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Scherbenhorst
Verfasst: 13.07.2007, 20:01
von Chiquita
Scherbenhorst
Die Sprache klebt
am Vergessen
Scherbenhorst verliebt sich
in Margitta, die Schöne
Das Bellen des Mondes klingt
heiser
Meine Venen bluten
Die Stadt
treibt unter blauen Segeln
durch den Tag
Augen trinken Licht
Ich weiß, daß ich heute
nicht sterbe
Ich starb gestern
13.07.07
Verfasst: 14.07.2007, 08:32
von Kird
Guten Tag,
da heult Mann den Mond an.
Scherbenhorst
find ich gut.
Margitta,
würde ich auch ohne Schöne, schön finden.
Blutende Venen,
will mir nicht recht erscheinen.
LG
K.
Verfasst: 14.07.2007, 08:35
von Niko
hallo banane!
also ein bellender mond will mir nicht in meine evtl einfältige denkstruktur. "sprache klebt am vergessen" gefällt mir dagegen bedingt. beim "mondbellen" nutzt du ein abstraktes bild. und ich frage mich, warum du es dann anfangs bei einem schnöden "vergessen" belässt. dieser block hier:
Meine Venen bluten
Die Stadt
treibt unter blauen Segeln
durch den Tag
Augen trinken Licht
gefällt mir am besten. der schluss ist mir ein wenig zu effektheischend.
lieben gruß: Niko
Verfasst: 14.07.2007, 08:45
von Nihil
Ich finde im Scherbenhorst ist Melodie drin und mir gefiel es auf Anhieb gut .. viele Gedichte stolpern so vor sich hin, das tut der Scherbenhorst nicht durch sein melodisches Moment, das alles zu einem Ganzen verbindet. Und davon abgesehen ist allein schon "Margitta" ein bezaubernder Frauenname ..
LG
Nihil
Verfasst: 14.07.2007, 10:15
von Caty
Lieber Chiquita, der Scherbenhorst ist nicht lustig, er ist ein unwürdiger Nachfolger. Ich finde das Gedicht beeindruckend, und zwar deshalb, weil ich zwischen den Zeilen eine große Traurigkeit lese. Bestätigt wird dies durch die letzten drei Verse, ein bisschen scheint es mir, dass das Gedicht nur ihretwegen geschrieben wurde. Ob es da eine Eifersuchtsgeschichte zwischen LyrIch und Scherbenhorst gibt, berührt wenig, vielleicht ist sie der Strohhalm, der die Karre ins Wanken bringt. Scheinbar ist sie nur der Anlass für das Gedicht, der wirkliche Anlass verbirgt sich dahinter. Schade, die Bilder, die du benutzt, finde ich nicht so sehr überraschend: blutende Venen, die blauen Segel der Stadt, Licht trinkende Augen - obwohl sie gut sind, aber sie sind schon etwas abgenutzt. Trotzdem, das Gedicht beeindruckt mich. Herzlich Caty
Verfasst: 14.07.2007, 13:02
von Chiquita
hallo liebe leser, ich schrieb das gedicht aus einem melancholischen blickwinkel aber nicht unglücklich - etwas müde. ausgangssatz war: die sprache klebt am vergessen. ich war fasziniert von dieser assoziation. vielleicht ergab sie sich, weil ich in meinem beruf mit demenzkranken zu tun habe. nachdem ich ein paar luflöcher in den raum gestarrt hatte, dichtete ich die zeilen darunter. es gibt in dem heim, in dem ich arbeite, einen horst, bei dem die demenz schon ziemlich fortgeschritten ist. er bringt fast nichts mehr zusammen und braucht hilfe in allen bereichen des täglichen lebens. vielleicht fiel mir deswegen "scherbenhorst" ein. das ist natürlich nicht lustig gemeint - sondern vielmehr traurig. bei den demenzkranken stirbt nach und nach der geist und das erinnern. die letzten zeilen deuten darauf hin. aber ich will die zeilen gar nicht gedeutet wissen, denn ich assoziierte sie frei. das ist also eine ganz private auslegung, die mir selbst beim schreiben in den sinn kam.
kird und niko stolperten über ein paar zeilen. das kann ich sogar nachvollziehen, weil ich mit einigen assoziationen auch haderte, die sich aber dann nach dem 2.-3. lesen und umformulieren ganz gut in meine stimmung fügten.
nihil, stimmt, "scherbenhorst" hat soul/melodie. wie mir das glückte, weiß ich nicht.
caty, ich gebe dir recht, ein großteil der verwendeten bilder ist nicht originell. letzlich muß bei diesem gedicht die komposition beeindrucken.
danke
chiqu.
Verfasst: 16.07.2007, 11:58
von Gast
Hallo Chiquita,
weißt du was, ich finde, dass der erste Teil deines Gedichts stark ist und für sich stehen kann.
Chiquita hat geschrieben:Scherbenhorst
Die Sprache klebt
am Vergessen
Scherbenhorst verliebt sich
in Margitta, die Schöne
Das Bellen des Mondes klingt
heiser
(Auch ohne die Erklärungen aus deinem Berufsalltag. Ich finde ohnehin, dass es meist nicht gut ist, die reale Ausgangsposition für einen Text zu liefern, das lässt den Leser letztlich dann nur "achso" sagen und zur Tagesordnung übergehen, anstatt sich im Text wiederzufinden oder ihn weiter zu interpretieren @ offener Text und freie Interpretationsmöglichkeit - sonst kann man Prosa schreiben)
Was den zweiten Teil angeht so habe ich das Gefühl, er wurde angehängt - er scheint mir von einer andere "Lebensbaustelle"
.gif)
zu handeln.
Liebe Grüße
Gerda
Verfasst: 16.07.2007, 12:19
von Chiquita
gerda, ich kann keine zwei baustellen finden, aber natürlich kannst du sie sehen, und andere sehen woanders brüche. was assoziationen angeht, sind wir menschen unterschíedlich gestrickt. nicht bei jedem geht dasselbe zusammen.
stimmt, der leser sollte sich nicht von erklärungen des autors ablenken lassen. deswegen lese ich erstmal nur das gedicht und nicht die kommentare dazu. interessant ist dann aber schon, was der autor über den inhalt oder über das entstehen des gedichts zu sagen hat. manchmal kann man zu dem werk einen anderen und evtl. besseren bezug bekommen. prinzipiell lebt die lyrik natürlich ganz ohne erläuterungen. doch finde ich es gerade in einem literaturforum interessant, darüber zu sprechen, wie man seine werke schreibt.
danke für deinen eindruck zum gedicht.
chiqu.
Verfasst: 16.07.2007, 14:48
von Perry
Hallo Chiquita,
dein Gedicht hat eine gute Substanz, doch kann sich diese meiner Meinung nicht richtig entfalten.
Ich würde den magischen Satz "Sprache klebt am Vergessen" als Titel nehmen und ihn im Text mit Bildern aufblättern. Dabei könnte die kleine Liebesgeschichte zwischen Scherbenhorst/Lyrich und der schönen Margitta am fortschreitenden Vergessen scheitern.
LG
Manfred
Verfasst: 16.07.2007, 15:04
von Chiquita
ja, perry, aus dem satz "die sprache klebt am vergessen" hätte auch ein ganz anderes gedicht werden können - aber ich ließ mich an diesem nachmittag einfach in meiner stimmung treiben.
mit dem entfalten ist es wie mit den zwei baustellen von gerda. manche düfte entfalten sich einfach nicht in der nase - es ist möglich, daß es ein schlechtes parfum ist; es ist möglich, daß uns das parfum einfach zu fremdartig ist; es kann sein, daß es unserer nase partout nicht paßt.
wenn man an solch dichter lyrik herumdoktert, ist das gefährlich und selten kommt etwas besseres heraus. da müßte ich ein neues gedicht schreiben. denkbar wäre ein gedicht mit dem titel "die sprache klebt am vergessen".
danke für deine anregung.
gruß
chiqu.
Verfasst: 16.07.2007, 20:23
von Max
Lieber Chiqu,
schwierig. Sollte ich eine reine Lobhudelei auf dieses Gedicht schreiben, so würde mir das nicht gelingen, denn zu oft kommt mir der Gedanke: Das ist jetzt so geschrieben, weil es so gut wirkt.
Umgekehrt gelingt mir aber auch kein Verriss, dazu wirken die Dinge (die vielleicht auf Wirkung hin geschrieben sind) eben auch zu gut.
So bleibt nur der Eindruck: Ich hätte es manchmal schlanker schreiben wollen, aber wenn du es eben nicht so schlank magst, ist das vermutlich nur ein Unterschied im Geschmack. Das einzig Faktische, was ich anmerken kann, ist, dass mich dieses Dreigestirn von Scherbenhorst, Margitta und "ich" ein wenig verwirrt, weil ich zumindest "ich" nicht so leicht in Beziehung setzen kann zu den anderen beiden Figuren.
Liebe Grüße
max
Verfasst: 17.07.2007, 18:17
von Chiquita
hallo max, danke, daß du dich mit dem gedicht beschäftigt hast. ich habe in meinen kommentaren hier schon einiges dazu erklärt. die assoziationen sind relativ willkürlich - ein tagtraum. ich versuche den kopf beim dichten weitgehendst auszuschalten. ich versuche mich in die stimmung fallen zu lassen und schaue mir praktisch bei meinen gedanken selbst zu. das muß nicht immer fantastisch gelingen, aber so schreibe ich nunmal viele gedichte.
zu dem dreigestirn: scherbenhorst könnte das ich sein, oder die empathie des lyr-ichs; und margitta könnte für die liebe stehen, die auch dann noch funktioniert, wenn der geist in scherben liegt.
gruß
chiqu.
Verfasst: 23.07.2007, 21:43
von Thomas Milser
Hi Chick,
Venen bluten immer, und dass du gestern gestorben bist, ist zwar bedauerlich, aber Kränze gibts trotzdem keine, und ich sehe hier nur hohle Phrasen, um des ausgepressten Wortes willen. Der Vergleich zum Stadion-Rocker, zum Luftgitarrenposer tut sich in mir auf.
Ich habe keine Erläuterungen oder Kommentare gelesen; das sollte man nie tun, wenn man einem Text unbefangen entgegentreten möchte. Einen Text, den man erklären muss, mag ich eh nicht lesen.
Seltsam: Du als 'Bukowski-Leser' müsstest doch Etliches über 'Inhalt' wissen. Wo issen das hier?
Wenn 'Scherbenhorst' ein Nest wäre, in das du dich zurückzögest, würde ich es noch ansatzweise kapieren, aber sobald Horst seine Liebe kundtut zu einer falsch geschriebenen Pizza, bröselt alles zusammen. Mit den Scherben liegst du aber schon ganz richtig.
Da musst du nochmal bei. Pathos ist nur dann gut, wenn er nicht so offensichtlich als solcher erkannt werden kann..
Ich empfehle dir als 'Bukowski-Leser' aber anscheinend 'Nicht-Verstehers' die Verinnerlichung meiner Signatur, die gar nicht von mir ist, sondern von Ebenjenem, ferner die 'Schreie vom Balkon', und Gott hab Chinaski seelig, und bewahre ihn vor mittellosen weil empfindungsarmen Plagiatisten/Plagiaten/Plagiatoren (wie sagt man?) wie dir. Nix für ungut, aber das ist heiße Luft, ein Furz im Wüstenwind. Oh, ich muss schließen, der Mond bellt so laut.... *arff*
Tom.
Verfasst: 24.07.2007, 17:46
von Chiquita
thomas milser, ich hoffe, du bist inzwischen nicht verblutet.
mein literarisches spektrum reicht weiter als bis bukowski. "scherbenhorst" ist kein erzähl- bzw. prosagedicht. es ist ja nicht schlimm, daß du nichts damit anfangen kannst. ich kann zb. nicht alles von rilke nachempfinden.
immerhin veranlasste ich dich zu einem leidenschaftlichen kommentar. so machen verrisse doch spaß, oder? fast zu viel der ehre.
danke für den quatsch - amüsant.
chiqu.