auf der anderen seite des zaunes

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Jürgen

Beitragvon Jürgen » 12.06.2007, 23:06

auf der
anderen seite
des zaunes
wird entschieden

abgeschieden

bleiben wir
entschieden*

Ursprüngliche Fassung:

auf der
anderen seite
des zaunes
wird entschieden
abgeschieden

angriff, schutz, bewaffnen,
auch die worte des ministers
sind nicht entwaffnend

steinwürfe.
kameraschwenk
das ganze
verfahren

eilt. sie
fahren ver-
dammt harte
geschütze auf
scheinwahrung

abgeschieden
bleiben wir
entschieden


Änderungen siehe Kommentare
*siehe Klaras Vorschlag
Zuletzt geändert von Jürgen am 29.06.2007, 10:17, insgesamt 3-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 13.06.2007, 12:35

Lieber Jürgen,

ich finde es gut, dass du das Thema G8 Gipfel thematisierst.
Vermutlich hast du diese schlagwortartige Form gewählt, weil auf beiden seiten des Zauns "Parolen" eine Rolle gespielt haben. Wenn ich es richtig lese, schreibst du aus der Sicht derer, die außerhalb des Sicheheitszauns, von politschen Gesprächen ausgeschlossen waren und protestierten.

Müsste es nicht in Vers 1 heißen:

wird abgeschieden
entschieden?

Im Sinn, dass die Politiker "Entscheidungen" in Abgeschiedenheit trafen.

Das Wortspiel, dass die "Worte des Ministers nicht entwaffnend" sind, befinde ich für ein wenig zu vordergründig.
Ferner beinhaltet dieser Vers offenbar einen Ortswechsel, denn der (Innen)minister (falls du Schäuble meinst) war nicht vor Ort, sonst hat von Berlin aus Reden geschwungen, so viel ich weiß.
Oder geht es in deinem Text eher um die Vorfälle am WE vor dem Gipfel in Rostock?
Dann könnte ich die "schweren Geschütze, die aufgefahren werden" besser zuordnen, weil sich hieraus Folgen für die weitern Prostete auf beiden Seiten ergaben.

Im letzten Vers schließt sich der Kreis, die Demonstranten sind abgeschieden aber bleiben entschieden bei ihrem Protest.

Vielleicht ist der Text zu knapp gehalten. Ich habe mich relativ ausführlich mit dem G8 Gipfel beschäftigt, aber so ganz erschließt sich mir der Text noch nicht.

Meine Tendenz ist es zu glauben, dass du die Entschlossenheit der Globalisierungsgegener nach den Krawallen von Rostock thematisiesrt, aber so ganz trau ich meiner Interpretation nicht.


Liebe Grüße
Gerda

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 13.06.2007, 23:38

Hi Jürgen,

ich habs jetzt dreimal gelesen, gehe inhaltlich voll mit, aber die Sprache ich mir zu wortspielfixiert. Obwohl sie ja eigentlich Richtiges transportiert. Es ist wahrscheinlich das Zu-oft-Gehörte an den Ausdrücken, das mir unbehagt, das ist (m)ein Wahrnehmungsproblem.

Wenn Strophe zwei komplett wegfiele, , wäre das ein Dynamikfortschritt, glaube ich. Sie ist die einzige, die nur erklärt, die keine Bilder 'überträgt', wie es die anderen Strophen schaffen.

Iich glaube - anders als Gerda - das ginge noch dichter, kürzer.... ein bisschen :o)
Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu... (Charles Bukowski)

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 13.06.2007, 23:51

Hallo Gerda, Hallo Tom,

Danke für Eure Kommentare.

@ Gerda
Du hast genau richtig analysiert. Ich möchte noch hinzufügen, dass die seltsame Situation, dass abgeschieden von der Welt hinter einem Zaun so ein Brimborium praktiziert wird, da eine Rolle im Text spielt. Man findet zig Infos über wahre und falsche Krawalle, über die Betten, in denen während des Gipfels geschlafen wurde, aber verdammt wenig über die Inhalte der Diskussionen der G8- Elite. Aber Du hast Recht. Der Schwerpunkt lag bei den Demonstranten, wie gesagt, mit Hinzunahme dieser von Medien und Politikern aufgeputschten Situation und wie sie bei mir ankam.

@ Tom
Kürzer und dichter würdest Du es gerne lesen. Hmm, trägt Strophe drei bzw. vier ohne die Zweite? Für mich stellt sie einen unverzichtbaren Aufbau dar. Wortspielereien habe ich allerdings arg viel einfügt, das stimmt. Danke für Deinen Leseeindruck. Ich lasse ihn mir noch etwas durch den Kopf gehen.

Dank Euch und schöne Grüße

Jürgen

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 23.06.2007, 09:55

okay, es geht so durch als protestlyrik, aber ich würde mehr erwarten - sprachlich sowie inhaltlich.
vielleicht aus den ersten eindrücken heraus geschrieben, kommt mir die differerenzierung zu kurz. was passiert da eigentlich? wie kann man das geschehene reflektieren und menschlisch sowie moralisch einstufen? dazu reichen ein paar schlagworte nicht aus.
aber wie gesagt, gurke, als kurzer, einseitiger protest akzeptabel.

gruß
chiquita

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 24.06.2007, 18:30

Hallo Chiquita,

Danke für Deinen Kommentar.

Du kannst Dir denken, dass der Text spontan zum aktuellen Anlass geschrieben wurde. Du wünscht dir sprachlich wie inhaltlich mehr. Ehrlich gesagt, denke ich inzwischen, dass es gekürzt werden sollte. Eventuell nur Strophe eins und fünf und sonst nichts.

Schönen Abend

Jürgen

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 24.06.2007, 19:01

hallo gurke, aber findest du nicht , daß ein solches thema erklärungsbedürftiger ist? es ist ja zb. nicht abstrakt wie die liebe zu sehen, wo jeder von uns sofort einen zugang hat - sondern hält sich an konkreten und von dir erfahrenen ereignissen. es macht für mich wenig sinn, wenn nur jene menschen zu deinem gedicht zugang haben, die unmittelbar dabei gewesen sind.

gruß
chiqu.

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 26.06.2007, 00:02

Hallo Chiquita,

Du schreibst
"aber findest du nicht , daß ein solches thema erklärungsbedürftiger ist?"
Es ist meines Erachtens nicht ungefährlich im Gedicht zu erklären, das ist die Aufgabe des Sachtextes. Viele Inhalte lasse ich weg, ignorisiere sie, sonst bedichte ich m. E. nicht meinen Eindruck. Alle Inhalte des Themas passen, denke ich, nicht in ein Gedicht, dafür gibt es ja das genannte Sachbuch. Danke übrigens für das Protestlyrik, das hat mich sehr gefreut, auch wenn ich es dem Text diesen Anspruch nicht (mehr) so ganz zutraue.
Ich verstehe Dich so, Du würdest es lieber so lesen, dass G8 Heiligendamm konkretisiert wird. Das ließe sich im Titel machen. Ich denke drüber nach.

Schönen Abend geht ins schöne Heidelberg

Jürgen

Max

Beitragvon Max » 26.06.2007, 21:01

Lieber Jürgen,

das Gedicht erinnert mich an ein kurzes Gespräch beim treffen, dass Du einwarfst, wie schwer es heutzutage sozialkritisch sei zu schreiben und dennoch ernst genommen zu werden und auch drana, dass ich mir damals vorgenommen habe, mal ein sozialkritisches Gedicht zu versuchen und dass es mir bislang noch nicht gelungen ist, eines zu verfassen.

Mir geht es wie Tom, ich stimme inhaltich völlig überein. Von der Form aber bleibt ein ungutes Gefühl, dass das Gedicht sehr sprachspiellastig ist, wurde ja schon bemerkt und das gibt - in meine Augen - dem Gedicht eine Form, die dem Inhalt nicht ganz angemessen ist. Ja, ich habe mich angesichts des Textes gefragt, ob der politische Inhalt nicht wirklich besser in Form einer Glosse verarztet werden könnte ... aber umgekehrt hast Du natürlich recht: Es muss auch poetisch möglich sein.

Liebe Grüße
Max

Klara
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Beitragvon Klara » 26.06.2007, 21:09

Hallo Jürgen,

vielleicht brächte eine andere (etwas experimentellere, stakkato-) Setzung und optik eine andere Sicht?

auf der anderen seite / des zaunes / wird entschieden
abgeschieden / angriff / schutz / bewaffnen
auch die worte / des ministers sind / nicht entwaffnend [das Kursive würde ich streichen]

steinwürfe. / kameraschwenk das ganze / verfahren

eilt. sie fahren verdammt / harte geschütze / auf scheinwahrung
abgeschieden / bleiben / wir / entschieden

herzlich
klara

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 27.06.2007, 22:23

Hallo Max + Klara,

@ Klara

Deine Version hat was für sich.

Wenn ich aber über den Text und mein Schreibverhalten nachdenke, komme ich zum Schluß, dass ich zu viele verschiedene Einzelthemen hineingepackt, keinen schlüssigen Aufbau hatte und durch Wortspielereien kaschiert habe. Besser ich hätte zwei oder mehr Gedichte geschrieben. Daher die Kürzung, die eine Komponente behandelt.

Schönen Abend

Jürgen

Klara
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Beitragvon Klara » 28.06.2007, 00:53

Hi Jürgen,

die kurze Fassung ist gut!

Ich würde sogar noch ein Wort wegnehmen (und visualisieren).

auf der
anderen seite
des zaunes
wird entschieden

abgeschieden

bleiben wir
entschieden


Gute Nacht
Klara

Max

Beitragvon Max » 28.06.2007, 21:48

Lieber Jürgen,

ja diese neue Fassung ist wesentlich stringenter.

LIebe Grüße
Max

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 28.06.2007, 22:07

Hallo,

ja, "abgeschieden" vom Textblock abzuscheiden halte ich entschieden für das perfekte Sahnehäubchen.

Die neue Version finde ich auch sehr schön ausgesägt.


Cheers

Pjotr


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