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Abbazia di Pomposa
Verfasst: 13.01.2008, 22:06
von scarlett
Wo sonnenwarme Hände betend
sich formten die Unendlichkeit,
atmen die Mauern noch
Gesänge längst verstummter,
ferner Zeit in verblaßten Mosaiken
fugt sich das Leben Stein
an Stein und ihr Betrachten läßt
dich schweben Stufe um Stufe
himmelwärtsan ...
(c) Monika Kafka, 2007
Verfasst: 13.01.2008, 22:38
von Niko
hallo monika!
mag sein, das mein allgemeinwissen unterdurchschnittlich ist, aber ich finde es für mich immer bescheuert, wenn ich einen hochtrabend, pompös oder völlig fremd klingenden titel erstmal nachschlagen muss. (muss ich immer noch, werde es aber nicht tun).von daher ist mir dies werk erst einmal unsympatisch. weil es versucht, mich klein zu machen. verstehst du, scarlett? der titel ist somit für mich eine hürde, die ich und der text kaum nehmen kann. dennoch ein versuch: natürlich kommt man dann doch auf ein kloster. vermutlich italien. und höchstwahrscheinlich toscana oder sizilien....
warum "sich formten die unendlichkeit"? warum nicht (sprachrhythmisch verändert) "sich unendlichkeiten formten"?
die wortkreationen ansonsten wie "gesänge längst verstummter zeit"oder "schweben himmelwärtsan" find ich gemessen an dem, was du drauf hast, eher bescheiden und hülsig.
bei "fugt sich das leben stein an stein" blinkt deine wahre stärke noch durch in dem wort "fugt"...
lieben gruß und.....nix für ungut... Niko
Verfasst: 13.01.2008, 23:58
von scarlett
Hallo Niko,
nun ja, schade dass dir der Titel schon von vornherein den Text unsympathisch macht - dementsprechend kanns ja nichts sein.
Ich wollte mit diesem Titel weder irgendjemand klein machen, noch mich selbst als besonders gebildet geben, außerdem ist er weder pompös, noch hochtrabend oder sonstwas.
Ich werde mir dennoch überlegen, wie sich das in Zukunft vermeiden läßt - in diesem Fall könnte der Titel dann einfach "Die Abtei von Pomposa" heißen.
Du fragst, warum nicht "sich unendlichkeiten formten"? - weil es a) sprachrhythmisch nicht gut ist und b) die Aussage verfälscht: es formten sich nicht Unendlichkeiten (den Plural mag ich ebenfalls nicht), sondern die betenden Hände formten sich die Unendlichkeit -
Ich danke dir trotzdem für die Rückmeldung und ja, ebenfalls nix für ungut ....
LG,
scarlett
Verfasst: 14.01.2008, 09:00
von Herby
Hallo Monika,
mir gefällt die Atmosphäre, die du zeichnest, gut. Sie macht mir den Ort, den ich aus eigener Anschauung nicht kenne, erlebbarer. Was den Titel betrifft, geht es mir anders als Niko. Ich finde es nicht nur nicht schlimm, sondern sogar ganz reizvoll, unbekannte Wörter oder Namen nachzuschlagen bzw. zu recherchieren. Man macht oft sehr reizvolle Entdeckungen dabei.
Ich frage mich nur, ob das, was du schreibst, nicht ebenso übertragbar ist auf andere Abteien, auch außerhalb Italiens. Oder anders gefragt: was ist spezifisch für gerade diese Abtei, auf die du dich ja mit dem Titel, egal ob in Deutsch oder Italienisch - festlegst? Vielleicht wäre eine offenere Titelwahl ("Alte Abtei?") eine Überlegung wert?
Zwei Anmerkungen noch zur Sprache:
Gleich zu Anfang tue ich mich etwas schwer mit dem Adjektiv "sonnenwarme". Warum müssen die Hände sonnenwarm sein, zumal es doch in alten Kirchen- und Klostergemäuern selbst in südlich-heißen Sommern oft erheblich kühl ist?
Und schließlich noch der letzte Vers bzw. das letzte Wort - ich vermute mal, du hängst daran, weil es den Text abrunden soll. Aber es klingt in meinen Ohren einerseits seltsam sperrig, andererseits ist die Wortverbindung von "himmelwärts schweben" nicht gerade unverbraucht, woran auch das zugefügte "-an" für mich wenig ändert. Könntest du dir vorstellen, dieses Wort weg zu lassen und nach "schweben" "Stufe um Stufe" durch einen Zeilenumbruch als Schlussvers abzusetzen?
Liebe Grüße und eine gute Woche,
Herby
Verfasst: 14.01.2008, 10:05
von Gast
Liebe Monika,
es mag sich jetzt merkwürdig ausnehmen, aber ich hatte bereits gestern schon, beim ersten Lesen Gedanken, die jenen Herbys ganz ähnlich sind.
So lese ich heute Morgen seinen Kommentar und kann eigentlich bei jedem Satz nicken.
Ich finde nicht, dass man seine Titel danach suchen sollte, ob der Leser ihn allgemein ohne nachzuschlagen versteht.
Sollte natürlich, das greifen, was Herby fragt, der Text übertragbar sein auch auf andere Abteien, würde ich den Titel ebenfalls allgemeiner fassen.
Da bin ich allerdings dann auch bei einem anderen Punkt, nämlich jener Textzeile in der es heißt, dass die alten Mauern den Betrachter schweben lassen.
Ich glaube, dass dieses „Schweben“ die subjektive Wahrnehmung an einem bestimmten Ort ist, und schlecht allgemein zu übertragen.
Denn am Rande – aber wirklich nur am Rande, der Text steht ja nicht unter „Lyrik und Kultur“, frage ich mich, ob, die Geschichten, die solche alte Mauern zu erzählen hätten, wirklich immer schweben lassen können.
Sagen wir so: man weiß es besser.
Deshalb, so meine ich, ist der Titel, nicht allgemeiner in Worte zu fassen.
Liebe Grüße
Gerda
Verfasst: 14.01.2008, 10:36
von Ylvi
Hallo Scarlett,
ich finde den Titel deshalb gut gewählt, da er den Klang des Gedichtes in sich trägt.
Für mein Lesen sind hier zwei Strophen. Die erste kommt bei der "Zeit" an und ich brauche hier eine kleine (Sprech)pause, um sie wirken zu lassen.
"Ihr Betrachten" scheint mir einen falschen Bezug herzustellen, denn die Steine betrachten ja nicht, sondern LIch. Hier würde ich nochmal überlegen. Mit dem "himmelwärtsan" geht es mir ähnlich wie Herby. Wobei ich mir auch vorstellen könnte, die Strophen umzudrehen, seltsamerweise verändert das für mich das himmelwärtsan, weil ich dann im letzten Vers dieses Ankommen hätte.
So in etwa:
In verblaßten Mosaiken
fugt sich das Leben Stein
an Stein und sie zu betrachten
läßt dich (mich?;-)) schweben
Stufe um Stufe
himmelwärtsan...
Wo sonnenwarme Hände betend
sich formten die Unendlichkeit,
atmen die Mauern noch
Gesänge längst verstummter,
ferner Zeit.
Die sonnenwarmen Hände gefallen mir, da sie das Leben in den kalten Raum/ Mauern zurückbringen. "Fugt sich das Leben Stein an Stein" ist klasse.
Liebe Grüße smile
Verfasst: 14.01.2008, 11:24
von scarlett
Lieber Herby, liebe Gerda, liebe Smile
habt lieben Dank für eure Überlegungen zu meinem Gedicht. Es scheint, dass sie sich im wesentlichen auf zwei (drei) Aspekte bezeihen, die noch nicht klar sind durch die Art, wie ich meine Zeilen gesetzt habe.
Zunächst zur Frage des Titels, ob allgemeiner gehalten oder nicht: ich meine nicht. Ich habe versucht - und da bin ich bereits bei dem "himmelwärtsan"- damit der Architektur von Pomposa irgendwie gerecht zu werden. Das Besondere daran ist nämlich der Campanile, der neben der Kirche auf dem Gelände der Abtei steht. Die KOnstruktion ist dergestalt, dass sie den Blick des Betrachters nämlich förmlich in die Höhe zieht, was natürlich in der Absicht der Baumeister und der Zeit lag- der mächtige, aus Ziegeln gemauerte Bau ist bis zum vierten Stockwerk nur durch einfache Schlitze mit zunehmneder Öffnungsweite durchbrochen; danach werden die Fenster zwei, drei und vierbogig, also immer weiter, bis sich schließlich auf Höhe des Glockenstuhls die Wand auflöst und nur die Eckpfeiler übrig bleiben. Die Krönung des quadratischen Turms bildet eine konische Spitze aus immer kleiner werdenden Ziegeln.
Flächiges neben Hochaufragendem - das versucht auch das Gedicht zu versprachlichen: die Mosaike und die Stufen, die den Blick nach oben ziehen, weiten, weg vom Kalten, Irdischen.
Die "sonnenwarmen" Hände: einerseits wollte ich damit die Gegend anklingen lassen, andererseits auch einen HInweis auf die arbeitenden Hände geben, die nach getaner Arbeit beten und die Wärme von draußen nach drinnen bringen (also so wie smile das gesehen hat).
Auch ging es mir weniger um die Geschichten, Gerda, die die Mauern zu erzählen haben, es ging um das Abgebildete in den Mosaiken, das Leben so, wie es sich die Menschen damals wohl gedacht haben - die Bilder sind es, die den Betrachter in ihren Bann ziehen und mit sich ziehen, wenn wir auch heute diesen "Jenseitsdrang" oder die himmlische Überhöhung sicher nicht mehr so erleben können/wollen.
Dass das "ihr Betrachten" einen falschen Bezug herstellt, ist mir bisher nicht aufgefallen - geht es denn auch den anderen so, dass sie das Betrachten auf die Steine beziehen? Hmm, dann muß ich wohl was verändern, weil das natürlich Schmarrn ist.
Die Idee, smile, die Strophen umzudrehen, hat was- ich überlege ernsthaft, das nach deinem Vorschlag mal zu probieren und ne Weile so auf mich wirken zu lassen.
Einstweilen liebe Grüße an euch alle,
herzlichst
scarlett
P.S. Vielleicht sollte das Gedicht doch in Lyrik und Kultur? Evtl. noch mit einem Bild der Abbazia???
PPs. Übrigens: es war in Pomposa, wo der Benediktinermönch und dann Abt Guido (später bekannt als Guido von Arezzo) die Methode der Notierung der Musik auf Notenlinien schuf, die die Basis des heute noch benutzten Fünfliniensystems bildete.
Verfasst: 14.01.2008, 22:44
von Gast
Liebe Monika,
ich finde du könntest es ruhig mit Foto posten, ganz gleich ob hier oder bei Lyrik und Kultur.
Ein paar Gedanken zum Sprachklang und den Assoziationen, die ich mit dem Lesen dieses Titels verbinde.
Hättest du die Übersetzung "Abtei" gewählt, wäre ich längst nicht so interessiert gewesen, denn ich hätte klösterliches Leben, vielleicht noch einen dicken Mönch in brauer Kutte vor meinem inneren Auge gesehen ... jedenfalls in etwa.
So wurde ich schon ein wenig verführt ...
.gif)
Abbazia, klingt ein wenig fremd, aber auch sehr reizvoll, im Sinne von, mich anziehend. Ein bisschen klingt es nach Ferne und Süden, nach Wärme und vielleicht nach Oliven, Zypressen und nach alten, von der Sonne durchwärmten Steinen.
Ich finde, dass man vieles übersetzen kann, aber manchmal ist es viel, viel besser - u. a. auch bei Ortsnamen, diese in der Original-Sprache zu zitieren.
Dankeschön, dass du uns die Information zur Notenschrift noch gegeben hast.
Das wollte ich dir noch schreiben, nachdem ich mir darüber ein paar Gerdanken gemacht habe.
Liebe Abendgrüße
Gerda
(Kein Titel)
Verfasst: 15.01.2008, 07:14
von Caty
Liebe Scarlett, klar, dass ich dieses Abbazzio nicht kenne. Aber ich habe eine allgemeine Vorstellung von einer Abtei. Dass es sich bei dieser um eine in einem warmen Lande handelt, vermitteln mir die sonnenwarmen Hände. Und dass es sich um ein katholisches Land handelt, ergibt sich für mich aus dem Beten für Unendlichkeit. Und dass es sich nur um Italien handeln kann, vermittelt mir der Titel. Mir gefällt dieses Gedicht. Ich hätte nur den Vorschlag, das "noch" hinter Mauern herauszunehmen. Dieses Schweben von Stufe zu Stufe habe ich einmal selbst erlebt in einer Kirche vor einem riesigen, raffiniert abstrakten Altargemälde, mir war, als ob ich abhöbe, wenn ich längere Zeit darauf blickte. Ich finde es eine gutgewählte Formulierung. Das Gedicht insgesamt, so wie es steht, spricht mich an. Ein bisschen denke ich mir aber noch einen anderen Zeilenbruch. Caty
Verfasst: 15.01.2008, 12:35
von Mucki
Liebe Monika,
ich habe mir gerade einige Bilder der Abtei von Pomposa angesehen. Vor allem der Turm, die Fresken und die Mosaiken sind beeindruckend. Ja, deine Zeilen treffen es gut, sie schaffen eine andächtige Atmosphäre, versetzen mich als Leser in diese Zeit zurück.
Bez. Bezug "ihr Betrachten": ich lese es im Zusammenhang mit den Mosaiken, nicht den Mauern.
Ein gelungenes Gedicht.
Saludos
Mucki
Verfasst: 15.01.2008, 14:35
von scarlett
Liebe Caty,
freut mich, wenn dir das Gedicht ein Bild vor Augen zaubern konnte.
Irgendwie will mir das ohne "noch" nicht so rund erscheinen, rhythmisch gesehen.
Auf deinen Vorschlag zu einem anderen Zeilenumbruch wäre ich gespannt.
Liebe Mucki,
das ist ein wahres Juwel, diese Abtei von Pomposa, gell? Freut mich, dass du - jetzt nachdem du auch Bilder gesehen hast - den Zusammenhang mit meinem Gedicht als gelungen empfindest.
Was den Bezug "ihr Betrachten" anbelangt - ich kann und kann mich nicht entscheiden, das zu ändern, weil ich es auch im Zusammenhang mit den Mosaiken und nicht den Mauern lese. Aber, ich habs ja schließlich auch geschrieben ... *g* und weiß, wie ich es meine. Ich warte damit noch.
Habt lieben Dank ihr beiden für eure Rückmeldungen und liebe Grüße,
Monika
Verfasst: 15.01.2008, 14:42
von scarlett
Liebe Gerda,
entschuldige bitte, jetzt hätt ich dich doch beinahe "vergessen" ...
Es freut mich, dass du so sehr für den Titel im Original plädierst und dafür auch zumindest für mich nachvollziebare Argumente bringst. Bei Pomposa denkt man natürlich vom Klang her sicherlich unweigerlich an "pompös", was diese Abtei dabei keineswegs ist, zumindest nicht im Sinne von groß, mächitg, wuchtig.
Ich such mal unter meinen Urlaubsfotos ein gutes heraus, scanne es und stell es dann dazu. (hoffentlich schaff ich das, ich, der große "Technikfreak" *g*)
Danke, dass du dich nochmal gemeldet hast.
Und wie ist das mit dem Bezug von "ihr Betrachten" für dich?, wenn ich nochmal ganz frech fragen darf???
Liebe Grüße,
Monika
Verfasst: 15.01.2008, 19:34
von Gast
Liebe Monika,
es ist nicht absolut eindeutig (grammatisch). Der Bezug ergibt sich aus dem Sinn.
Ich bin ja sonst immer ziemlich pingelig bei solchen Dingen- mir ist es nicht unangenehm aufgefallen.
Du könntest es aber umgehen, meine ich, dass ein Leser darüber stoplpert, indem du ein wenig änderst.
fugt sich das Leben Stein
an Stein und lässt den Betrachter
schweben Stufe um Stufe
himmelwärtsan
fugt sich das Leben
Stein an Stein
Betrachten läßt
dich schweben Stufe um Stufe
himmelwärtsan ...
Ich habe zum himmelwärtsan bisher geschwiegen, weil andere vor mir dazu bereits Anmerkungen gemacht haben, ich halte für ziemlich unglücklich, ganz besonders am Schluss.
Ich denke nicht, dass du eine generelle Umstellung vornehmen solltest, wie smile sie vorgeschlagen hat, aber eine etwas andere Anordnung, ließe diesem Text mehr Luft.
Mir fällt jetzt, da ich mich intensiver mit deinem Gedicht beschäftige aber auf, dass dieses Schweben "Stufe um Stufe" für mich eine Hemmschwelle ist, da stockt es für mich, weil ich rein gefühlsmäßig dazu tendiere, auch in Gednaken und in die Höhe stufenlos zu schweben.
Du meinst vielleicht, dass der Betrachter hinauf gezogen wird, und dass man ein Gefühl des Abhebens bekommt.
Liebe Grüße
Gerda
Verfasst: 16.01.2008, 11:53
von scarlett
Ja, Gerda, was das Hinaufziehen betrifft, hast du recht, so habe ich es gemeint. Vielleicht ist dann "schweben" doch noch nicht optimal ... Mal sehen, ob mir da noch was Besseres einfällt.
Das "himmelwärts" wird allerdings wohl bleiben ... ob mit oder ohne Umstellung, bei letzterem bin ich mir noch nicht schlüssig.
Das Betrachten bleibt jetzt mal so stehen - in deiner Version ist mir das Ganze zu abgehackt irgendwie, man kommt aus dem Leserhythmus.
Danke dir nochmals herzlich.
LG,
Monika