Fixationspunkt

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 01.08.2007, 08:12

Fixationspunkt

Nachmittags lese ich die Gedichte
Der Frau K. aus dem kanalreichen Venetien
Wenn die Sonne nicht mehr senkrecht über den
Häusern steht auf dem Boden liegend sinniere ich
Über einen brennenden Vers meine Augen verharren
Auf einem Wort das mich fremd anblickt
Wegschwimmen will beladen mit Rätseln ich muss
Und muss hinter die Buchstaben dringen will ich
Die schönen Paläste der Wörter erfühlen
Vorm Fenster erheben die einheimischen
Straßenvögel seltsames Geschrei wildgeratene Hunde
Werden derzeiten ausgeführt jagen eine
Rotte Spatzen hinauf auf die Flachdächer mein
Augenwinkel funktioniert vorzüglich aber
So fern alles Leben das mich herausfordern will
Niemandsland jenseits meiner Mauern ich
Höre Kreischen Gebell Anruf und höre sie nicht
Das schreckstarre Wort sperrt mich ein, sticht
Ein venezianisches Stilett
Ach ins ersaufende zinnoberrote Herzauge

Perry

Beitragvon Perry » 01.08.2007, 11:20

Hallo Caty,
ja manchmal kann man sich ganz schön festbeißen an der Bedeutung eines Wortes, gerade in lyrischen Zusammenhängen. Es gefällt mir gut, wie du die Umgebungsbilder in die Gedanken eingewebt hast.
Mit folgenden Passagen habe ich jedoch ein wenig Probleme:
"Der Frau K. aus dem kanalreichen Venetien" Wozu soll die Andeutung des Namens gut sein (Rätselraten?) und ist wirklich die ganze Region Venetien kanalreich oder doch nur Venedig?
"eine Rotte Spatzen" Den Begriff kenne ich bei Wildschweinen, bei Vögel doch wohl eher eine Schar.
Der Schluss ist dann das Glanzstück des Textes:
"Ein venezianisches Stilett / Ach ins ersaufende zinnoberrote Herzauge" obwohl ich dabei auf das "Ach ersaufende" gerne verzichten könnte.
LG
Manfred

Nihil

Beitragvon Nihil » 01.08.2007, 11:38

.. ich fische mir eine Zeile aus dem Gedicht und schon hören Sie sich an wie Meister Yoda, Madame .. ;-)

"Wegschwimmen will beladen mit Rätseln ich muss"


LG

Nihil

Caty

Beitragvon Caty » 01.08.2007, 18:11

Lieber Perry, zu deinen Einwürfen:

Frau K. ist offensichtlich eine Lyrikerin, deren Namen ich nicht nennen will. Nein, sicher ist nicht der Veneto kanalreich, sondern Venedig, aber es ist Teil des Venetos. Venetien ist eingedeutscht der Name für Venedig und Umgebung.

Ob Schar oder Rotte oder Ansammlung - mir scheint es egal. Es muss nicht alles immer "fachgerecht stimmen" in einem Gedicht, nicht bei solchen Marginalien. Rotte erschien mir interessanter als Schar, dieser Begriff ist der erwartete. Die kleine Überraschung schadet nicht.

Ich kann nicht auf diese beiden Verse verzichten. Sie sind der Schluss des Gedichts. Ersaufend - das ist eine Anspielung auf die die wasserreiche Gegend, andererseits kann man auch im Blut "ersaufen". Ertrinken erschien mir zu harmlos.

Hab Dank fürs Durcharbeiten des Textes, Perry.

Herzlich Caty

Caty

Beitragvon Caty » 01.08.2007, 18:21

Monsieur Nihil,

erklär mir doch mal, wer "Meister Yoda" ist. Mir hat sich der Herr noch nicht vorgestellt.

Tu mir bitte einen Gefallen: Sprich hier nicht das Enjambement an, wir haben darüber des langen und breiten diskutiert. Es müsste eigentlich alles klar sein, zumal es hier auch schon von anderen Schreibern eingesetzt wurde. Nur so viel: Das Enjambement ist ein bewusster Zeilenbruch gegen den Sinn, im Unterschied zum Zeilenbruch mit dem Sinn.

Da bin ich jetzt aber gespannt, worauf du anspielst.

Herzlich Caty

Perry

Beitragvon Perry » 01.08.2007, 19:25

Hallo Caty,
du scheinst eine interessante Einstellung zum Gedichteschreiben zu haben. Da werde ich künftig wohl etwas lockerer darüberlesen. :smile:
LG
Manfred

Caty

Beitragvon Caty » 02.08.2007, 16:51

Verstehe ich nicht, Perry. Wie meinst du das? Caty

Klara
Beiträge: 4540
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 02.08.2007, 17:41

Hallo Caty,

ein starker Text.

(Wäre nicht "meine Augen verharren AN - oder BEI - einem Wort" besser? Ich weiß es selbst nicht, ich frage, AUF kommt mir seltsam vor, lässt mich stocken)

Gemein, dass man nicht erfährt, um welches Wort es sich handelt.
Gemein und gut .-)

Klara

Perry

Beitragvon Perry » 02.08.2007, 17:55

Hallo Caty,
Begriffe oder Bezeichnungen zu verfremden ist ein lyrisch durchaus übliches Stilmittel, wenn es zum Inhalt passt bzw. der Aussage dienlich ist.
Ich sah bei den Spatzen dafür lediglich keine Notwendigkeit.
LG
Manfred

Caty

Beitragvon Caty » 04.08.2007, 06:50

Liebe Klara, ja mit den Präpositionen gibt es immer Schwierigkeiten. Ich denke, die von dir vorgeschlagenen sind durchaus richtig, aber "auf" halte ich auch nicht für falsch. Aber ich sehe es mir noch einmal an, wenn ich überarbeite.

Dass ich das Wort nicht benenne, ist klar. Interessant ist ja auch nicht das Wort selbst, sondern der Vorgang des Lesens von Gedichten. Überhaupt, ich glaube, dass das Lesen von Gedichten am Computer der Tod jedes Gedichtes ist. Man nimmt sich doch überhaupt nicht die wirklich nötige Zeit, auch wenn man sich bemüht, nicht drüber wegzulesen. Manchmal lese ich einen Text unzählige Male, und am Ende übersehe ich immer noch was.

Danke, Klara, für deinen netten Kommentar.

Herzlich Caty

Caty

Beitragvon Caty » 04.08.2007, 06:55

Perry, die Spatzen sind nicht verfremdet. Wenn ich das Wort "Rotte" benutze statt "Schar", so spiele ich auch darauf an, dass es "Straßenkinder" sind. Da ist also nichts verfremdet.

Herzlich Caty


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