Liebe Elsa,
danke für deine Antwort, durch sie habe ich mich dem Text angenähert, vor allem dem Daunen/Wassermotiv - ich habe jetzt auch das Ende stärker darauf betont und mir erscheint es zwar etwas wie eine Dopplung (denn das Wassermotiv, das Sehnsuchtsmotiv hat ja schon eien sexuelle Komponente, das Bettmotiv fügt eigentlich dadurch keine neue Ebene mehr hinzu?), aber ich finde es jetzt in sich gesichert und kann deine Motivation nachvollziehen.
Bei Brecht vergisst Gott die Ertrunkene, bei mir vergisst der Mann um die Frau zu kämpfen. Aus Feigheit, sich mit ihrer übergroßen Liebessehnsucht auseinanderzusetzen?
Na ja ~ das:
bei mir vergisst der Mann um die Frau zu kämpfen. ist/war ja genau der Punkt des Ophelia/Wasserleichenmotivs - das der Mann auf die Frau vergisst, im absoluten oder tastächlichen Sinn der Ansprüche der Liebe (aus welchen Gründen auch immer). Das Motiv hat genau diesen Aspekt thematisiert, einen Prozess durchlaufen und an dessen Ende hat Brecht das Motiv verabschiedet (indem der (Dichter)gott auf das Motiv vergisst). Wenn du dann jetzt wieder damit anknüpfst, dass der Mann auf sie vergisst, machst du nichts neues anderes, sondern springst wieder vor Brecht (knüpfst also weder an Brecht an, noch machst etwas ganz anderes, neues damit, sondenr wiederholst nur etwas, was jemand anders gerade infragegestellt hat) - und da denke ich, dass man diesen Schritt nicht gehen kann, ohne eine Referenz mitzugeben?
Das "ich kann nicht" finde ich auf jeden Fall besser als das vorherige "leider", fast könnte mir der Ausruf noch konkreter verweisen (warum kann er nicht? es ist leicht eine Figur einfach behaupten zu lassen, sie kann nicht, wie es im Märchen einfach ist, böse und gut klar zu verteilen, es wäre vielleicht reizvoll noch den Grund, warum er nicht kann in Form einer Ahnung in seinen Ausruf mithineinzugestalten, was aber nicht heißen soll, dass das analytisch erklärt werden soll, das kann ganz poetisch weitläufig geschehen über Assoziation und Bildkraft. Es lohnt sich hier vielleicht auch die Männergestalten des Motivs anzuschauen, die es gibt. Zum Beispiel beim parallelen Undinemotiv von Fouque und vielen anderen, was ja auch die Bachmann in ihrem Text wieder verabschiedet, weil es unmenschlich (nicht im moralischen Sinne) ist, lehtn sie sich an den Namen "Hans" an und rückt so die männliche Figur in einen bekannten Kontext, aus dem man ableiten kann, warum denn der Mann nicht kann, was Undine möchte. Hier in deinem Text wird vom Leser verlangt, dass man einfach ohne Frage hinnimmt, dass der Mann nicht fähig ist, der Frau bzw. ihren Wünschen gerecht zu werden - das macht man "gerne", weil durch die Tradition das Thema bekannt ist und sofort konsumiert werden kann: die sehnsüchtige Frau und der unfähige Mann, aber da keine Gründe mitgeliefert werden und deine lyr. Figuren exemplarisch bleiben und nicht individuell, muss man zustimmen, obwohgl es eigentlich keine Begründung gibt -
ich erwarte da eigentlich zumindest einen Gegentext - wo es vielleicht umgekehrt ist, die Frau dem Mann nicht gerecht werden kann oder der Mann der Frau gerecht wird und die Frau es nicht annehmen kann etc. -- denn das Verhältnis sehnsüchtige Frau/unfähiger Mann ist ja kein Verhältnis an sich (oder vertrittst du diese these? (in meinen augen sind mann und frau beide gleich unfähig und gleich sehnsüchtig, es kommt dann auf die einzelkonstellation (in abhängigkeit der gesellschaft etc. natürlich))). In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass es doch eine interessante (und in meinen Augen damit auf Brecht referierende!) Variante wäre, das Roillenverhältnis einfach umzudrehen und so mit der kulturellen Konditionierung zu spielen:
/als sie ertrunken war
in den flüssen – b.b – /
als er ertrunken war
in den flüssen
sah er sie an – sagte:
bleib
nichts gutes versprach ihr
mund – wundgeküsst durchschnitt
ein „ich kann nicht“ die süße
getränkte luft
und er tauchte ab
zwischen daunen – erstickte
seine sehnsucht und still wurde es
Man könnte das sicher sprachlich dann noch mehr zupassen, ich fände das aber eine spannende Idee. Das Opheliamotiv für Frauen ist verabschiedet, aber es ist - entgegen Brecht doch noch nicht durch, denn umgekehrt wurde es noch nicht....---hm?
Ich weiß, das ist viel Gedankenexperiment und wohl eher mein Stil, als das, was du mit dem Text möchtest - ich hoffe, ich durfte trotzdem mal jonglieren.
Übrigens finde ich sehrwohl, dass die Welt solch einen Gedichtband braucht, ich liebe solche Dialoge zwischen Texten. Aber natürlich hast du recht, dass die Verlage es sich da schwer tun .-(. ..leider.
Liebe Grüße,
Lisa