tanz

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.05.2007, 12:48

tanz

irgend wann entleibt sich
unser-
eins von selbst

bis dahin
summt blut durch
adern
er-regt im herz-
takt

los gelöst von angst

- sein eingesaugt
mit poren bis bewuchs
sich sinnlich
sträubt

doch

zeit läuft all-er-orts
und land-
verlust gewinnt

langsam


spiegelstrich bei irgend-wann entfernt
- eingesaugt ergänzt: - sein eingesaugt (danke Max!)


(c)ELsa Rieger
Zuletzt geändert von Elsa am 13.05.2007, 21:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Klara
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Beitragvon Klara » 12.05.2007, 19:30

Hallo Elsa,

das Gedicht macht es mir schwer.
All die Spiegelstriche, die ich nicht verstehe, die Brüche...
irgend-wann entleibt sich
unser-
eins von selbst

erschließt sich mir nicht, rein formal.

Inhaltlich lese ich ein Aufbegehren gegen den Tod, und doch seine Hinnahme als lebensbedingend. Ich lese einen lebendigen Körper, der weiß, dass er sterben wird. Der Körper weiß es. Weil der Körper die Grundlage fürs Leben ist, alles andere wäre heiliger Mist.
- eingesaugt
mit poren bis bewuchs
sich sinnlich
sträubt

Da verstehe ich nicht, auf was sich "sich sinnlich sträubt" bezieht (auch grammatisch).

Schön finde ich:

und land-
verlust gewinnt

langsam

rein klanglich: land und lang(sam) stellt einen zusammenhang her (da kann ich dann auch die setzung nachvollziehen).

Langsam stirbt man, verliert Land (Körper, Denken) an den Tod, aber dieses Landverlieren gewinnt, übers Leben - ich sehe da einen Perspektivwechsel, der zugleich das Individuum auslöscht, und damit die Perspektive gleichgültig macht.

(Oweh, das war jetzt chaotisch ausgedrückt, aber ich lasse es testweise erstmal stehen...)

Herzlich
Klara

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noel
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Beitragvon noel » 12.05.2007, 23:07

hmmm

ich hatte auch erst meine spiegelstrich absatz schwierigkeiten & jetzt habe ic es mir zusammengewortet
für mich
nicht mehr
nicht weniger


die worte die geSPIEGELstricht sind
offen
_baren immer ein ER
die überschrift TANz
gemeinsam gibt es mir sinn im text

so ala, auch wenn die zeit den raum
besiegt, sind es noch die sinne
die lebendig machen & sind
die sich sträuben
auch wenn
der verlust gewinnt
fürderhin
& irgendwann
NOEL = Eine Dosis knapp unterhalb der Toxizität, ohne erkennbare Nebenwirkung (NOEL - no observable effect level).

Wir sind alle Meister/innen der Selektion und der konstruktiven Hoffnung, die man allgemein die WAHRHEIT nennt ©noel

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 12.05.2007, 23:43

Liebe Klara, liebe Noel,

kurzum, Noel hat es geknackt!

Klara:
Zitat:
irgend-wann entleibt sich
unser-
eins von selbst

erschließt sich mir nicht, rein formal.
Ich habe hier versucht das irgendwann und wann (als frage zu kombineren. ebenso unser (zusammensein im leben) aber auch eins (jeder für sich)

Zitat:
- eingesaugt
mit poren bis bewuchs
sich sinnlich
sträubt
Da verstehe ich nicht, auf was sich "sich sinnlich sträubt" bezieht (auch grammatisch).
bei Sinnlichkeit sträubt sich das Haar auf der Haut. Und das ganze Leben ist durchzogen von Sinnlichkeit. Wir saugen ein mit der Haut. Zugleich sträubst sich uns aber auch alles vor der Vergänglichkeit des Leibes, die uns ja ständig bewusst ist. Ähnlich der Angst, von einem geliebten Menschen verlassen zu werden, was auch immer geschehen wird, und sei es durch Tod.

Eigentlich ist es ein erotisches Liebesgedicht fürs Leben. Ich denke im Moment, es kann auch nicht anders stehen.

Vielen Dank für eure Gedanken dazu.

Lieben Gruß
ELsa
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.05.2007, 01:48

Liebe Elsie,

die Komposition deines Gedichtes gefällt mir ausgesprochen gut. Man müsste eigentlich Choreographie sagen,-) Der Titel "Tanz" durchzieht sich durch alle Verse, verändert seine Tempi und auch seine Gattung, mal "Salsa", mal "Blues", aber insgesamt dennoch immer "paso doble" im wahrsten Sinne des Wortes.
Tanz der Sinnlichkeit durch das Leben, immer, auch wenn man um den Tod weiß.
Besonders diese Worte, die du für die Gänsehaut gefunden hast, finde ich sehr schön.

- eingesaugt
mit poren bis bewuchs
sich sinnlich
sträubt


Vielleicht eine Idee: Ich würde das "Wir", wie du es im ersten Vers indirekt drin hast (durch 'unser-eins), auch in die anderen Verse einbringen, also das LyrWir mehr ausdrücken, so wird dein Gedicht noch sinnlicher.

Saludos
Mucki

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.05.2007, 11:00

Liebe Mucki,

Ich freu mich sehr, dass du die Tänze des Lebens (schön, dass du den Paso Doble als Hauptrhythmus entdeckst!)
Ja, die Gänsehaut, sie ist ja eine Mischung von Lust und Grauen, sie erscheint in beiden Fällen.

Ob ich das LyrWir in den anderen Strophen wiederholen mag, da bin ich mir nicht sicher im Moment,
es könnte passsieren, dass damit der Tanz zerfleddert wird. Ich behalte die Idee aber im Hinterkopf, denn wer weiß.

Zunächst bin ich froh, dass es überhaupt für mich in Worte zu fassen war, was ich schon lange sagen wollte.

Vielen Dank und lieben Gruß,
ELsie
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.05.2007, 12:53

Liebe Elsie,

Ob ich das LyrWir in den anderen Strophen wiederholen mag, da bin ich mir nicht sicher im Moment,
es könnte passsieren, dass damit der Tanz zerfleddert wird. Ich behalte die Idee aber im Hinterkopf, denn wer weiß.


Stimmt, das könnte passieren, du müsstest das LyrWir sehr subtil einflechten, um das "Zerfleddern" zu verhindern. Aber gut, dass du die Idee im Hinterkopf behältst.

Zunächst bin ich froh, dass es überhaupt für mich in Worte zu fassen war, was ich schon lange sagen wollte.


Ja, das ist dir allemal gelungen,-)
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 13.05.2007, 21:18

Liebe Elsa,

rein thematisch spricht mich dieser Text an. Die Endlichkeit der Zeit ist auch für mich immer ein Thema und ich lese es auch in Deinen Zeilen als einen der wesentlichen Anlässe.

Dass Du aber in Strophe 1 versuchst Aussage und Frage zu kombinieren, ist für mich ohne Deine Erklärung nicht verständlich und führt zudem zu der Konstruktion mit den verwirrenden Spiegelstrichen, die schwer nachvollziehbar sind.
Ich würde zur ersatzlosen Streichung dieser Striche neigen.

In dem Rest gefallen mir die Bilder und die Fromulierungen, vielleicht mit Ausnahme des "eingesaugt mit Poren ..." in:

bis dahin
summt blut durch
adern
er-regt im herz-
takt

los gelöst von angst

- eingesaugt
mit poren bis bewuchs
sich sinnlich
sträubt


denn rein grammatisch bezieht es sich auf das Blut. Wenn ich mir vorstelle wie mman Blut durch Poren aufsaugt, gibt das eine (fantastische) Sauerei.

Liebe Grüße
Max

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.05.2007, 21:27

Ok, lieber Max,

eingesaugt sollte sich nicht aufs Blut sondern aufs Leben beziehen. Hm. Eine sauerei will ich nicht anstellen :-) Ich denke nach über eine Möglichkeit.

Dann nehme ich mal den irgend-wann Strich weg und schau, was dabei herauskommt. Ich glaube, die anderen müssen. Aber der hier ist mir nicht so wichtig.

Vielen Dank dafür,
lieben Gruß
ELsa
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Max

Beitragvon Max » 13.05.2007, 21:37

Liebe Elsa,

eingesaugt sollte sich nicht aufs Blut sondern aufs Leben beziehen.


gedacht habe ich mir das ja schon. ;-) (ich bin ja nur manchmal sehr blöd). Aber so finde ich den Inhalt auch grammatisch nachvollziehbar.

Liebe Grüße und einen schönen Abend
Max

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 13.05.2007, 21:45

Hallo Elsa!

Mein Kopf sagt "Ja", aber mein Bauch schweigt... Woran könnte das liegen? Vielleicht auch daran, dass ich große Schwierigkeiten hatte, diesen Text für mich sprechbar zu machen.

Auf die Beschreibung "Erotisches Liebesgedicht für's Leben" wäre ich allerdings nie gekommen :blink2:

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 13.05.2007, 22:19

Lieber Max,

Du bist gar nicht blöd, ich danke dir!

Lieber Ferdi,

Mag sein, dass er schwer zu sprechen ist, ich könnte es mal probieren.
Dass dein Kopf ja sagt, der Bauch jedoch schweigt .... ich bin im Moment sehr mit den Gedanken
zur Endlichkeit beschäftigt, vielleicht liegt es daran?

Lieben Gruß
ELsa
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Perry

Beitragvon Perry » 14.05.2007, 16:02

Hallo Elsa,
ein Text, der tief gründelt und Lebensweisheit versprüht
(zeit läuft all-er-orts
und land-
verlust gewinnt

langsam).

So recht kommen meine Gedanken aber trotzdem nicht ins Schwingen. Vielleicht liegt es an Formulierungen wie entleibt, Blut summt und Bewuchs, die keine richtige Tanzstimmung bei mir aufkommen lassen.
LG
Manfred

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 14.05.2007, 18:30

Lieber Manfred,

Danke für deine Gedanken.

Ob das mehr ein Frauentanz ist :frage:

Lieben Gruß
ELsa
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