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Der Poet und das Meer

Verfasst: 28.12.2007, 23:25
von moshe.c
Zweite Version:


Der Poet und das Meer

Der Poet und das Meer
vollziehen Seitensprünge.

Wellen glänzen
nach Stürmen glatt
atmend an der Oberfläche,
der fährenden Schiffe
abtrünnig, kampflos
in den Hafen.

Die Kisten,
die Kranken,
türmen sich achtlos
wartend am Kai.

Mein Friseur
schneidet die Haare,
wie der Bäcker die Brote
der auslaufenden Fischer
ergiebig, wortreich,
mit kleinen Scheren.

Ein Thunfisch,
wie Tripton,
war in den Lippen
als Worte gebunden.

Laute in sich
sich bindend
sind gestreut
über Inseln
und im Meer.

---------------------------------

Erste Version:

Der Poet und das Meer
vollziehen Seitensprünge.

Wellen glänzen
nach Stürmen glatt
atmend an der Oberfläche,
der fährenden Schiffe
abtrünnig, kampflos
in den Hafen.

Die Kisten,
die Kranken
türmen sich achtlos
wartend am Kai.

Mein Friseur
schneidet die Haare,
wie der Bäcker die Brote,
der auslaufenden Fischer
ergiebig, wortreich,
mit den Scheren.

Ein Thunfisch,
wie Tripton
war in den Lippen
als Worte gebunden.

So sind die Laute
in sich bindend,
beim Betrachten, Erfahren
so gestreut
über diese Inseln
und im Meer.


-----------------------------

In der 2. Version

'mit den Scheren'

geändert in

'mit kleinen Scheren'

Verfasst: 29.12.2007, 11:30
von Louisa
Ach, Moshe :smile: ...

Ich beschäftige mich eigentlich immer gerne mit Deinen Arbeiten... Ich glaube das liegt daran, dass Du (wahrscheinlich) versuchst bei veralteten Gedichtmustern die Nähte aufzutrennen und neue Kleider nähst :smile: ... Manchmal wird das Kleid dann untragbar, aber oft gelingt Dir auch ein kleiner genialer Schneiderstreich...

"Der Poet und das Meer" ... wirkt auf mich wie eine Anspielung auf "Der alte Mann und ... " - Wieso das?

Vielleicht wäre ein anderer Titel origineller.

Ich finde "Seitensprünge" sehr spannend im Bezug auf die beiden :smile: ! Meinst Du damit die "Sprünge" des Wassers an Land und die Sprünge des Poeten aus der Wirklichkeit oder meinst Du "Seitensprünge" im Sinne von.... Affairen :smile: ?

Nächste Strophe:

Wellen glänzen
nach Stürmen glatt
atmend an der Oberfläche,
der fährenden Schiffe
abtrünnig, kampflos
in den Hafen.


Die ersten zwei Zeilen sind ok, finde ich. Aber auf mich würde eine kleine Verknappung des ganzen noch eindringlicher wirken, par example:

Wellen glänzen geglättet.
Nach Stürmen atmen sie
an der Oberfläche
fahren abtrünnige Schiffe
kamplos in den Hafen.


Was meinen Sie, Herr Poet?

Ich meine übrigens, dass "abtrünnig" und "kampflos" ("kampflos" schon eher) nicht besonders ausdrucksstarke Adjektive für die Schiffe sind... Da würde sich etwas "menschliches" besser machen, glaube ich. Ja, ich weiß... auch ein Mensch kann "kampflos" sein, aber eben auch eine Schnecke. Deshalb etwas spezifisch Menschliches, vielleicht. Zum Beispiel "Übermüdete Schiffe" oder "Trübsinnige" .... Aber das ist nur eine Idee.

Die folgende Strophe mit den Kisten und den Kranken finde ich super!!! Aber eine kleine Verbindung wäre vielleicht noch effektvoller, also:

Die Kranken
AUF (den) Kisten
türmen sich....


-muss aber nicht sein :smile: ! Ich finde es auch so schon sehr gut!

Jetzt kommt mein Lieblingsabschnitt in diesem Werk :wub: :

Mein Friseur
schneidet die Haare,
wie der Bäcker die Brote,


Bravo :smile: !

Aber dann kann der Rest der Strophe auf Grund der vielen Adjektive (wie zu Anfang) nicht recht mithalten:


der auslaufenden Fischer
ergiebig, wortreich
mit den Scheren.


Es gibt ja gewisse Faustregeln bei guten Gedichten: Kein persönliches Du, keine Wie-Vergleiche und wenig Adjektive :smile: !

Was ist denn "Tripton" :smile: ?

Ach! Ist das Plankton? Wieso schreibst Du dann nicht "Plankton" :smile: ?

IN den Lippen war er :spin2: ? Eher "auf" den Lippen????

Ich mag den Thunfisch. Ich mag das Plankton. Ich mag die Lippen und ich mag die gebundenen Worte.

Was haben sie aber miteinander zu tun :smile: ? Diese Strophe sagt mir jetzt gerade gar nichts :smile: ... Ich kann mir schon etwas denken, aber das ist zu abstrus.

Der letzte Abschnitt hört sich an wie aus einer Predigt :smile: ... "SO SEI ES DENN"

Ich kann ihn gerade auch nicht ganz für voll nehmen... Aber wenn auch dieser verkürzt wäre, würde man es viel besser verstehen und es klänge auch schöner, also:

Als ich betrachtete und
als ich erfuhr, streute
ich die Laute über
diese Inseln und ins Meer.



???

Ist es so gemeint? - Das ist schön. Aber ich verstehe es erst in meiner "Übersetzung" :smile: ...

Ich wünsche hiermit ein angenehmes Wochenende und viel Spaß beim Schneidern!
l.

Verfasst: 29.12.2007, 15:50
von Caty
Lieber Moshe, eine Hafenszene. Du bemühst dich um poetische Bilder, für meine Begriffe geht es aber nicht immer gut mit ihnen. Ein paar Überlegungen meinerseits:

Glatte Wellen gibt es nicht. Entweder Wellen oder keine Wellen. Warum so umständlich "fährende Schiffe"? Fähren würden es auch tun. Oder willst du damit ausdrücken, dass Schiffe, die eigentlich keine Fähren sind, als Fähren eingesetzt werden? Darauf müsstest du dann aber eingehen. Gut finde ich die Verbindung von Kisten und Kranken, die sich am Kai türmen, nicht nur wegen des Stabreims. "Achtlos wartend" empfinde ich aber als Füllsel. Genauso als Füllsel "mit den Scheren", denn dass ein Friseur Haare mit der Schere schneidet, ist eigentlich keine Frage. Interessant das Bild von dem Friseur, der die Haare wie der Bäcker die Brote schneidet - aber wo ist der Zusammenhang? "Wortreich" ist klar, was aber ist gemeint mit "ergiebig" Haare schneiden? Schneidet er Glatze? Für meine Begriffe hinkt der Vergleich, denn Brot wird mit dem Messer o. ä. geschnitten, Haare aber mit der Schere. Worauf beziehst du dich dabei? Die Strophe mit dem Thunfisch erschließt sich mir nicht. Wie kann etwas "in den Lippen ... als Worte" gebunden sein? Das Folgende finde ich auch irgendwie nicht durchsichtig: "So sind die Laute/in sich bindend/beim Betrachten, Erfahren" - (ein zweites Mal "binden") erschließt sich mir inhaltlich nicht, ich komme nicht drauf, was du ausdrücken willst.

Du siehst, ich habe ein paar Fragen, ein paar Hinweise, ein paar Vorschläge.

Caty

Verfasst: 29.12.2007, 18:59
von moshe.c
Liebe Louisa!

Du hast recht damit, daß ich mich derzeit ein wenig mit den Ursprüngen von der Beziehung zwischen Poet und Poesie beschäftige, ja der Poesie selbst, in der etwas Melancholie innewohnt, die in der Umwelt erlebt und gesehen werden kann, wie ich sie in deinen Werken auch immer wieder finde.

Dein Bild zur Schneiderei ist durchaus treffend im Allgemeinen, hier aber im speziellen Fall nicht. Meine Assoziationen haben mit dem 'Alten Mann und das Meer' nichts zu tun, sondern sie stammen aus anderen Quellen:

Da ist zum Einen ein Bekannter von mir, der erste Hornist des Jerusalemer Symphonieorchesters, der sich derzeit in seinen Part zu LA MER von Debussy einarbeitet, zum Anderen meine eigenen Impression von einer Fähre, die zwischen den griechischen Inseln verkehrt, und in der Ferne vielleicht noch der Film 'Alexis Sorbas' mit Anthony Quinn.
Das also die urprünglichen Kleidungsstücke.

Zum Text selbst und zur zweiten Strophe:

Dein Problem, oder meines, ist hier, daß du die Schiffe als zentrales Subjekt hier siehst.
Die Wellen sind es.

Zur nächsten Strophe:

Wenn du einen Hafen einer griechischen Insel vor Augen hast, in die eine Fähre gerade einläuft, so 'türmen' sich da nicht die Kranken auf den Kisten, sondern eher neben ihnen, also gesondert. ( Ein Komma werde ich hinter den Kranken noch einfügen. )

Bei der nächsten Strophe werde ich das Komma hinter 'Brote' entfernen, und ein neues hinter 'Fischer' setzen.
(An Regeln denke ich nie. Du? :eek: )

Nun zu Tripton, hinter dem ich auch noch ein Komma setzen werde: Tripton ist kein Plankton, welches belebt ist (siehe Seston), sondern sozusagen Material, das sich im Meer befindet und den belebten Zustand hinter sich hat.
Vielleicht hilft das zum Verständnis der hier, mit Sicherheit einer nicht einfachen, aber eben doch sehr komprimierten Aussage.

Zur letzten Strophe teile ich nunmehr deine Aversion gegen Predigten, die mir aber fern lag.

Dein Vorschlag ist aktiv, und das wollte ich nicht an dieser Stelle. Es sollte betrachtend bleiben.

Somit ändere ich die letzte Strophe von:

'So sind die Laute
in sich sich bindend,
beim Betrachten, Erfahren
so getreut
über diese Inseln
und im Meer'

zu

'Laute in sich
sich bindend
sind gestreut
über Inseln
und im Meer'

:daumen:

Moshe

wünscht dir alles Gute

Verfasst: 29.12.2007, 19:31
von moshe.c
Liebe Caty!

Du scheinst einen sehr nüchternen Tag zu haben.
Das kenne ich von mir auch. Es geht manchmal so mit einem.
:pfeifen:

So gibt es nicht nur Wellen oder keine. Es gibt eben ganz verschiedene Arten von Wellen: Tsunamis; riesige Wellen mit Gischt; Wellen auf denen man Surfen kann; aufgeregte Wellen im Sturm; Wellen, die nach einem Sturm immer noch aufgregt sind; Wellen, die man als Brandung bezeichnet; usw.; und glatte kleine Wellen, die nur so ganz leicht plätschend am Ufer/Strand landen.

Kennst du das nicht?

Mehr möchte ich da jetzt nicht sagen.

MlG

Moshe