im moment

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 18.10.2007, 21:26

im moment

hängen meine wolken
über einen grün-streifen
und wenig gold-licht

keine worte mehr
kein auge in auge
kein kind

du redest weiter
so lässig
am firmament
und hast keine ohren
wie mein fernseher

nur nebel
für jede jahreszeit

selbst blaubeeren
werden wir nicht mehr
pflücken

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 26.11.2007, 12:29

Lieber moshe,

diesen Text finde ich in seinem freien Gestus gelungen.
jemand geht über die Straße, jemand sitzt vorm Flackern des Fernsehers und fühlt und mit einem Du spricht, dass mal ein ganz nahes Du meint (ebenso klein wie das Ich selbst) und einmal ein ganz fernes (ein etwas größeres) - das Kind ist ihm abhanden gekommen (im Sinne eines Blickes für den anderen, beides ist konkret gemeint). So lese ich den Text. Die Doppelbezüge der Zeilen finde ich in diesem Arrangement (siehe Firmament) gelungen).


Kleine Fragezeichen:

Ich frage mich, weshalb du zweimal den Bindestrich verwendest, den könnte ich mir auch fortdenken?
Und dann frage ich mich noch, ob du nicht "über einem grünstreifen meinst (das ist bei näherer Betrachtung kompliziert)
das "auge in auge" kommt mir für die freie Sprache etwas zu mächtig daher, zu biblisch (ich will nicht das biblische aus dem text fortwissen, sondern diesen explziten Verweis). (auch wenn es - wohl unbeabsichtigt?) eine interessante Neudeutung des "aug in aug" ist.)
die blaubeerenstrophe ist nett, aber im Grunde beitet sie nichts Neues? Ich könnte mir auch vorstellen den text mit dem Fernseher enden zu lassen.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 26.11.2007, 16:09

Hallo moshe,

das gefällt mir gut!

Ich würde auf keinen Fall die Blaubeeren rausnehmen. Auch nicht "auge in auge" umformulieren. IN der Bibel steht doch auch "Auge UM Auge"? Und dann kommen noch die Zähne - der Ausdruck Auge in Auge lässt noch andere Assoziationen als die Bibel zu, finde ich, und scheint mir auch mehr oder weniger geläufig, als Umschreibung für Verliebtsein, am Anfang, wo man nicht aufhören kann, in den Augen des anderen zu lesen, zu baden... Dieses Gedicht hier hingegen steht am Ende einer Liebe, oder?

Die Ohren des Fernsehers... da musste ich grübeln. Aber nun meine ich halbwegs zu verstehen.

Es ist ein trauriges Gedicht. Und ich verstehe nicht, warum "selbst" Blaubeerenpflücken nicht mehr geht. Aber ich nehme an, dass es etwas Persönliches ist: Vielleicht war Blaubeerenpflücken Arbeit und wegen der Mücken eine unangenehme Pflicht? (Zum Beispiel.)

Ich denke da auch an dieses Buch, Hänschen im Blaubeerenwald. Die Blaubeeren haben mit den Jahreszeiten im Gedicht zu tun, Blaubeeren werden doch im Spätsommer reif, oder? Ich blicke es nicht ganz, aber es wirkt stimmig.

Grüße
Klara

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 27.11.2007, 18:25

Hallo ihr......!

Es handelt sich um einen Text, der versucht eine Krise in einer Liebe, in einer Beziehung, zu beschreiben, bei der es im Lyr-Ich zumindest zu einer Überlegung einer Trennung kommt.
Das Paar hat ein Kind und natürlich auch Gemeinsamkeiten, die integraler Bestandteil der Beziehung sind, wie das Blaubeerpflücken.

Liebe Lisa!

Die Bindestriche sollen andeuten, daß es sowohl andere Streifen, als auch anderes Licht, gibt.
Wie Klara richtig erkannt hat, ist hier garnichts Biblisches im Spiel, sondern der Kern einer Liebe/Beziehung. Wenn man sich nahe ist, so ist man 'Auge in Auge'. Niemanden sonst schaut man so tief in die Augen, wie seinem/r Liebespartner/in. (Jedenfalls ist das bei mir so.)

Liebe Klara!

Ein trauriges Gedicht ist es eigentlich nicht, denn der Titel sagt, daß es sich um einen Moment handelt. Momente gehen vorbei und Krisen in Beziehungen gibt es immer.
Es wird hier nicht vom Ende einer Liebe geschrieben und alles deutet doch auf eine große Nähe hin. Krisen können eine Liebe festigen!

So long

mit bestem Gruß und Dank

Moshe


:smile:


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