Strich drunter

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Caty

Beitragvon Caty » 25.06.2007, 19:11

Strich drunter

Du irrst dich mein Heinrich da kommt
Schon noch wer ist immer einer
Gekommen wird wieder son Verrückter
Kommen wenns Jahr vergeht oder zwei
Werd sehn werd sehn kommt Zeit kommt Kerl
Kommen zwei oder drei nicht aushalten
Könnt ich das mannslose Leben und
Wissen du warst der Allerletzte
Ausgerechnet du mein einziger Heinrich
Zuletzt geändert von Caty am 26.06.2007, 05:59, insgesamt 1-mal geändert.

Klara
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Beitragvon Klara » 25.06.2007, 19:48

Hallo Caty (und auch von mir ein Willkommen im Salon!)

Das find ich einfach nur wunderbar gelungen!
Ich hoffe, es ist mir keiner böse, wenn ich hier jetzt nicht kritisiere und auch nicht inhaltlich anschließe, sondern tumb schreibe: hübscher kleiner Text!

Ich las in deinen Antworten zu Kommentaren an deinen Gedichten, dass du an der Versanfangsgroßschreibung festhältst und auch an den nicht gesetzten Zeichen. Finde ich völlig in Ordnung. Passt zu diesem Text. Passt wahrscheinlich zu dir. Ist eine Marotte, die man haben kann ,-) - und auf mich wirkt sie nicht aufgesetzt, sondern authentisch. So wie mit farbigen Hornbrillen: Bei vielen sieht es affig aus (weil irgendeiner pseudo-intellektuellen bzw., in-groupmäßigen Mode geschuldet), bei manchen sieht es schön aus und lässt die Augen leuchten. So wie die Schreibung bei dir. .-)

Herzlich
klara

Caty

Beitragvon Caty » 25.06.2007, 20:14

Liebe Klara, das freut mich aber, dass dich dieser kleine Gelegenheitstext anspricht. Deine herzerwärmenden Zeilen zu lesen, brauche ich noch nicht mal ne Hornbrille. Müsstest mal sehen, wie jetzt meine Augen leuchten. Caty

Dita

Beitragvon Dita » 25.06.2007, 20:33

Hallo Caty,

automatisch viel mir "Heinrich, der Wagen bricht" aus dem Froschkönig ein. Mir gefällt die Art des Textes, die mich anhält und doch nicht zum Hindernis wird. Es hat einen sarkastischen Anklang und doch etwas Verzweifeltes. Das einzige Wort über welches ich falle ist "Kerl". Für mich bricht es aus dem Text. Hat es einen Grund, dass der letzte Satzanfang klein ist?
Alles in allem: Schön.

Lieben Gruß,
Dita

Caty

Beitragvon Caty » 25.06.2007, 20:47

Liebe Dita, beides ist beabsichtigt, Sarkasmus und Verzweiflung. Es geht um eine Trennung, das LyrIch versucht sich mit Burschikosität zu behaupten, obwohl es die Niederlage erkennt. Dem zuvorgegangen, denke ich mir so, ist eine handfeste Auseinandersetzung. Kerl sieh hier nicht als abwertend, das war der einzige Begriff, den ich passend fand, weil Mann z. B. viel zu harmlos und zu blass daherkommt. Davor rede ich ja sogar von einem Verrückten. - Der letzte Satzanfang klein? Ohne Bedeutung, da habe ich wieder mal geschlampt. Müsste man ausbessern können. Ich seh damit noch nicht durch. Wird schon werden. Schön, dass dir die Zeilen gefallen haben. Schönen Abend wünsch ich. Caty

Klara
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Beitragvon Klara » 25.06.2007, 20:51

Müsste man ausbessern können. Ich seh damit noch nicht durch. Wird schon werden.

wenn du eingeloggt bist, erscheint oben rechts am Thema ein Knopf "Edit".
Da drückst du drauf, dann erscheint das Editier-Fenster. (In dem hast du auch den Beitrag verfasst). Absenden und fertig. Manche dokumentieren jede Veränderung oder sagen namentlich Danke an die verändernden Anreger. Ich schätze, aber, bei einer Klein-Großschreibungsänderung ist beides auch für den Gewissenhaftesten nicht nötig.

herzlich
Klara

scarlett

Beitragvon scarlett » 25.06.2007, 20:53

Hallo caty,

also mir kam beim Heinrich gleich der Faust - Heinrich ins Gedächtnis zurück ("Heinrich mir graut vor dir") - ist das nicht interessant?

Abgesehen davon, es ist zwar nicht meine Sprache, die du da schreibst, es ist nicht die Art, die mich beim ersten Lesen einnimmt (ich bin hier schon als hoffnungslos romantisch verschrien - *grins*) und doch: ich muß ehrlich zugeben, dein Gedicht hat was und erreicht mich - trotz allem.

Verzweiflung? ja, gepaart mit diesem "ist mir doch egal Getue" - wobei nichts egal ist und noch lang nicht verwunden.

Ja, ich mag das!

Liebe Grüße,

scarlett

lagunkel

Beitragvon lagunkel » 25.06.2007, 21:09

Liebe Caty,

das Gedicht trifft diesmal genau ins Schwarze bei mir. Ich kann nicht viel sagen, denn ich bin ganz glücklich so :mrgreen:
Sehr gerne gelesen - mehrmals.

lg

Rebekka

Sorry, ot: @scarlett: Ich musste auch sofort an Faust denken. Magst du den auch so sehr, dass du ihnnahezu auswendig kannst? :-) Ich lese ihn mindestens sechs mal im Jahr - das ist schon ein bisschen verrückt, aber ich kann nicht anders...

Mucki
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Beitragvon Mucki » 25.06.2007, 22:37

Hallo Caty,

du hast wirklich einen ganz ureigenen Stil. Hier gefällt mir vor allem, dass man es in einem Satz durchliest, bzw. durchlesen muss,-) Ich lese hier vor allem einen Sarkasmus, mit einer Prise vorgetäuschter Selbstironie.
Saludos
Mucki

Caty

Beitragvon Caty » 26.06.2007, 06:05

Mucki, Saludos gefällt mir. - Kritisches kommt nicht, da bleibt mir nur, euch allen freundlich Dank zu sagen. Saludos Caty

Gast

Beitragvon Gast » 26.06.2007, 12:31

Hallo Caty,

starker Text. Du hast wirklich eine sehr interessante Eigen-Art entwickelt, die Zeilenumbrüche genau dort nicht zu setzen, wo sie vom Lesefluss zu erwarten wären.
Das macht das Besondere aus. Man muss mehrfach lesen und zu verstehen und das gefällt mir. Du bürstest deine Texte, so will es mir scheinen gegen den Strich.
Ich frage mich nur, was passiert eigentlich, wenn ich den Text so setzen würde:
(Nur mal so als Versuch, weil man es so liest nicht als Änderungsvorschlag).

Du irrst dich mein Heinrich
da kommt schon noch wer
ist immer einer gekommen
wird wieder son Verrückter kommen
wenns Jahr vergeht oder zwei
Werd sehn werd sehn
kommt Zeit kommt Kerl
Kommen zwei oder drei
nicht aushalten könnt ich das mannslose Leben
und wissen
du warst der Allerletzte
ausgerechnet du mein einziger Heinrich



Mich interessiert es, wie du das siehst und andere das sehen, ob der Text so etwas an Inhalt einbüßt, oder ob er ausschließlich die originelle Form einbüßt.
Wie lange schreibst du schon so?

Liebe Grüße
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 26.06.2007, 12:44

Hallo Caty,

Kritisches kommt nicht, da bleibt mir nur, euch allen freundlich Dank zu sagen.


weil das einzige, was es evtl. hier zu kritisieren gäbe, die Form wäre, aber die willst du ja ganz bewusst so ;-)

Gerda beschreibt es sehr gut:

Du bürstest deine Texte, so will es mir scheinen gegen den Strich.


Und das macht sie so eigenwilig ;-)
Saludos
Mucki

Caty

Beitragvon Caty » 26.06.2007, 13:56

Liebe Gerda, liebe Mucki. Das, was ihr als "Eigenwilligkeit" bezeichnet, ist eine lyrische Stilfigur, genannt Enjambement. Seit ich die Wirkung des Enjambements bemerkt habe, setze ich sie ein, ca. ein Jahr schon. Man kann damit einen Text verlangsamen, aber auch beschleunigen. Es wurde wieder aufgegriffen in den siebziger Jahren in der amerikanischen Poplyrik, nachdem es lange vergessen war, und zwar bewusst als Protest gegen die kommerzialisierte und abgehobene Salonlyrik. Ich habe für mich da noch einige andere Wirkungen ausgemacht, die mir sehr zusagen, weil sie meinem "Lebensgefühl" entsprechen. Ich bin auch nicht die einzige deutsche Versschreiberin, die sie benutzt. Ich weiß es von Ulla Hahn, Günter Kunert und Sarah Kirsch - das Enjambement hat sich sehr schnell in Deutschland, ebenfalls in den siebziger Jahren, "eingebürgert". Schon immer aber eingesetzt wird es im Reimgedicht. Hier verwundert es nur, weil es im freien Vers eingesetzt ist. Also, es ist nicht meine Erfindung. Ja, es ist auch ein bewusstes "gegen den Strich"-Bürsten. Ich könnte mir dies bei einigen Gedichten, die ich hier gelesen habe, auch sehr gut vorstellen, sie würden gewinnen durch diese Stilfigur. Es kommt aufs Ausprobieren an. Man muss übrigens nicht jeden Vers im Enjambement schreiben, dazu zwingt nichts.

Du hast mal den herkömmlichen Zeilenbruch ausprobiert. Selbstverständlich funktioniert er auch, wäre traurig, wenn nicht. Dadurch, du wirst es bemerken, bekommt der Text aber eine gewisse Steifigkeit, und das ist einer der Vorteile des Enjambements, dass sie "aufgehoben" wird. Ich habe heute einen Text von Chiquita gelesen und bedauert, dass er im herkömmlichen Zeilenbruch geschrieben ist, allein schon der Inhalt weist ganz und gar auf das Enjambement.

Habe ich noch irgendwas offengelassen?

A la vida. Caty

Gast

Beitragvon Gast » 26.06.2007, 14:31

Liebe Caty,

dass du nicht die einzige bist, die damit arbeitet ungewöhnliche Zeilenumbrüche zu setzen ist mir schon klar.
Ich würde es durchaus nicht als eine "Geburt" der Beatgeneration betrachten. Ich bin sicher, ich brauche nicht lange suchen und würde auch bei Texten des 19. Jhs fündig. Aber ich ich bin keine Literaturwissenschaftlerin. Solltest du mir Quellen nennen können, die die Art des von dir gebrauchten Enjambments in dieser Form beschreiben, würde ich gern einmal darüber etwas nachlesen, weil es mich interessiert. Vielleicht gibt es ja Aufsätze dazu, die man auch im Internet abrufen kann.

Was ich bei dir sehe ist jedoch, dass du den Zeilenumbruch ganz bewusst, fast "programmmäßig" gegen den Sprachverlauf setzt und dieses konsequent durchzuziehst, was ich dann schon fast wieder ein wenig unfrei empfinde.
Viele Autoren arbeiten hier und da mit ungewöhnliche Zeilenumbrüchen.
Es gibt ja nicht "Das" Enjambment. Ein Zeilenumbruch birgt ja unterschiedliche Möglichkeiten. Mir scheint, du hast deine Vorliebe entdeckt und dich ihr "verschrieben".

Was ich allerdings nicht verstehe, warum du meins,t der Text würde anders gesetzt steif herüberkommen.
Die Leseart bleibt doch gleich.

Richtig spannend wird es, wenn der gesetze Zeileumbruch dazu führt, dass die intendierte Bedeutung sich auch nur auf diese Art erschließt.

Liebe Grüße
Gerda


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