es sagt er
noch einmal
bestellt einen korn
und winkt ab

die jungen wissen ja
nicht mal was ist
eine blaue uniform
und siebzehn tage
bei hunger und brot
in einer leeren stube

gefangen ja
so dachte ich
weil ich den kartoffelschäler zertrümmerte
(wegen der schlechten phase
machte er das oft)

der alte weiß nicht mehr was er sagen soll
er ist in einem blätterlosen alter
alles an ihm scheint zu verwelken

manchmal
denkt er
es wächst noch etwas
aber das ist nur der zehennagel
den er nicht abreissen mag

die stille über die gischt
die liebe kreisend wie ein durst den es in keiner flasche zu kaufen gibt

die einsamen bänke
pure verschwendung
das licht in der sonne
die wellen auf die luftdichten felsen

zwei
die sich begegnen
wie es tiere tun
die sprachlos nach hause kommen
als hätten sie genug von der welt
und wollten nun einmal etwas anderes sehen

Benutzeravatar
noel
Beiträge: 2666
Registriert: 04.08.2006

Beitragvon noel » 04.08.2008, 17:37

werter seelenschürfer, ein feines stück semantik
nur manche wendung....

Estragon hat geschrieben:du legst dich zwischen
den mahlzeiten
irgendwo hin


feine zeilen
_brüche & bilder

Estragon hat geschrieben:welch lohn für das stille bergwerk
wo alles was man erkennt
nicht mehr zu erkennen ist


& dies ein soigniertes stück tiefe mit wortwitz.

Estragon hat geschrieben:fürwahr


das passt mir hier nicht... bringt mich aus den bildern, stört den rhythmus nicht nur,
um es nicht ZU gefällug zu lesen. nein stört ganz einfach
-mich-

Estragon hat geschrieben:das ist eine notlandschaft
über die werden die nächte
wild und ungezogen

was verblieben ist, von dem nicht mehr zu erkennenden, was nurmehr notlandschaft ist, wird in den nächten zu...
fein das.

Estragon hat geschrieben:das starre vergnügen der haut
die existenz des wirrwarrs


die erste zeile ist gut.
in der zweiten stört mich vorWiegend das wirrwarr,
aber irgendwie & über
_haupt, die ganze gestelzte zeile...
es ist zu aussagend & nicht wie das bisher gelesene... metaphorisch
es ist direkt & sachlich, fast fachlich & mir obsolet

Estragon hat geschrieben:wir waren es
sagt der alte mit dem rasierzwang
und seiner blauen nase
die er nur festhält
damit sie nicht davonfliegt


auch wenn ich das bild der fliegenden nase nicht verstehe,
so habe ich schwermütige bilder durch deine worte.
fein das.

Estragon hat geschrieben:wir waren es
sagt er der alte mann
mit der gischt im blute
mit den meereswellen im aug


fein, fein, fein

Estragon hat geschrieben:blitz und donner drauf

*öhm, naja... neja, ist klar, aber irgendwie
neeeeeeeeeeee

Estragon hat geschrieben:wir waren es sagt er
noch einmal
bestellt einen korn
und winkt ab


ich verstehe die vielen wiederholungen,
derenhalben ist mir die zweite zeile dieses absatz
über
_flüssig...

Estragon hat geschrieben:die jungen wissen ja
nicht mal was ist
eine blaue uniform
und siebzehn tage
bei hunger und brot
in einer leeren stube


gute zeilenbrüche
das ist der zweiten zeile
klingt mir besser in der dritten

Estragon hat geschrieben:gefangen ja
so dachte ich
weil ich den kartoffelschäler zertrümmerte
(wegen der schlechten phase
machte er das oft)


dieses bild... spricht mir nicht & doch mag ich es...

Estragon hat geschrieben:der alte weiß nicht mehr was er sagen soll
er ist in einem blätterlosen alter
alles an ihm scheint zu verwelken


zaubersam. die verbindung der welkenden blume, zu dem sprachlosen, blätterlosen.
feines wort&metapherspiel.

Estragon hat geschrieben:manchmal
denkt er
es wächst noch etwas
aber das ist nur der zehennagel
den er nicht abreissen mag


autsch, aber GUT

Estragon hat geschrieben:die stille über die gischt
die liebe kreisend wie ein durst den es in keiner flasche zu kaufen gibt


ebenso

Estragon hat geschrieben:die einsamen bänke
pure verschwendung
das licht in der sonne
die wellen auf die luftdichten felsen


licht in der sonne???
luftdichte felsen???

Estragon hat geschrieben:zwei
die sich begegnen
wie es tiere tun
die sprachlos nach hause kommen
als hätten sie genug von der welt
und wollten nun einmal etwas anderes sehen


famos
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

Perry

Beitragvon Perry » 05.08.2008, 23:05

Hallo Estragon,
ein Text, der phasenweise sehr gut die Weltsicht eines (trunkenen) Alten reflektiert, sich aber auch etwas langatmig (sagt der alte ..., der alte weiß ...) und unverständlich (17 Tage?, luftdichte Felsen) präsentiert. Auch die unötige bzw. nichtssagende Erklärung (wegen der schlechten phase machte er das oft) bräuchte ich nicht.
Insgesamt aber ein lesenswerter Text, der durch etwas Verdichtung noch gewinnen könnte.
LG
Perry


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste