im Wind

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.05.2007, 12:49

 
ich atme deine Worte
mit dem Wind
und stürme
in den Wipfeln deiner dichten Wälder

am Rande neigt sich eine junge Silberweide dem Fluss zu
                                                                                          bis zur Berührung

deine Luftmoleküle besuchten
meine verborgenen Orte
und verirrten sich nicht in meinem Labyrinth
nun tragen sie auch meinen Duft

ich rieche ein Meer.....salzig küsst es meine fragenden Lippen still

auf meinen Wangen
spüre ich das Streicheln eines vertrauten Gedanken
und wenn nachts meine langen Haare frei wehen
schöpfe ich aus deinem sanften Klang

die Weide schenkt dem Fluss ein schimmerndes Blatt und er trägt es auf Wellen

                                                mitten hinein
 
Zuletzt geändert von Ylvi am 11.05.2007, 13:38, insgesamt 1-mal geändert.

Peter

Beitragvon Peter » 11.05.2007, 13:24

Liebe Smile,

das finde ich vielfach schön! Auch aus seinem Ursprung (seiner Widmung): dieses Fortsetzen über-, durch-, miteinander, dieses Anfangen, ein Gedicht wird zum nächsten!

Das ist das stärkste Gedicht, das ich bisher von dir gelesen habe. Es kommt mir so naturhaft übergängig, so gereimt vor, so zuhaus in sich selbst; nichts erscheint mir aufgesetzt, nirgends ist ein leerer Verweis.

Im Wind, ja - es ist getragen, es ist weich, wie ein Wind Dinge weich macht, und rund.

Oh, das ist was zum Freuen!

"mitten hinein" am Ende, wie ein Ausruf!

oder dieses:

am Rande neigt sich eine junge Silberweide dem Fluss zu

                                                                                          bis zur Berührung


eine formale Verlängerung, die ganz den Gedanken aufgreift.

Das ist Sprache, denke ich - die nicht auf sich verzichtet. Als sie nur verzichtet, indem sie zu Worten wird. Denn eigentlich ist sie Naturen, ein Wind...

Du siehst mich begeistert.

Liebe Grüße,
Peter

Perry

Beitragvon Perry » 11.05.2007, 13:30

Hallo smile,
ich habe diesen "Windtext" mit Interesse gelesen, weil ich mich auch gerne von seiner poetischen Kraft tragen lasse.
Es scheint mir um zwei Liebende zu gehen, die sich hier als Wind bzw. Landschaft umspielen und imaginäre Küsse austauschen.
Auch die eingeschobenen Flussbilder gefallen mir gut, nur das "eine Meer ..." scheint mir als weitere Bildebene etwas zuviel, was vielleicht auch daran liegt, weil ich das Wort nicht sofort vervollständigen kann (lächel)."
Ingesamt gern gelesen und LG
Perry
PS: Über den Zeitenwechsel könnte man vielleicht auch noch nachdenken.

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.05.2007, 13:48

Hallo Perry,
danke für das ein"e" Meer, das e ist mir da so reingeschwommen.
Deine Interpretation ist schön, auch wenn sie nicht meine Intention war. Es freut mich, dass der Text auch das in sich trägt.

liebe Grüße smile

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.05.2007, 13:59

Hallo Peter,

beim lesen deines Komms, hat mein Herz gleich noch ein paar Luftsprünge mit dem Wind gemacht. Vor allem, weil es mir vor kurzem noch nicht möglich gewesen wäre, so ein Gedicht zu schreiben.
Auch aus seinem Ursprung (seiner Widmung): dieses Fortsetzen über-, durch-, miteinander, dieses Anfangen, ein Gedicht wird zum nächsten!

Ja, ich finde es wirklich erstaunlich und unglaublich bereichernd, was so ein Austausch auslösen kann.

Dieses Gedicht ist denke ich deshalb rund, weil es kein "doch" mehr braucht.

liebe Grüße smile

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leonie
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Beitragvon leonie » 11.05.2007, 16:27

Liebe smile,

oh, das gab es noch nie, dass ich hier als Teil einer Inspiration benannt wurde, ich freue mich und fühle mich fast ein bisschen geehrt.
Und dann ist noch so ein schönes, zartes Gedicht daraus geworden. Ich mag es sehr und habe nur kleine Anmerkungen.

Einige Adjektive erscheinen mir im letzten Teil ein wenig zu "unoriginell" (vertraut, lang, sanft), ich würde vorschlagen, sie wegzulassen oder zu schauen, ob Dir noch stärkere einfallen. Ich glaube, das würde den ohnehin starken Text noch ein klein wenig verbessern.

Danke für Dein Aufnehmen der Inspiration und dieses schöne Gedicht!

Liebe Grüße

leonie

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 11.05.2007, 16:36

Liebe smile,

das ist ja ein ganz besonderes Lyrisches!
Abgesehen von der ungewöhnlichen, schönen Setzung,
die ja tatsächlich wie der Wind durch die Worte fährt,
ist das hier meine Lieblingsstelle:
deine Luftmoleküle besuchten
meine verborgenen Orte
und verirrten sich nicht in meinem Labyrinth
nun tragen sie auch meinen Duft
Erotik pur!

Überhaupt ein so sinnlicher Text.

Total gern gelesen!

Lieben Gruß
Elsa
Schreiben ist atmen

Max

Beitragvon Max » 11.05.2007, 21:13

Liebe Smile,

ein spontaner Kommentar: Das ist eine Smile, die mir gut gefällt, die mit Bildern arbeitet, die ungewöhnlich sind und vor allem deshalb unter die Haut gehen. Mir gefällt ganz besonders

am Rande neigt sich eine junge Silberweide dem Fluss zu
bis zur Berührung



Eine Smile auch, die mit dem Text arbeitet, auch mit dem optischen Eindruck. (Und wieder könnte ich die obigen Zeilen zitieren - auch weil sie so schön sind).

Bislang für mich Dein beeindruckendstes Gedicht.

Liebe Grüße
max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 11.05.2007, 21:34

Hallo Leonie,
es freut mich, dass dir das Gedicht gefällt und dich anspricht.
Die Sprache möchte ich so lassen, auch wenn sie zum Teil "unoriginelle" Worte enthält. Ich empfinde sie als richtig.
Danke zurück für die Inspiration, die wirklich aus dem Andersfühlen entstand. Was auch für mich Neuland ist. Aber ein sehr spannendes.


Hallo Elsa,
es ist schön, dass du den Text so sinnlich (erotisch) liest. Ich versuche noch zu ergründen, ob ich das unbewußt habe einfließen lassen.
danke für deine Rückmeldung


Hallo Max,
Bislang für mich Dein beeindruckendstes Gedicht

Das tut gut! Gerade von dir, der du ja meinen Gedichten sonst sehr skeptisch gegenüberstehst. Das freut mich. Es ist smileuntypisch (bis jetzt) aber ich finde es schön, dass es durch den Salon möglich ist neue Wege zu finden und zu versuchen. Wenn es dann gelingt, ist es natürlich um so schöner.


liebe Grüße an euch alle
smile

Mucki
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Beitragvon Mucki » 12.05.2007, 00:42

Hallo smile,

dein Gedicht liest sich so leicht und ja luftig, das trifft es tatsächlich.
Mir gefällt vor allem die Setzung, sie ist sehr gut durchdacht und erzeugt einen dem Inhalt sich anpassenden Rahmen.
Auch, dass du die Weide am Schluss noch einmal einbringst, finde ich klasse.
Sehr gerne gelesen,-)
Saludos
Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 12.05.2007, 11:17

Liebe smile,

- ich muss und will mich anschließen - das sagt mir auch sehr zu!

(Ich bin bei dir immer erstaunt, wie verschieden zu bist)

Ich schließe mich allerdings in einem Punkt vollkommen leonie an, den Adjektiven. Und ich weiß nicht, ob das was zählt, aber meiner Meinung nach gibt es kein anderes Mitglied im Forum, was da so einen feinen Sinn hat wie leonie - ich glaube, sie hatte in meinen Augen bisher immer Recht, was diesen Punkt angeht ;-).

Für meinen Geschmack sind nicht alle Adjektive kritisch, aber eine Vielzahl schon, weil sie im Bild zum Tautologischen tendieren. ich versuch mal anzudeuten:



ich rieche ein Meer.....salzig küsst es meine fragenden Lippen still (hier bitte zumindest eins fortnehmen! fragend still muss einfach überladen wirken...und wenn ich ehrlich bin: damit der text den freien Ton beibehält, den es bis hierher hat, würde ich beide streichen. Dein text ist ein zarter Text, er kann nur noch feiner werden ohne solche Attribute, die sich aufdrängen, ohne die aber viel näher dasselbe gesgat wird...)

und wenn nachts meine langen Haare frei wehen (hier auch wieder: lang braucht es gar nicht...dadurch, dass die Haare wehen, sind sie in der Vorstellung automatisch "lang". und auch das "frei" nimmt dem wehen seine Kraft...wenn Haare auf diese Weise wehen, sind sie immer frei! ich würde auf beide verzichten...).

schöpfe ich aus deinem sanften Klang

die Weide schenkt dem Fluss ein schimmerndes Blatt und er trägt es auf Wellen (sanft und schimmerndes machen die Beobachtungen zu gleichklingend...ich würde mich auch von einem trennen (sanft) - wenn der Fokus auf deinem Klang liegt innerhalb der Wahrheit dieses Textes, dann ist er doch immer sanft...).

Wirkt das nicht? Wenn ich drängen darf: Probier es einmal!

Etwas unvermutet kommt für mich dann noch das Wort "labyrinth", sprachlich passt das für mich einfahc nicht, den Sprung vom Süßwasser zum Salzwasser finde ich hier, aus mir unbekannten gründen, als gerade richtig.

Insgesamt aber schon beeindruckend, was du für Sprünge machst hier...fein das!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Scal

Beitragvon Scal » 12.05.2007, 13:00

Hallo Smile,

auch ich finde das - wie Peter sagt - vielfach schön.

Wie das so ist: Während des Lesens steigen die subjektivfarbigen Verwandlungswünsche auf. So wie ich es momentan erlebe, würde ich persönlich dein Gedicht so umgestalten:

ich atme deine Worte
mit dem wind
und stürme in den Wipfeln deiner dichten Wälder

am Rande neigt sich eine junge Silberweide dem Fluss zu
bis zur Berührung

und ich spüre ein Meer
es küsst salzig und still
meine fragenden Lippen

die Wangen streicheln
vertraute Gedanken

die Weide schenkt dem Fluss
ein schimmerndes Blatt

er trägt es auf Wellen
mitten hinein

_


Luftmoleküle, Labyrinth, Duft

das Motiv dieser Worte würde ich an deiner Stelle entweder fallen lassen oder neu formulieren, wobei ich Luftmoleküle wegen seiner Unanschaulichkeit in diesem Gedicht als zu abstrahiert empfinde.

Soviel von meinem subjektiven Eindrücken.

Lieben Gruß
Scal

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 12.05.2007, 21:29

Hallo Mucki:
danke für deine Rückmeldung, das freut mich sehr.


Hallo Lisa:
(Ich bin bei dir immer erstaunt, wie verschieden zu bist)

Ich auch! ;-) Aber dieses mal ist es dem Austausch hier im Salon zu verdanken, dir also auch einen großen Dank, dass du das möglich machst!

Ich denke auch, dass Leonie ein gutes Gespür für diese Dinge hat, nur kann ich bei diesem Gedicht fürchte ich an keinem Wort (außer vielleicht an den "langen" Haaren, die aber klanglich wichtig sind) etwas ändern. Das Gedicht ist so aus mir herausgeweht und jedes Wort hat seinen Platz und seine Bedeutung für mich.

ich rieche ein Meer.....salzig küsst es meine fragenden Lippen still (hier bitte zumindest eins fortnehmen! fragend still muss einfach überladen wirken...und wenn ich ehrlich bin: damit der text den freien Ton beibehält, den es bis hierher hat, würde ich beide streichen.

Das geht gar nicht, denn es ist (für mich) ein sehr zentrales Thema, dass die Lippen die sonst fragen still werden können.

und wenn nachts meine langen Haare frei wehen

bei lang stimme ich dir inhaltlich zu, aber dann verändert sich der Klang, es ist kein Wehen mehr, sondern ein Windstoß. Du sagst das "frei" nimmt dem "wehen" seine Kraft. Es ist ein ruhiges, sanftes befreiendes wehen, kein drängendes, stürmisches. Genau deshalb braucht für mich diese Zeile auch diese Länge.

sanft und schimmerndes machen die Beobachtungen zu gleichklingend

oh, das ist schön, dass ein Kritkpunkt von dir eigentlich genau das Gegenteil für mich heißt. Ja, es entsteht ein Gleichklang und es ist schön, dass du ihn hörst.

Das "Labyrinth" ist auch aus dem Austausch mit Peter entstanden. Wie eigentlich das ganze Gedicht. Was ich nach wie vor erstaunlich finde. :nicken: Aber auch so empfinde ich das Wort als sehr passend an dieser Stelle.

So, nun bin ich ganz irritiert, weil ich jetzt alle deine Vorschläge ablehne, aber dieser Text ist für mich einfach so richtig, dass ich ihn fühle. Was mich sehr glücklich macht.

Vielen Dank für deinen Kommentar. Es war gut, noch einmal über die Zeilen zu reflektieren, auch wenn ich nichts geändert habe.


Hallo Scalidoro

erst einmal "Hallo" hier im Salon.
Schön, dass du dich mit meinem Gedicht auseinandergesetzt hast. Ich habe deine Fassung gerne gelesen. Werde aber aus den auch schon bei Lisa genannten Gründen nichts daran verändern.
Es ist interessant, dass dir genau die Stelle, die Elsa z.B. als die schönste des Gedichtes empfunden hat, nicht zusagt.
und ich spüre ein Meer
es küsst salzig und still
meine fragenden Lippen

Mein Meer küsst nicht salzig und still sondern die fragenden Lippen werden still durch den Kuss.
die Wangen streicheln
vertraute Gedanken

nein, anders herum, die Gedanken streicheln die Wangen

und wo sind meine langen Haare und der sanfte Klang hinverschwunden? ;-)

Mit der Setzung bin ich mir meist sehr unsicher. Hier jedoch passt es für mich ganz genau. Gerade auch die "Berührung" und das "mitten hinein".

Wir lesen uns sicher noch öfter. Vielen Dank für deinen Rückmeldung.


liebe Grüße euch allen
smile

Perry

Beitragvon Perry » 14.05.2007, 10:07

Hallo Smile,
ich habe mit Interesse und einem Lächeln mitverfolgt, wie vehement du deine Zeilen verteidigst. Ich denke, das ist in der Phase in der du gerade schreibst auch wichtig und richtig. Vielleicht denkst du in einigen Monaten schon anders darüber und kannst die Anregungen besser verstehen. Aktuell geht es mir ähnlich. Ich habe gerade mein lektoriertes Script für einen neuen Gedichtband zurückerhalten und selbst mir alter Hase sind zum Teil die Tränen in den Augen geschossen, als ich sah, wie wenig von meinen mit Herzblut geschrieben Zeilen übrig geblieben ist. Jetzt, wo ich es in Ruhe noch einmal studiert habe, erkenne ich immer mehr, wie befreiend dieses textliche "Auslüften" wirkt.
Alles Gute für dich und LG
Manfred


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