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Vergeblich

Verfasst: 22.01.2008, 22:27
von moshe.c
Vergeblich

Und des nachts
umschlang ich die Eiszapfen
einer Rose

Verfasst: 26.01.2008, 15:19
von Lisa
Lieber moshe,

in all der Zeit, die ich deine Texte nun kenne, ist das hier ein echtes Phänomen: Viele deiner Texte schätze ich, manchmal kneife ich die Augenbrauen zusammen, aber eines ist mir noch nie untergekommen (und das ist wohl ein Kompliment) - bis heute: ein kitschiges Gedicht von moshe.
Aber das hier..in all seiner Kürze...nein, das ist mir ein wenig zu Air-Brush-zeilen eingerichtet. Ich finde, dass du dieses Thema in vielen anderen texten schon oft wirklich in gelungenen Bildern aufgegriffen hast, aber hier kann ich nicht mit.

Aber immerhin eine Premiere! Nimm's mir nicht bös,

liebe Grüße,
Lisa

Verfasst: 26.01.2008, 16:04
von moshe.c
:-)

Liebe Lisa!

Natürlich nehm ich dir das nicht bös, denn es ist ja eine Premiere. :pfeifen:

Sicher habe ich inzwischen so etwas wie eine eigene Sprache gefunden, aber ich bin eben auch ein :hut0007: , der immer wieder Möglichkeiten und Grenzen ausprobiert..
So gibt es im Anonymus einiges von mir, das noch nichtmal Orit mir zugehörig erkennen konnte. :-) :spin2:

Ein guten Tag :hut0039: wünscht

Moshe

Verfasst: 26.01.2008, 17:56
von Pjotr
Hallo,

ich empfinde das überhaupt nicht als Kitsch. Woran liegt das, dass ich das überhaupt nicht als Kitsch empfinde?


Salud

Pjotr

Verfasst: 26.01.2008, 18:18
von Nicole
Hi,
mmh, Kitsch ist sicher nicht allgemein gültig....Es kommt darauf an, wie "ausgelutscht" die Begriffe in Deinem Kopf sind. Rosen in Gedichten werden gerne verwendet und in Kombinationen wie "Deine Lippen wie Rosenblüten" empfinde ich sie auch als kitschig. In Kombi mit Eiszapfen sind sie für mich relativ "neu" und unverbraucht - kitschig nicht, aber, um nun auf das Gedicht zu kommen - vorhersehbar. Das Bild ist zwar unausgesprochen, aber wird dem Leser doch irgendwie ins Hirn gehämmert. Und, nichts gegen klare Bilder, ich mag das gern...ich finde den Text zu knapp, es ist mir zu wenig.
Wollte das LyrIch den Eiszapfen auftauen? Warum empfand das LyrIch so? Wieso war/hatte die Rose ein Eiszapfen? Wieso lag das LyrIch neben den Eiszapfen?
Für mich ist das hier zu wenig, um ein Bild zu malen, das füllt.

Nicole

Verfasst: 26.01.2008, 18:27
von Niko
für mich werder kitsch noch rätselhaft. es ist in meinem denken ein beziehungsgedicht. nachts, neben dem partner liegend, der vielleicht abweisend, kalt ist und die umarmung der so geliebten (das rosenbild) gleicht der umarmung eines eiszapfen. eine - zumindest momentane - einseitige empfindung von liebe.
ich finde, moshe, das entgegen anderer für mich "leererer" kurztexte dieser hier reich beinhaltet ist.

lieben gruß & shalom: Niko
edit: hätte auch gut in liebeslyrik gepasst. is ja nich nur liebelei und rosa wolken, liebe ist auch der ganze stress, wut und hass und - wie hier - kälte

Verfasst: 26.01.2008, 18:30
von Mucki
Hi Moshe,

kitischig ist das für mich nicht. Aber, und DAS wäre für mich bei dir eine Premiere ,-):
Die Zeilen sind einseitig interpretierbar.
Irgendwie "schreit" es am Schluss für mich nach einer Pointe, die den Leser narrt und ihn von dieser einseitigen Leseweise wechhaut. Keine Ahnung warum, aber das Wort "Gefrierbrand" spukt in meinem Kopf herum *kicher*
Saludos
Mucki

Verfasst: 26.01.2008, 18:32
von moshe.c
Lieber Pjotr!

Warum du irgendetwas nicht in einer bestimmten Art empfindest, kann wohl niemand für dich beantworten.

Vielleicht versuchst du es ja mal für dich und teilst uns das Ergebnis mit,

meint

Moshe

Verfasst: 27.01.2008, 13:20
von Lisa
Lieber Pjotr,

ich denke, es ist eher interessant, warum du dich so eindringlich fragst, weshalb du das nicht als Kitsch empfindest (obwohl ich nicht vergessen, auch die Ironie mitzulesen .-)). Kitsch verliert wohl seinen Kitschcharakter, wenn es nur einer kitschig findet? (Ich weiß gar nicht? Irgendwie kann man etwas als kitschig nur gemeinsam empfinden (was dann wohl schon auch die Kritik an einer Kitschbehauptung rechtfertigt, auf der kurzen moralischen Geraden, nicht der unendlichen).

Vielleicht ist es ja was, wenn ich versuche z beschreiben, warum das für mich kitschig wirkt: Die Rose als Bild schafft den raum, für das was kommt, so wie eine bestimtme Farbe auch für Farben, die man noch in ihrer Umgebung hinzufügt, ihre (und die eigene) Wahrnehmung festlegt. Bei einer Rose kann das in meinen Augen etwas werden, was im positiven oder negativem Sinne klassisches bedient, im Negativen wird es für mich dann z.B. kitschig. Es kommt dann auf da
s an, was noch hinzugefügt wird. Hier kommen noch die Eiszapfen und der Allgemeinplatz Vergeblichkeit (auch noch als Titel), die Eiszapfen referieren auf die Dornen und auchauf Tränen (meine Assoziationen), zusammen muss ich visuell zum einen an diese künstlich gefoprenen Rosen denken oder diese Eisskulpturen und dann noch an jede Menge Texte, die von Tränen, Eisblumen oder rosa Rosen handeln - da sind dann meinem Erinnerungsvermögen meines Geschmacks Grenzen gesetzt, ich kann mich nicht mehr auf das Arrangement des Textes einlassen, es wird zu etwas verbrähmt-abgenudeltem einfallslosen, was ich dann Kitsch nennen, obwohl es das nicht sein muss, nur für mich eben schon. Das ganze wird dann nochmal durch die Kürze des Textes verstärkt, weil dann kaum etwas vorgegeben ist und man viel eigenes (und das kann nur einem bekanntes sein) abrufen muss. Dann noch der Haiku-Touch und ich finde einfach nichts "Echtes" mehr.

Und was geschieht bei dir? Als was oder wie empfindest du den Text?

Liebe Grüße,
Lisa

Ps: moshe :hut0039:

Verfasst: 27.01.2008, 13:29
von Pjotr
Hallo Moshe und Lisa.
Moshe hat geschrieben:kann wohl niemand für dich beantworten.

Durchaus. Nicole hat es teilweise schon beantwortet für mich.


Ich lasse jetzt mal meine Gedanken fliegen ...

Es gibt vielerlei Definitionen des Kitschbegriffs. Ich nehme diejenige, die ihn definiert als "der kürzeste Weg".

Um auf kürzestem Weg aus einem Garten ein Zauberland mit fröhlichen Wesen zu kreieren, stelle ich einfach die berühmten grinsenden Gartenzwerge zwischen die Pflanzen. Um auf kürzestem Weg ein Liebessymbol zu kreieren, greife ich auf die allseits bekannte Herzchenform zurück. Ähnlich kurz, also ähnlich kitschig, verfahre ich, wenn ich Eros mit Rosen symbolisiere, wobei hier die Unmissverständlichkeit nicht mehr so sehr gewährleistet ist, wie bei Gartenzwergen oder Herzchen. Auch beim Eis, als Symbol für soziale Abwendung, wird der Weg zwischen Signal und Verstand zunehmend länger.

Jetzt versuche ich einmal, die Begriffe Eiszapfen und Rose in der Tat als Kitsch aufzufassen. Das gelingt mir nur dann, wenn ich unterstelle, dass der Autor auf kürzestem Weg "soziale Abwendung" und "Eros" zu signalisieren beabsichtigt.

Beabsichtigt er das? Das ist nicht sicher. Ähnlich unsicher ist, ob Andy Warhol mittels einem kolorierten Monroe-Foto auf kürzestem Weg irgendeine party-farbige Wohnzimmerdekoration herstellen will. Was ist mit der weiteren Stimmung, mit der weiterreichenden Atmosphäre, die das Werkstück generiert?

Auf die Kombination kommt es für mich an, darauf, auf welche Weise die Elemente miteinander kombinert sind. Die Komposition! Sie erzeugt dasjenige, was "zwischen den Zeilen" schwebt. Die Elemente für sich, einzeln isoliert, sind trivial. Gartenzwerg, Herzchen, Rose, Monroelächelfoto ... alles Kitsch, wenn einzeln betrachtet.

Nun besteht aber jenes Gedicht nicht nur aus den beiden Wörtern Eis und Rose, es enthält zehn Wörter. Diese zehn könnte man, wenn man will, ebenfalls als Einzelsignale betrachten und sodann den kürzesten Weg nehmen und sie als Kitsch verstehen. Aber die Komposition dieser Einzelsignale entfaltet etwas ganz anderes, sie eröffnet eine gewisse Stimmung, die ist zu komplex, als dass sie auf kurzem Weg allein mit zwei trivialen Signalen hergestellt werden könnte.

Die Komposition macht die Musik! Die Wörter sind immer die gleichen, selbst Wortneuschöpfungen -- wenn es nicht gerade ein "Plümötz" ist -- sind Kompositionen aus bereits bekannten Wörtern. Und jedes chromatisch basierende Musikstück ist ein Mosaik aus bereits bekannten Notenpaketen, ebenso, wie ein Wort aus schon bekannten Silben besteht. Die Silben können abermals zerteilt werden, in Buchstaben. Alle diese Einzelelemente beginnen erst dann zu leben, wenn sie miteinander kombiniert werden. Erst aus dem Bezug zueinander öffnen sich neue Dimensionen. Das Einzelelement Gartenzwerg lebt nicht. Es kann aber zu Leben erweckt werden, indem es in einen anderen Kontext gestellt wird. Also quasi in einen anderen Garten.

Ich glaube, das ist es, warum ich dieses Gedicht nicht als Kitsch empfinde. Die Kombination der Rose mit jenem Eiszapfenbegriff erzeugt bereits eine Abkehr vom Kitsch. Aber es geht noch weiter weg ...


Ahoi

Pjotr

Verfasst: 28.01.2008, 11:43
von scarlett
Lieber moshe,

ein Blitz, der eine ganze Geschichte beleuchtet. Oder mehrere. Auf jeden Fall mag ich das in seiner Kürze und den sich auftuenden Bildern.
Ich kann daran nichts Kitschiges finden, es kommt ganz entschieden darauf an, wie man kombiniert, wie man "kitschverdächtige" Wörter in ungewohnte Zusammenhänge bringt und sie dadurch gerade vom "Kitschverdacht" befreit.
M m nach ist dir das hier gelungen.

Shalom,
Monika

Verfasst: 28.01.2008, 17:56
von moshe.c
Hallo!

Danke für diese interessante Diskusssion!

Ich selbst halte den Text nicht für kitschig und so vergebe ich die Chance einer Premiere. :mrgreen:
Mir ist schon klar, daß man es so sehen kann, und dies hat seinen Grund, denn ich beschreibe einen kitschigen Umstand, der aber einen sehr ernsten Hintergrund hat.

Kennt ihr den Begriff 'Die kalte Pracht.' ?

Das ist ein Schlafzimmer, ein Vorzeige-Schlafzimmer, möglichst in Weiß gehalten und ungeheizt, mit bester Ware ausgestattet, am Besten noch mit der Aussteuer, die die junge Gemahlin mit in die Ehe gebracht hat, zusammen mit den Ratschlägen der Mutter, wie man sich rar macht.

Tja, in dieser Umgebung erstickt natürlich die rosenhafte Vorstellung einer Liebe, oder?, und jeder Versuch dagegen anzugehen bleibt oft vergeblich, und im Kitsch und anderen Umständen stecken.

:eek:

So long

Moshe

Verfasst: 28.02.2008, 00:31
von wonigo
Hallo, Moshe,
vielleicht betrachtest du die Diskussion als abgeschlossen - dein so long klingt ein wenig nach: es ist genug. Trotzdem meine Meinung:

Ich hatte letztes Wochenende ein langes Gespräch mit einem sehr guten Bekannten (50). Eigentlich weniger Gespräch - mehr Monolog. Es brach irgendwann förmlich aus ihm heraus, was du in den drei Zeilen verdichtet hast. Der gute Bekannte brauchte fast drei Stunden, bis alles abgeladen war und er glaubte, dass ich sein Leid richtig verstehen könnte.

Ich kanns nicht ausdrücken wie Pjotr, dazu fehlt mir das Fachwissen. Ich muss dir gestehen, dass mich deine drei Zeilen zutiefst berührt haben. Vielleicht, weil ich die Last meines Freundes noch auf mir spürte. Würde er das lesen, was du geschrieben hast, würde er vielleicht weinen, weil ihn einer voll verstanden hat.
Wir sollten mit dem Begriff Kitsch sehr, sehr sparsam umgehen und nicht alles belächeln, was uns in unserer Betrachtungsweise lächerlich oder abgenutzt erscheint.

Natürlich habe ich auch was zu meckern:
Die Überschrift "vergeblich" gefällt mir gar nicht! Klingt nach Zeitung, wo "Unfall" drüber steht, wenn über einen berichtet wird. Du findest sicher was besseres oder ohne Überschrift.

Ich grüße dich
Wolfgang

Verfasst: 28.02.2008, 01:17
von Pjotr
wonigo hat geschrieben:Ich kanns nicht ausdrücken wie Pjotr, dazu fehlt mir das Fachwissen.

Hallo Wonigo, Dein literarisches Fachwissen ist mit Sicherheit um einige Kubikmeilen größer als meins. Ich besitze so gut wie gar keins. Ich bin hier nur der Schiffsjunge.


Ahoi

Pjotr