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Mein grünes Kamel

Verfasst: 18.11.2007, 00:01
von Anton
Mein grünes Kamel


Ich habe zu Hause ein grünes Kamel
und sehe doch keine Farbe.

Es steht im Dunkel der Rumpelkiste
seit ich ›Polyplastik‹ sage.

Es tänzelte auf roten Pfoten
– tolle Träumerei bei Licht –
nun trägt es Spinnenseide.

Verloren ist das liebe Wesen. . .
im Spind liegt eine Leiche.

O Seelenzauber führe mich
– ich rieb dich an mir stumpf –
auf einem grünen Wüstenschiff
mich wieder zur Oase.

Verfasst: 18.11.2007, 10:40
von Elsa
Hallo Anton,

Also ich finde das sehr zauberhaft! Wachgewordene Kindheit durch ein grünes Plastikkamel.

Die einzige Zeile, die mir nicht so gefällt: O Seelenzauber führe mich
Das erscheint mir als Registersprung, der mich aus dem Text raushaut.
Vielleicht zu romantisch? Weiß ich nicht.

Vielleicht etwas in der Art:

Entführe mich noch einmal
– ich rieb dich an mir stumpf –
auf einem grünen Wüstenschiff
zurück in die Oase


Sehr gern gelesen und mitgeträumt (bei mir war es ein roter Drache :-) )

ELsa

Verfasst: 18.11.2007, 11:50
von Max
Lieber Anton,

ich habe Schwierigkeiten den humoristischen Aspekt bei Deinen Zeilen zu erkennen.

Als Kindheitsgedicht fände ich es annehmbar, würde dann aber beinahe für das komlette Fortlassen der letzten Strophe plädieren, enthielte sie nicht (leider ;-) )die beste Zeile des Gedichts:

– ich rieb dich an mir stumpf –



Liebe Grüße
Max

Verfasst: 18.11.2007, 11:58
von Jürgen
Lieber Anton,

die Idee gefällt mir und die Umsetzung in weiten Teilen auch.


Verloren ist das liebe Wesen. . .
im Dunkeln liegt 'ne Leiche.


Schön formuliert. Braucht´s wirklich die drei Pünktchen?

O Seelenzauber führe mich
– ich rieb dich an mir stumpf –
auf einem grünen Wüstenschiff
mich wieder zur Oase.


Die Stelle finde ich gerade wegen dem Bruch in Sprache und Inhalt gut.
Ich habe zu Hause ein grünes Kamel
und sehe doch keine Farbe.


Das ist die einzige Stelle, die sich mir sperrt. Warum keine Farbe? Nur weil das Kamel in der Rumpelkiste, also im Dunkeln, liegt?

Schönen Sonntag

Jürgen

Verfasst: 18.11.2007, 13:52
von Zefira
Nur sicherheitshalber - ich denke, das gehört dazu:
Mein blaues Klavier
Mal interessehalber, bin ich die einzige, die das kennt, oder haben alle anderen, die sich bisher geäußert haben, dieses Gedicht schon bei ihren Stellungnahmen im Hinterkopf?

Leicht befremdeten Gruß
Zefira

Verfasst: 18.11.2007, 14:47
von Max
Liebe Zefi,

das ist - selbst wenn es nicht dazu gehören sollte - ein sehr schöner Hinweis. ich kannte es nicht ...


Liebe Grüße
Max

Verfasst: 18.11.2007, 14:48
von Jürgen
Hi Zefi,

nein, das kannte ich auch nicht.

Schönen Sonntag

Jürgen

Verfasst: 18.11.2007, 16:46
von Sabine
Nicht besonders originell, den Text einer bekannten Lyrikerin zu nehmen und nur ein paar Worte durch eigene zu ersetzen.

Fragende Grüße
Sabine

Verfasst: 18.11.2007, 19:05
von Jürgen
Hallo nochmal,

da wird irgendein Sinn, irgendeine Absicht stecken, aber welche erschließt sich mir nicht. Klavier - Kamel, Hmmm...

Gruß

Jürgen

Verfasst: 19.11.2007, 00:44
von Anton
Liebe Elsa,

"O Seelenzauber führe mich"

das Kamel ist tot, es gibt, für das lyr. Ich, kein zurück - diese Aussichtslosigkeit des Wunsches wollte ich verdeutlichen. "Entführe mich noch einmal/.../zurück in die Oase" ist, glaube ich, zu bestimmend, nicht 'wehleidig' genug?


Lieber Max,

jetzt hast Du ein sehr schönes Gedicht kennengelernt!


Lieber Jürgen,

das Gedicht ist absichtslos. Verliert/Gewinnt es mit dem Klavier-Bezug?


Liebe Sabine,

den Text einer unbekannten Lyrikerin zu nehmen, ist nicht möglich. Zudem sind nicht nur die Worte ersetzt, schlägt es nicht auch inhaltlich eine andere Richtung ein?


Dank Euch fürs Lesen, auch Zefira,

eine schöne Woche,
Anton

Verfasst: 19.11.2007, 08:23
von Louisa
Hallo Anton!
Sabine hat nicht Unrecht :smile: . Sie schrieb übrigens auch nicht „unbekannte“ Dichterin… Aber egal.

Vielleicht können wir einmal die Vorlage ins Gedächtnis rufen:

Mein blaues Klavier

Ich habe zu Hause ein blaues Klavier
Und kenne doch keine Note.
Es steht im Dunkel der Kellertür,
Seitdem die Welt verrohte.

Es spielten Sternenhände vier
Die Mondfrau sang im Boote
Nun tanzen die Ratten im Geklirr.

Zerbrochen ist die Klaviatur
Ich beweine die blaue Tote.
Ach liebe Engel öffnet mir
Ich aß vom bitteren Brote
Mir lebend schon die Himmelstür
Auch wider dem Verbote.

Else Lasker - Schüler



- Ich finde das hier oben ziemlich genial und bitter. Bitter, weil es dieselbe verträumte liebevolle Bildersprache wie in allen von Else-Lasker Schülers Gedichten ist, das Thema aber ihr Leben als Jüdin in Deutschland und die damit verbundenen Schikanen behandelt. Ich habe keine Interpretation gelesen, aber ich denke mir, dass es sich unter Anderem auch darum dreht.
In jedem Fall spürt man ihre innere Zerrissenheit, Einsamkeit und Verzweiflung, die mich sehr berührt-

Nun frage ich mich bei Deinem Gedicht:

Wieso nimmt man ein derartiges Werk als Vorlage und formt (im Vergleich gesehen!!!) stümperhaft ein paar Worte um, die am Ende nur schwerlich einen inneren Zusammenhang bilden?

Zum Beispiel das hier:

Es steht im Dunkel der Rumpelkiste
seit ich ›Polyplastik‹ sage.


Was soll das denn :smile: ?

Da ich keinen Zusammenhang erkenne, kann ich auch nicht darüber lachen. Ich verstehe auch nicht wieso man über die simple Umformung eines Gedichtes der Verzweiflung lachen soll. Dafür ist es einfach nicht schwarzhumorig genug, es hat für mich keine klare Idee außer eben dieses „grüne Kamel“, dass mir auch gefällt, aber nicht so.

Dein Gedicht hätte mir gefallen, wenn Du Deine Ideen in eine andere Form gegossen hättest.
So merkt man sofort, dass es sich um eine „Umdichtung“ handelt. Das war auch Deine Absicht, aber ich verstehe nicht weshalb.

Geht es um ein Veralbern? Man kommt nämlich leicht auf den Gedanken. Deshalb wird meistens „umgedichtet“, denke ich. Dann ist es aber grottenschlecht.
Ich verstehe einfach nicht wieso Du diese Form gewählt hast, die noch erkennbar macht, was Deine Inspirationsquelle war.

Die letzte Strophe ist vom Gehalt her nämlich ganz schön. Ich finde die einzelnen Verse auch ganz niedlich, aber man muss es – wenn Du es so schreibst – immer im Vergleich sehen und dieser Vergleich bringt das Gedicht wirklich um :smile:
Ich würde mir die Form also noch mal durch den Kopf gehen lassen.
Dann könnte es mir gefallen, wenn es wirklich etwas eigenes, neues wird und die schönen Bilder vielleicht einen größeren Sinnzusammenhang bekämen. Vergleich einmal Deine Bilder mit Lasker- Schülers. Ihre Bilder beziehen sich aufeinander, obwohl die Worte aus so unterschiedlichen Feldern kommen wie Dein Plastik und die Rumpekiste- Bei ihr entfacht es aber neue geistige Welten, bei Dir entfacht es ein „Hä?“ :smile:
So ist es eine schlechte Umwandlung. Pardon!
Denn eigentlich mag ich bunte Tiere. Es tut mir eigentlich Leid.

Schönen Montag!

Ein höchst empfindlicher Lasker-Schüler-Fan :smile:

Verfasst: 19.11.2007, 09:10
von Zefira
Es steht im Dunkel der Rumpelkiste
seit ich ›Polyplastik‹ sage.


Polyplastik ist laut Wikipedia einer der Handelsnamen für Polyoxymethylen, das sich durch "Festigkeit, Härte und Steifigkeit in einem weiten Temperaturbereich" auszeichnet. "Es behält seine hohe Zähigkeit bis -40°C, weist eine hohe Abriebfestigkeit, einen niedrigen Reibungskoeffizient, hohe Wärmeformbeständigkeit, gute elektrische und dielektrische Eigenschaften, sowie eine geringe Wasseraufnahme auf. Die Eigenfarbe ist wegen der hohen Kristallinität opak weiß, aber das Material ist in allen Farben gedeckt einfärbbar."
(Quelle: POM)

Man könnte also denken, dass das angesprochene grüne Kamel aus diesem Zeug besteht (wenn auch die Eigenschaft "gedeckt einfärbbar" eher dagegen spricht, aber nehmen wir's mal so an). Ich deute die beiden Zeilen als Verlust der kindlichen Phantasiewelt durch Rationalisierung des Spielmaterials.

So.

Aber die Nennung des Gedichts von Elke Lasker-Schüler, als Schöpferin der Struktur, hätte für mich ins Eingangspost gehört. Ganz klar.

Kamelgruß!

Verfasst: 19.11.2007, 11:43
von Elsa
Hallo Anton, alle,

mir war der Bezug zum Klavier nicht klar.

Hast du es bezogen, Anton? Das geht aus deinen Antworten nicht hervor :frage:

Fragende Grüße,
ELsa

(Kein Titel)

Verfasst: 19.11.2007, 12:52
von Anton
Hallo Ihr,

es handelte sich um ein grünes Plastikkamel.

Eine Annäherung an Lasker-Schülers 'Klavier', und vielleicht in dieser Kategorie nicht richtig aufgehoben(s. Max), ein trauriges Gedicht, jedenfalls empfinde ich es so.

Ich werd's überarbeiten.

Grüße,
Anton