vorwärts!

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Peter

Beitragvon Peter » 09.08.2007, 00:31

dass meine adern
der rechten hand
ein herz zeichneten
(das war ich)

der rest?
ein hochhaus
mit verrückten fenstern
















--

für fräulein s.

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.08.2007, 10:46

Hallo Peter!

Also ich muss einmal vorwegnehmen, dass ich finde Deine leicht schrägen Wortzusammensetzungen besitzen manchmal viel künstlerisches Empfinden. Das will sagen, ich mag Deine Texte :smile: und weiß gar nicht, ob ich so gut beurteilen kann, was Kunst ist und was nicht.

Ich komme zu diesem Text ;-) :

dass meine adern
der rechten hand
ein herz zeichneten


-Das finde ich eine ganz großartige, vielleicht ein bisschen surealistische Beobachtung!

Ich verstehe nicht wieso es danach noch braucht:

(das war ich)


-Denn das ist klar.

Nun kommt die zweite Strophe, die ich leider kaum mit dem Titel in Verbindung setzen kann, aber das ist auch nicht sooo wichtig. Ich finde nur das Wort "verrückt" als Beschreibung für die Hochhausfenster sehr blass. Leider.

Diese "verrückten Fenster" können nicht mit der Ader mithalten und eigentlich, so glaube ich, müsste der Schluss ja den Anfang übertrumpfen oder zumindest ebenbürtig sein, was den Gehalt angeht.

Da würde ich also noch einmal feilen und vielleicht auch versuchen eine ganz kleine Verbindung zwischen der Hand und dem Hochhaus zu schaffen. Oder zwischen dem "Vorwärts" und dem Haus.

Auf jeden Fall keine "verrückten" Fenster für mich.

Durch den Titel, die kleine Widmung und das Herz bin ich geneigt das als kleines Liebesgedicht zu lesen von einem Menschen, der sich nicht traut seine unbändigen Gefühle an die Frau zu bringen.

Deshalb die Selbstaufforderung: "Vorwärts!" , dachte ich mir.

Das finde ich aber nicht so schön... "Vorwärts!" hat für mich einen Nachgeschmack von Doktor-Sommer-Tipp.

...und ich finde die erste Strophe ist weitaus reifer.

Insgesamt also ein gutes Gedicht, finde ich!

Schöne Woche!
l

Peter

Beitragvon Peter » 09.08.2007, 13:21

Liebe Lou,

deine Zweifel an der zweiten Strophe sind natürlich berechtigt, aber wenn ich genauer hinsehe, scheinen sie mir bald die sehr richtige Interpretation des Gedichtes. Die fragst z.B. nach dem Zusammenhang zwischen der Hand und dem Hochhaus - das Gedicht fragt das auch. "Diese 'verrückten' Fenster können nicht mit der Ader mithalten ..." - das ist es. Der Schluss müsste den Anfang übertrumpfen - genau, aber so ist es eben nie? der Schluss ist immer ver(-)rückt.

Es scheint um das Schreiben, um die Worte zu gehen, sie kommen aus diesem Adernströmen, das die Hand lebendig hält, gehen aber über in einen Schwindel. Texte als verrückte Fenster, durch die man in großer Höhe das Nahe, Wohnliche sieht. Und dann der Impetus "vorwärts!", wie könnte man anders schreiben, als vorwärts? (Jedenfalls mit der Schrift, die wir haben.)

So scheint mir das Gedicht im Allgemeinen, sein Anlass ist aber ein besonderer, und wäre so nochmal zu deuten.

Liebe Grüße,
Peter

Gast

Beitragvon Gast » 09.08.2007, 13:58

Lieber Peter,

ein Mensch schreibt, ein Rechtshänder mit Herz. (Das Herz auf dem rechten Fleck haben). Das Bild finde ich gelungen, merkwürdig, dass ich es noch nirgends las, es liegt doch nahe, ich meine so, wie du es mit den Adern beschreibst.
Sein Herzblut fließt durch seine Hand hinein in die Zeichen, die er aufs Papier schreibt und immer weiter und weiter schreibt er, um dann zu erkennen, dass je mehr er schreibt, er desto weniger weiß ... die Fenster füllen sich nicht, sie gähnen ihn an in ihrer verrückten Leere ...
Das Schreiben wird zur lebensaufgabe, er kommt mit dem Schreiben nicht nach. Man wird nie fertig damit.
Und eigentlich ist es wohl so, dass das Schreiben selbst einen nicht loslässt und so schreibt man fort und fort und fort und doch bleiben leere Fenster ...
Vielleicht gelingt es mit ein wenig Glück, manchmal an guten Tagen eine Fensterscheibe auszumalen ...

So lese ich dein Kurzgedicht.

Liebe Grüße
Gerda
Zuletzt geändert von Gast am 09.08.2007, 17:43, insgesamt 1-mal geändert.

Anna

Beitragvon Anna » 09.08.2007, 14:02

Hallo,

Ich finde das Gedicht schön und ich lese in den beiden Teilen einen Kontrast zwischen einer besonderen Situation, einem individuellen Gefühl einerseits und der Anonymität andererseits. Ich mag auch das Bild der „verrückten Fenster“, da dadurch der Charakter des Hochhauses komplett verändert wird und es eben dann doch nicht mehr allgemein erscheint, sondern eine Verbindung zieht zu individueller Wahrnehmung.
Zu dem Titel habe ich keine so rechte Meinung; als Aufforderungscharakter fände ich es etwas langweilig und es spiegelt so gar nicht die Bildhaftigkeit des Gedichtes wider.

Bis dann,
Anna

Niko

Beitragvon Niko » 09.08.2007, 16:39

liebe louisa (und natürlich :Hallo Peter!!!)!
vielleicht wollte peter mit dieser klammer (das war ich) nicht erwähnen, dass die hand ihm gehört, die dies zeichnete, sondern dass die hand das herz malte. und lyrich ist dieses herz. so lese ich das jedenfalls...
der rest - also alles andere als dieses herz, in dem sich lyrich sah (das WAR ich) ist -obschon greifbarer als das bild der ersten strophe - doch eigentlich das surrealere der beiden. verrückt im sinne von verschoben. aber auch (ich hoffe, peter meint beides) verrückt im sinne von durchgeknallt. ein lebens"wahn", der am leben vorbeizielt......
sehr klein und gebündelt philosophisch fast.....
der titel ist mir eine dringliche aufforderung in diesem zwiespältigen sein. aber es stellt sich dann die frage: wo ist vorwärts?

lieben gruß: Niko


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