ich sehe dich

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 26.06.2007, 19:59

2. Fassung

ich sehe dich

hinter dem erstaunen – wie groß
wie rund kannst du die augen machen und sagen:
was hab ich dir getan?

mit engelszungen

was stellst du an mit mir
schreie ich
derweil meine flügel in deiner hand zittern
ich schuldig über den boden krieche

du liebst mich doch

durchdröhnt dein flüstern alles
häutet mich

und ich mag das lächeln dir aus dem mund schneiden
und du trinkst und trinkst mich zum täter


Danke Mucki und Pjotr für die Hilfe!




1. Fassung

ich sehe dich

hinter dem erstaunen – wie groß
wie rund kannst du die augen machen und sagen:
was hab ich dir getan?

mit engelszungen

wieso machst du das mit mir, schreie ich, derweil
meine flügel in deiner hand zittern
ich schuldig über den boden krieche

du liebst mich doch

durchdröhnt dein flüstern alles
häutet mich

und ich mag das lächeln dir aus dem mund schneiden
und du trinkst und trinkst mich zum täter



(c) ELsa Rieger
Zuletzt geändert von Elsa am 28.06.2007, 23:51, insgesamt 1-mal geändert.
Schreiben ist atmen

Perry

Beitragvon Perry » 27.06.2007, 23:59

Hallo Elsa,
ein sehr intensiver Text, der sich mit dem Problem Alkohol in einer Beziehung auseinander zu setzen scheint. Da kann die Sorge wirklich leicht zum Täter werden. Hat mich stark berührt.
LG
Manfred

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.06.2007, 01:48

Liebe Elsie,

ein sehr eindringlicher Text ist dir da gelungen. Da laufen ganze Filme im Kopf ab.
Kleine Anregungen im Text (fett):

hinter dem erstaunen – wie groß
wie rund kannst du die augen machen - sagen und sagen:
was hab ich dir getan?

mit engelszungen

wieso tust machst du das mit mir, schreie ich - , derweil lieber Bindestrich und "derweil" weg
meine flügel zittern in deiner hand zittern
krieche ichschuldig über den boden krieche

"tust" ist vielleicht noch nicht ideal, aber 2 x "machen" solltest du vermeiden.

du liebst mich doch

durchdröhnt dein flüstern alles
häutet mich

und ich mag will das lächeln dir aus dem mund schneiden
und du trinkst und trinkst mich zum täter

besser fände ich:

und du trinkst und trinkst
mich zum täter



So fände ich es noch stärker. Vielleicht ist ja etwas für dich dabei,-)
Saludos
Mucki

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 28.06.2007, 03:29

Hallo Elsa,

ich schließe mich Perrys positivem Kommentar an. Dein Text gefällt mir.


Eine Kleinigkeit: Bei dieser Zeile bin ich beim ersten Lesen gestolpert (beim zweiten Lesen nicht mehr, aber der erste Eindruck zählt):

wieso machst du das mit mir, schreie ich, derweil

Entweder würde ich Muckis Vorschlag bedenken, oder nach "mir" die Zeile umbrechen und vor "derweil" das Komma herausnehmen.


Cheers

Pjotr

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 28.06.2007, 09:31

Lieber Perry, liebe Mucki, lieber Pjotr,

Vielen Dank! Das Lob freut mich!

Filme im Kopf, Mucki, das ist fein! Ich sehe mir die Vorschläge an und muss nachdenken.
Eines ist sicher: das "derweil" muss bleiben. Vielleicht anders formatiert, wie Pjotr anregt.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.06.2007, 13:35

Liebe Elsie,

wegen dem "derweil":

"Derweil" hat so etwas Alltägliches an sich, etwas, was man so nebenbei macht oder sieht etc. (derweil im Hintergrund das Fernsehen läuft etc...)
Es ist so harmlos. Aber hier:

wieso machst du das mit mir, schreie ich, derweil
meine flügel in deiner hand zittern
ich schuldig über den boden krieche


ist dieses "derweil" alles andere als harmlos.

Dann nimm doch zumindest statt "derweil": "während", auch wenn das immer noch nicht trifft, finde ich. Wie schon geschrieben, ich würde es ganz rausnehmen, weil es die Tragik, die Eindringlichkeit dieser Szene kaputtmacht.
Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 28.06.2007, 13:59

Liebe Mucki,

wegen dem "derweil": "Derweil" hat so etwas Alltägliches an sich


Genau deswegen möchte ich es erhalten. Es ist alltäglich, was sich zwischen den beiden abspielt, das empfinde ich als die Schrecklichkeit. Sie sind den Umgang gewohnt.

Erst in den letzten 2 Zeilen kippt es in Richtung LI, dass aufwacht aus dem tranceähnlichen Zustand des Leidens. So ist das gedacht von mir.

Danke, dass du dich damit beschäftigst.

Lieben Gruß
ELsie
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Trixie

Beitragvon Trixie » 28.06.2007, 14:51

Hallo Elsa!

Ich finde das "derweil" toll!! Das war das, was mir als erstes im Kopf blieb und mich hat nachdenken lassen...alles passiert derweil, nebenher, selbstverständlich und das zieht sich durch das ganze Gedicht. Ich finde das derweil "perfekt"! Ansonsten, wenn es schon so alltäglich daherkommen soll, würde ich vielleicht auch noch die Sätze so umstellen, wie Mucki es vorschlug, also zb. "meine Flügel zittern in deiner Hand" und so. Sonst hört sich das zu gezwungen lyrisch an, finde ich.

Insgesamt ein sehr eindringliches Gedicht, das für mich genau den richtigen Ton trifft!

Grüßlein
Trixie

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 28.06.2007, 16:44

Hallo Trixie,


ich las den "Flügel"-Teil so:

schreie ich, derweil



Zugleich aber auch so:

derweil meine flügel in deiner hand zittern



Von daher empfand ich es als normale Satzstellung.


Cheers

Pjotr

Caty

Beitragvon Caty » 28.06.2007, 17:53

Liebe Elsa, mir gefällt der Text, er ist nachempfindbar. Ich würde gar nichts ändern wollen, höchstens das "mag" erscheint mir zu schwach. Da wäre die direkte Formulierung: Ich schlag dir das Lächeln aus dem Gesicht doch verständlicher und kommuniziert mit der nächsten Zeile stärker:
Und du trinkst und du trinkst und machst mich zur Täterin (ist doch eine Frau?). Da denkt man dann gleich an Handgreiflichkeiten, und das ist ja bei einem Trinker auch gang und gäbe. Das ist alles, was ich an Kritischem an diesem genauen Text anzumerken hätte. a la vida. Caty

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.06.2007, 19:00

Liebe Elsie,

Genau deswegen möchte ich es erhalten. Es ist alltäglich, was sich zwischen den beiden abspielt, das empfinde ich als die Schrecklichkeit. Sie sind den Umgang gewohnt.


ja, ich verstehe schon, was du meinst. Gerade das Schlimme sachlich auszudrücken, verstärkt das Schlimme.

Aber davor steht: "schreie ich," und dann dieses "derweil"
Dieses Schreien im Kontext mit dem "derweil", das ist es, was mir Kopfzerbrechen macht, verstehst?
Aber die anderen scheinen es nicht so zu sehen.

Caty,
Täterin? Nee, es ist gut, dass hier beides möglich ist. LI kann Frau oder Mann sein, dito mit dem LyrDu. (auch wenn man LI sofort als Frau assoziiert, klar)
Saludos
Mucki

Trixie

Beitragvon Trixie » 28.06.2007, 22:02

Hallo Pjotr!

Ja, das verstand ich auch so, deswegen fand ich es auch so toll, aber trotzdem kann man doch das mit dem zittern zum Beispiel umstellen?

Grüßlein
Trixie

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 28.06.2007, 22:15

Hallo Trixie,

Du liest im selben Kontext dann so?

"schreie ich, während meine Flügel zittern in deiner Hand"

Wäre das dann nicht noch mehr, wie Du sagst, "gezwungen lyrisch"? (Ich sehe das "derweil" nicht nur inhaltlich im Kontext, sondern auch im grammatischen Satzfluss, vielleicht habe ich Dich da missverstanden).

So lese ich:

"schreie ich, während meine Flügel in deiner Hand zittern"


Cheers

Pjotr

Trixie

Beitragvon Trixie » 28.06.2007, 23:24

Hmmmm...

ja, irgendwie hast du recht, aber für mich stimmt das nur, wenn es so da steht, wie es jetzt dasteht bei dir in einer Linie...durch die Zeilenumbrüche muss dem Leser ja auch gewährleistet werden, die absichtlich einzeln gestellten Verse für sich zu nehmen und so hört sich das gestelzt an, wenn da einzeln steht "meine Flügel in deiner Hand zittern", verstehst du? Ich meine, das Gedicht ist eh zu schön, um es irgendwie kaputt zu machen dadurch, also liegt die Entscheidung natürlich bei Elsa, bzw. sie hat es ja sicherlich bewusst so geschrieben....

nachdenkliche Nachtgrüße
Trixie


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