Kontemplation

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 12.06.2008, 17:45

Kontemplation


Immer suchtest du nach Worten
um zu beschreiben was dich
durch die Wandelgänge des Lebens trieb

Einst stand da ein gelbes Unterseeboot
two thousend Light Years from home
aber es flackerten auch Schatten an den Wänden

In einer Nische hing er am Kreuz
Er, Jesus Christ Superstar
in dessen Armen deine Liebe starb

Jetzt stehen die Türen der Bibliothek offen
die Bücher liegen aufgeblättert vor dir.
Jetzt, da deine Augen eine andere Welt sehen


1. Fassung:

Kontemplation


Immer hast du nach Worten gesucht
zu beschreiben was dich
durch die Wandelgänge des Lebens trieb

Einst stand da ein gelbes Unterseeboot
zweitausend Lichtjahre von zuhause
aber es hingen auch Kreuze an den Wänden

Jetzt stehen die Türen der Bibliothek offen
die Bücher liegen aufgeblättert vor dir
Jetzt, da deine Augen eine andere Welt sehen.

(Letzte Zeile: "sehen" statt "schauen" geändert).
Zuletzt geändert von Perry am 15.06.2008, 13:07, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.06.2008, 02:15

Hallo Manfred,

deine Kontemplation gefällt mir gut. Sehr schön, die "Wandelgänge des Lebens".
Die 2. Strophe finde ich sehr gelungen!
Nur bei der dritten Strophe stören m.E. die doppelten "Jetzt". Du könntest das 1. "jetzt" z.B. durch "Heute" ersetzen.
Mit diesem Satz
Jetzt, da deine Augen eine andere Welt schauen

möchtest du doch sagen, dass LI oder das DU, das ja das LI ist, die Welt mit anderen Augen sieht oder willst du ausdrücken, dass es in eine andere Welt schaut. Da fehlt ein Wort, hm? Die Aussage ist so m.E. nicht ganz klar.
Gerne gelesen!
Saludos
Mucki

Perry

Beitragvon Perry » 13.06.2008, 10:43

Hallo Mucki,
freut mich, dass du eintauchen konntest in die Welt meditativer Versunkenheit. Das doppelte "Jetzt" ist als lyrische Verstärkung gedacht und das Schauen "einer anderen Welt" kann als Blick (Vision) ins Jenseits ausgelegt werden.
Danke für deinen Eindruck und die Anregungen.
LG
Manfred

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.06.2008, 12:01

Hallo Manfred,

das mit der anderen Welt dachte ich mir schon. Ich würde deshalb ein "in" einfügen. So, wie es jetzt dasteht, fehlt ein Wort. Oder aber du schreibst:
"da deine Augen eine andere Welt sehen", dann braucht es m.E. das "in" nicht. Für mich besteht zwischen "schauen" und sehen" ein Unterschied. Vielleicht geht es auch nur mir so?
Saludos
Mucki

Perry

Beitragvon Perry » 13.06.2008, 13:48

Hallo Mucki,
ob ein Unterschied besteht ist schwer zu sagen. "Schauen" ist für mich nur ein wenig umgangssprachlich bzw. altsprachlich geprägt. Sehen trägt auch etwas von Erkennen (Seher) in sich, deshalb scheint es mir hier dann doch die bessere Wahl.
Danke und LG
Manfred

Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.06.2008, 14:20

Hallo Manfred,

genau, "Sehen" auch im Sinne von "Seher". Und das passt hier ja wunderbar.
Fein! :)))
Saludos
Mucki

DonKju

Beitragvon DonKju » 14.06.2008, 22:00

Hallo Manfred,

noch ein Vorschlag zur letzten Zeile : Wie wäre es statt

"Jetzt, da deine Augen eine andere Welt sehen."

mit

"Jetzt, da deine Augen manchmal schon die andere Welt sehen."

Das würde bedeuten, daß das LyrIch im Alter wohl an der Schwelle (des Todes) steht, aber noch nicht hinübergegangen ist und noch im "Hier und Jetzt" die richtigen Worte gefunden haben könnte. Aber das musst Du entscheiden ...

Ansonsten gefällt mir Dein Text sehr. Ein Abendgruß von Bilbo

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 14.06.2008, 22:50

Lieber Manfred,

Die 2. Str. mag ich sehr, sie reißt meine Erinnerungen an die Beatles hoch.

In der 1. Str. sollte da nicht treiben stehen? Denn es treibt uns ja immer durchs Leben, über die Wandelgänge (die fast etwas kirchlich anmuten, feierlich), bis wir sterben.

Die 3. Str. ist nur zum Teil nachvollziehbar für mich. Also der Anfang schon, dass man viel gesehen, gehört gefühlt hat, demnach auch viel weiß übers menschliches Dasein.

Die letzte Zeile, die andere Welt, die bleibt mir verschlossen.

Ansonsten gern gelesen.

Lieben Gruß
ELsa
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.06.2008, 23:44

Liebe Elsie,
In der 1. Str. sollte da nicht treiben stehen?

das verstehe ich nicht. Hier schreibt (und denkt) LI doch in Vergangenheitsform?
Saludos
Mucki

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 15.06.2008, 09:49

Hallo Manfred,

Die 2. Str. mag ich sehr, sie reißt meine Erinnerungen an die Beatles hoch.


Ja, und an die Rolling Stones. Die zweite Strophe finde ich auch sehr stark, weil sie eigenständig ist. Lyrisches Portrait eines Sechziger-Rebellen, der aber nicht ganz in den "neuen Weg" beschritten hat, sondern auch Kreuze an den Wänden hängen ließ. "Zuhaus" statt das etwas ungriffige "Zuhause" könnte es fließender klingen lassen.

Schöne Grüße

Jürgen

Perry

Beitragvon Perry » 15.06.2008, 11:19

Hallo Bilbo,
danke für dein genaues Hinsehen und die Anregung. Das LI befindet sich natürlich noch im Jenseits, es glaubt nur das Jenseits sehen (in seiner Andersartigkeit erahnen) zu können.
LG
Manfred

Hallo Elsa,
die Zeitform im ersten Vers ist noch etwas unscharf, deshalb werde ich da noch nacharbeiten. Das Treiben durch die Wandelgänge ist dem Bild eines Geistes nachempfunden, der wie ein Schleier durch die Gänge eines alten Klosters treibt.
Schön, das dich die Erinnerung an die alten Songs erreichen konnte.
Danke und LG
Manfred

Hallo Jürgen,
ja der gute alte Traum von der unendlichen Freiheit relativiert sich im Alter eben ein wenig. Das zuhaus (two thousend Light Years from Home) muss ich mir erst noch auf der Zunge zergehen lassen.
Danke für den Vorschlag und LG
Manfred

Max

Beitragvon Max » 15.06.2008, 12:00

Lieber Manfred,

mir gefällt der Ton, den Du hier anschlägst und - klar - Strophe 2 mit all den Reminiszenzen an die Beatles u.a.

Was ich mir noch mehr wünschen würde, ist gar nicht so leicht auszudrücken: Die Erinnerung ist da, aber mir fehlt das gefühl, was mich bei gleichen Gedanken befällt - eine starke Wehmut, nicht es anders tun zu wollen, aber es gar nicht mehr anders tun zu können. Mag sein, das das sehr persönlich ist.

Liebe Grüße
Max

Perry

Beitragvon Perry » 15.06.2008, 12:42

Hallo Max,
ja es ist Wehmut gepaart mit Dankbarkeit für das Erlebte aber auch schmerzvoller Erkenntnis, nichts davon behalten zu können. Ich denke auch, der Text könnte noch etwas reifen.
Danke und LG
Manfred

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Schwarzbeere
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Beitragvon Schwarzbeere » 16.06.2008, 12:21

Perry

und niemand verweist auf den Unterschied von "sehen" und "schauen"? Wenn es sich um hören und horchen handelte, wäre es bestimmt verstanden worden, doch so lässt man eben heute sprachliche Unschärfe gelten, weil man eben Fahrlässigkeit nicht mehr mit spitzen Griffeln markiert.

Bekenne dich doch, lieber Perry, zum aktiven Schauen!

Schwarzbeere
Zuletzt geändert von Schwarzbeere am 16.06.2008, 16:25, insgesamt 1-mal geändert.


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