Eremitage

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 18.06.2007, 23:14

Eremitage


Zulange schon
bin ich über
Nebelmeere gewandert

Locke dich
mit dem süßen Duft
des Rosenkäfers

Zusammen
gelingt uns vielleicht
die Winterreise


1. Fassung:

Eremitage des Rosenkäfers


Zulange schon bin ich
über Nebelmeere gewandert

Locke dich mit Aprikosenduft
in meine Baumhöhle

Zusammen gelingt uns
vielleicht die Winterreise
Zuletzt geändert von Perry am 23.06.2007, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 19.06.2007, 21:01

Lieber Perry,

da ich nicht zu den Tier- und Pflanzenexperten zähle und bei Dir hinter jedem Naturbild eine verbrogene Bedeutung weiß, habe ich den Rosenkäfer extra in einem Lexikon nachgeschlagen und dabei gefunden, dass er "natürlich [...] auch schwach [wird], wenn er Pflanzensaft verletzter Pflanzen verspeisen kann. Auch reife Früchte lässt er nicht liegen." - was mit die Aprikosen erkärt.

Wie der Rosenkäfer aber über Nebelmeere wandert, stand dort nicht .. oder habe ich nicht lange genug gesucht?

Liebe Grüße
Max

Dita

Beitragvon Dita » 19.06.2007, 21:20

Hallo Perry,

mir geht es ähnlich wie Max. Ich versuche den Zusammenhang zwischen der ersten und den beiden letzten Zeilen herzustellen und scheitere bislang. Wandern Rosenkäfer über Nebelmeere? Die letzte Zeile empfinde ich als ein sehr schönes Bild: Die Hoffnung gemeinsam harte Zeiten zu überstehen.
Allgemein habe ich beim Lesen Deiner Zeilen das Gefühl, dass mir Einiges entgeht, da mir eventuelle Besonderheiten des Rosenkäfers nicht bekannt sind.

Grüße,
Dita

Max

Beitragvon Max » 19.06.2007, 21:36

Liebe Dita,

icch habe weitergesucht, aber zu Rosenkäfer und Nebelmeer finde ich nix :-). Nun ist Herr perry gefragt ...

Liebe Grüße
max

Mucki
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Beitragvon Mucki » 19.06.2007, 23:03

Hallo Manfred,

wieder einmal ist dir ein Gedicht gelungen, welches man aus der Sicht des Tieres und zugleich aus der Sicht des Menschen lesen kann. Klasse!

Natürlich habe auch ich keine Ahnung gehabt, dass es Rosenkäfer gibt, die Eremitenkäfer oder eben "Juchtenkäfer" genannt werden. So habe ich gelernt, dass sie in Baumhöhlen leben, einen Sexuallockstoff entwickeln, der nach Aprikose duftet, die Weibchen ihre Eier in sog. "schwarzen Mull" legen, den ich in deinem Gedicht als die "Nebelmeere" lese. Von diesem "Mull" leben sie, um zu überwintern, aber nur 15 % der Tiere überleben, zudem leben die Männchen nur 2 - 3 Wochen, die Weibchen hingegen bis zu 3 Monate.

So lese ich dies hier:

Zusammen gelingt uns
vielleicht die Winterreise


einmal als Frage, ob das Männchen überhaupt überlebt und auch als Frage des Menschen, ob die Liebe halten wird, ob beide zusammen alt werden (Winter).

Saludos
Mucki

Perry

Beitragvon Perry » 20.06.2007, 10:04

Hallo Max,
danke für dein Interesse. Der Rosenkäfer auch Eremit genannt ist die Naturmetapher in diesem Text. Das Lyrich schlüpft sozusagen in seine Rolle. Dazu ist außer dem was im Text sowieso beschrieben ist, kein weiteres Hintergrundwissen notwendig.
Zu den restlichen Bilder mehr in meiner Antwort zu Muckis Kom.
LG
Manfred

Hallo Dita,
freut mich, dass du dich mit meinen Gedankenbildern auseinandergesetzt hast. Sie haben durchaus eine gemeinsame Basis, aber die ist nicht der Rosenkäfer. Deine Einschätzung der letzten Zeile passt gut, mehr in meiner Antwort zu Muckis Kom.
Danke und LG
Manfred

Hallo Mucki,
ja ich verbinde gerne Naturbilder um menschliche Befindlichkeiten auszudrücken. Da deine Interpretation meiner schon sehr nahe kommt, will ich den Text hier nun aufschlüsseln.
Das Lyrich als Rosenkäfer (Eremit) wird hier von zwei klassischen Einsamkeitsmetaphern begleitet. Da ist zum einen der "Wanderer über das Nebelmeer" von Caspar David Friedrich und die "Winterreise" von Franz Schubert. In seiner romantisierten Vorstellung sieht es in der Hinwendung zu einem Partner die Möglichkeit den Winter seiner Gedanken zu überdauern.
Danke und LG
Manfred

Zusammenfassend schließe ich aus eueren Kommentaren, dass der Text doch etwas mehr "Aufhellung" zu brauchen scheint, um ohne Erläuterung verstanden zu werden.

Mucki
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Beitragvon Mucki » 20.06.2007, 12:57

Hallo Manfred,

Zusammenfassend schließe ich aus eueren Kommentaren, dass der Text doch etwas mehr "Aufhellung" zu brauchen scheint, um ohne Erläuterung verstanden zu werden.


ja, wäre vielleicht gut. An das berühmte Bild von Friedrich habe ich z.B. überhaupt nicht gedacht, obwohl ich es sehr mag.
Man liest zu sehr in Richtung des Käfers und sucht hier die Botschaft.
Saludos
Mucki

Perry

Beitragvon Perry » 23.06.2007, 16:47

Hallo Mucki,
ich habe den Text noch eimal überarbeitet und den Rosenkäfer etwas zurückgenommen. Ich hoffe jetzt kommt der Gedanke, der Einsamkeit gemeinsam zu entfliehen besser rüber.
LG
Manfred

Mucki
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Beitragvon Mucki » 23.06.2007, 16:53

Hallo Manfred,

ja, so kommt die Einsamkeit des LIs sehr viel besser rüber. Schön!
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 23.06.2007, 17:10

Lieber Manfred,

mir gefaällt diese zweite Version deutlich besser, da man den Rosenkäfer als einen Aspekt des Gedichts begreift, neben dem auch noch andere stehen können, nicht als den einzig möglichen Schlüssel.

Liebe grüße
Max

Perry

Beitragvon Perry » 25.06.2007, 10:24

Hallo Mucki, hallo Max,
danke fürs Feedback, dann wollen wir mal hoffen, dass am Ende der Winterreise ein frühlingshaftes Erwachen folgt. :smile:
LG
Manfred

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 25.06.2007, 11:48

Hallo Manfred,
ich weiß nicht, wenn man nicht weiß, dass der Rosenkäfer nach Aprikose duftet, finde ich die zweite Strophe etwas befremdlich. Das Ich ist ja nun nicht mehr der Käfer, sondern es nutzt nur den Duft des Käfers. Wie er den gewonnen hat, will ich gar nicht wissen. :blink2:
Auch die Setzung der ersten Strophe in der ersten Fassung hat mir besser gefallen, da die erste Zeile auch alleine stehen kann.
"Zulange schon bin ich"...allein

Locke dich mit Aprikosenduft
an meine Seite

oder so ähnlich wäre vielleicht auch eine Möglichkeit gewesen

Insgesamt finde ich die erste Fassung interessanter.

liebe Grüße smile

Perry

Beitragvon Perry » 25.06.2007, 12:59

Hallo Smile,
da das Gedicht, auch ohne Hintergrundwissen interpretierbar sein soll, habe ich mich von den Spezifikationen des Rosenkäfers in der zweiten Fassung etwas zurückgezogen.
"Die Käfer leben in Baumhöhlen, die sie oft ihr ganzes Leben lang nicht verlassen. Ihre Anwesenheit verrät sich durch einen Duft, der von den Männchen als Sexuallockstoff produziert wird. Er wird mit "wie Juchtenleder" oder "nach Aprikose duftend" umschrieben; hat man seine Wahrnehmung einmal mit dem glücklichen Fund des Käfers verbunden, bleibt er unverwechselbar im Gedächtnis eingeprägt.
Die Männchen posieren an heißen Tagen in den Höhlenöffnungen. Dabei geben sie den charakteristischen Lockstoff ab, der 500 bis 1000 Meter weit wirksam sein soll (Auszug aus Wikipeda)."
Danke für deine Eindrücke, die ich ebenfalls gerne mitnehme und LG
Manfred


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