Irgendeines sagt

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Peter

Beitragvon Peter » 09.05.2007, 11:47

Irgendeines sagt, du seist aus Gegenden,
wo die Worte schweben,
die Äste die Himmel öffnen,
und das Umschreibende weitet.

Irgendeines sagt, dass ich aus Gebirgen komme
zur anderen Seite.
Moränen, Gletscherzungen, Höhlen in die Tiefe
seien mein Zuhaus.

Trotzdem kenne ich dich.

Von dir: eine kleine Geste
verrücken sich in mir
Steine.

Irgendeines sagt, dass es das Leichte gibt,
unter dem Staub, unter den Steinen
wären Papiere, die einstmals von Händen geschöpft
der Ursprung auch meiner Täler waren.

Irgendeines sagt: Die Nacht begann aus Blumen;
es wären Strände ihrer viele gewesen; und dass,
bevor sich jedes verschob und faltete
und nochmal faltete,
ein Meer auf unseren Gründen lag.

Das eine verspricht, dass noch Seen seien
auf deiner Seite.

Wir wären ein Buch,
das nur
der verrückte Wind, aus Eis,
zu meiner Seite
auffror.
Zuletzt geändert von Peter am 10.03.2011, 17:22, insgesamt 2-mal geändert.

Perry

Beitragvon Perry » 09.05.2007, 13:26

Hallo Peter,
ja, die Sprache der Bücher ist vielfältig. Du hast einige ansprechende Bilder in diesen Gedanken eingewebt:
"wo ... die Äste Himmel öffnen"
"die Nacht begann aus Blumen."
Gefällt mir gut!
LG
Manfred

Peter

Beitragvon Peter » 09.05.2007, 19:24

Hallo Perry,

dank dir fürs Lesen, aber vielleicht bist du nicht ganz auf der richtigen Spur. Ich würde eher rätselhaft dahin tendieren, dass die Sprachen der Sprache vielfältig sind, und dann zum Liebesgedicht.

Liebe Grüße,
Peter

[Hups! Ich bin ein Roman! Das ging aber schnell. - Fünf Sterne. P-e-t-e-r. Ja...]

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 09.05.2007, 20:06

Hallo Peter,

das sind wieder so viele Bilder und so viele Fragen. Vielleicht auch Antworten, wenn ich die Zeilen wirken lasse. Es sprudelt nur wieder so schnell.
Es ist alles da, die Seen, die Berge, das Eis, die Worte...
Du formulierst so, dass ich wieder, wie hast du gesagt: labyrinthisch, zu denken anfange.
Erst dachte ich: die Worte weiten die Bedeutung des Umschriebenen
dann: das Umschriebene weitet sich selbst
dann: das Eigentliche weitet das Ich
und dann: Mist, was umschreibt denn was?
Sehr schön das „Höhlen in die Tiefe“, immer weiter voran in die Tiefe vorzudringen. Der Tiefe des Verständnisses?
Trotzdem kenne ich dich
ist so klar formuliert, dass es heraussticht, aus den Bildern. Ich frage mich, woher dieser Satz kommt.
Was sich mir inhaltlich noch völlig entzieht, sind die Zeilen
wären Papiere, die einstmals von Händen geschöpft
der Ursprung auch meiner Täler waren.

hier möchte ich lesen:

wären doch Papiere, die einstmals von Händen geschöpft
der Ursprung auch meiner Täler.

„die Nacht begann aus Blumen“ wunderschön, oder schrecklich?
„ein Meer auf unseren Gründen lag“
Auch hier gehen meine Gedanken auf die Suche. Was für Gründe, wofür, wogegen, was ist das Meer?
Wie kalt muss es im Gebirge gewesen sein, dass Eiswind noch auffriert?
Wieder ein sehr feiner, außergewöhnlicher Text, der mich anspricht, aber sich (noch) nicht öffnet, deshalb auch wieder eine etwas chaotische Rückmeldung.

liebe Grüße smile

Sollte mein „im Fluss“ dich nun wieder zurückinspiriert haben, wäre das natürlich wunderschön.

Peter

Beitragvon Peter » 09.05.2007, 20:48

Liebe Smile,

vielleicht versuchst du das Gedicht auf einer Ebene zu fassen, die an sich im Gedicht selbst gar nicht besteht. Einerseits sagst du ja, alles sei da, andrerseits aber glaubst du diesem Dasein nicht; vielleicht solltest du. Dann spielt sich sicher auch das Verb, spielen sich die Adjektive in die Substantive, die du benennst - und schon ist kein Labyrinth mehr.

Diese bestimmte Verb scheint dir vorenthalten, aber andrerseits doch wieder nicht. Du sprichst von einer Schnelligkeit. Es ist vielleicht diese, dass du ein Verb mitbringst, und deswegen das Verb, also den eigentlich Beweggrund der Zeilen übersiehst.

Gedichte (meine...) sind ja leise - aber sie würden dir bestimmt antworten. Deine Fragen wären dann keine mehr.

Ich glaube, dass sich dann auch... wie könnte man sagen... bestimmte Wertigkeiten einstellten. Wie zum Beispiel bei: "und das Umschreibende weitet". Die erste Strophe vollzieht einen Kreis (meinem Lesen nach). Also setzt das andere, folgende neu an (übrigens auch inhaltlich). Und auch das nächste vollzieht einen Kreis.

All das scheint mir Teil des Verbs zu sein, das man aber (er)hören muss... das ist die Aufgabe.

Ich biete ein Verb an.

Ich behaupte, dass es dieses Verb gibt.

Es bewegt sich aber in Kreisen, die von einer Erklärung außerhalb ihrer Kreise nicht wissen. Also gibt es eigentlich nichts zu erklären. Man muss nach innen...

„die Nacht begann aus Blumen“ wunderschön, oder schrecklich?


Es ist beides, denke ich.

Mir gefällt das Stürmische deines Kommentars, du bist wie ein Wind! Wenn ich nur könnte, würde ich dir die Tür sofort öffnen. Aber es gibt gar keine.

Liebe Grüße,
Peter

[natürlich inspirierst du, liebe Smile]

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leonie
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Beitragvon leonie » 09.05.2007, 20:57

Lieber Peter,

Das lyrIch und das lyr Du scheinen in zwei Welten zu leben, zuhause zu sein, in der des lyr Du schweben die Worte, ist der Himmel zum Greifen nah, in der des lyr Ich gehen sie in die Tiefe.

Kaum zu glauben, dass sie einander berühren könnten. Und doch ist es so. Lyr Ich kennt das Du. Es kann sogar von ihm sehr existentiell berührt und verändert werden.

Warum? Woher kennen sie einander? Der zweite Teil wagt eine Antwort: Sie haben einen gemeinsamen Ursprung: im Leichten, in den von Hand geschöpften Papieren, in den Blumen, Stränden und dem Meer. (Von dem sogar noch eine Erinnerung auf der anderen Seite blieb in den Seen).

Das Gedicht könnte die Hoffnung hegen, dass die beiden das Universum einen könnten. Ob es das tut, ich weiß es nicht.

Liebe Grüße

leonie

Sneaky

Beitragvon Sneaky » 09.05.2007, 21:12

Hallo Peter,

Plattentektonik und Gletscher, Überformungen und Verwerfungen. Das sind zunächst die Dinge, an denen ich mich entlanghangle. Ich bin kein Analytiker, meine Wahrnehmung kommt aus dem Bauch. Von dort hör ich ja, mag ich, nein unverdaulich.

Mir gefällt der Text mit seinen Bildern, das Buch am Schluss nicht so sehr. Wenn das Gedicht bei
...auf unseren Gründen lag, aufhören würde, wärs ausreichend für mich.

Höhlen in die Tiefen sehe ich als "Spalten" das funktioniert für mich nicht.

es wären Strände ihrer viele gewesen klingt aufs erste Lesen yoda-esk, aber trotzdem gefällt mir das. Passt sich gut ein.

Insgesamt sehr viele Plus-Stellen in diesem Text für mich

lG

reimerle

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 09.05.2007, 21:28

Lieber Peter,

Ich bin bin zu einfach aus Gefühlen gestrickt. Ich lese - wie ich schon sagte - deine Lyrics mit summendem Blut.

Hier lese ich vom lieben und sehnen, von vergangenem, verschiedenem, das einst zusammen war.
Eins von beiden hat einen Fehler gemacht, und will wenigstens noch hören, dass es das andere, dort bei den Seen noch gibt. Wartet eigentlich nur darauf, geschmolzen zu werden, ohne selbst zu wagen, den ersten Schritt zu tun.

Das lese ich für mich. Ist wahrscheinlich komplett daneben für dich. Ich hole mir meins aus deinem, ich hoffe, ich darf das.

Ein wunderschöner Text!

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Max

Beitragvon Max » 09.05.2007, 21:56

Lieber Peter,

wenn ein Mathematiker sich einem Text intuitiv nähert, kann das eigentlich nur schief gehen - ich will es trotzdem versuchen.

Dein Gedicht - ein wunderschönes, das sei zum Anfang gleich bemerkt - ist für mich die Liebeslyrik einer ersten Begegnung, eines Aufeinandertreffens, bei dem man im anderen das Leichte erkennt und dadurch auch in sich das Leichte wiedererahnt. Wenn dies der Eindruckist, den Du vermittlen möchtest, so finde ich die verwendeten Bilder zauberhaft. Manfred sprach schon

Irgendeines sagt, die Nacht begann aus Blumen;


an, aber auch

du seist aus Gegenden,
wo die Worte schweben,
die Äste die Himmel öffnen,


oder das Bild der letzten Strophe

Wir wären ein Buch,
das nur
der verrückte Wind, aus Eis,
zu meiner Seite
auffror.


haben es mir angetan. Wobei ich bei letzterem noch bemerken muss, wie gut, dass "auffror" als Pendant zu "zufror" in dem Buchbild funktioniert.

Kleinere Probleme habe ich mit

es wären Strände ihrer viele gewesen;


das für mich unnötig gedrechselt wirkt, nicht ganz so natürlich wie der Rest. Und bei

Von dir: eine kleine Geste
verrücken sich in mir
Steine


habe ich mich gefragt ob

Eine kleine Geste von Dir
verrückt in mir
Steine

das gleiche sagen würde.

Ich hab's sehr gern gelesen.

Liebe Grüße
Max

Peter

Beitragvon Peter » 09.05.2007, 23:00

Liebe Leonie,

ich habe jeden Einzelsatz deiner Antwort mit einem Ja gelesen. Und das letzte Ja hat mich überrascht: Das Universum, ja! - Wenn ich den Gedanken überdenke, ist das natürlich viel, das Universum... aber... wovon sprechen wir? Es gibt mit Sicherheit auch ein Universum in der Vorstellung, in den Worten... und darauf zielt das ganze. Wenn das Buch, am Ende der Zeilen, sich schließen würde, wären Sterne darauf. Es geht um ein Eins-Sein, es geht um das Eins-sein... Vielleicht geht es letztlich um die Welt selbst... Man darf das bezweifeln, aber ich schwimme aus in diesen Gedanken, eigentlich scheint er mir recht einfach und wahr.

Das finde ich sehr schön, Leonie, dass du das Gedicht in einer/ in eine solche Dimension wagst.

Wieder ein Danke!

Liebe Grüße,
Peter

Zu den anderen Antworten möchte ich mich morgen äußern.

Peter

Beitragvon Peter » 10.05.2007, 18:15

Hallo Reimerle,

Mir gefällt der Text mit seinen Bildern, das Buch am Schluss nicht so sehr.


Ich halte das Buch für die Ursache des Gedichts, und die Textzeilen bewegen sich darauf zu, über die "Seiten", die "Papiere", über das Duale...

Höhlen in die Tiefen sehe ich als "Spalten" das funktioniert für mich nicht.


Ich sehe Höhlen hier u.a. aus einem Kontext, zu "...zungen".

es wären Strände ihrer viele gewesen klingt aufs erste Lesen yoda-esk, aber trotzdem gefällt mir das. Passt sich gut ein.


Darf ich fragen, was heißt: "yoda-esk". Ich habe nachgeschaut, aber nichts gefunden.

Merci für die Plus-Stellen und fürs Lesen!

--

Liebe Elsa,

musst net immer so "gschamig" sein. (Sagt man das so in Österreich, oder ist das Bayrisch?) Nein, ich freue mich, auf deine Leseweise zu treffen. Vielleicht verstehst du das ganze menschlicher als es ist - aber verstehst es vielleicht eben deshalb besser als ich. Die Ursache des ganzen siehst du in einem Fehler "Fehler gemacht", am Ende in einem fehlenden Mut. Dem würde ich nicht ganz zustimmen, da es eher eine Natur ist, eine "Natur der Trennung", um die es im Gedicht geht - darüber hinweg kann nur etwas Unmögliches helfen. (Leonie hat ja diesbezüglich etwas aufgezeigt.)

--

Lieber Max,

ja, es ist eine Begegnung mit dem Leichten, oder vielmehr ist es eine Sage, die entsteht, dass es etwas gibt, und dieses Etwas ist mitunter leicht. Noch weiter gesehen, ist es der Ursprung des lyr. Ichs selbst. Es ist... vielleicht die vergessene Schrift... es sind die vergessenen Jahre... Es ist das, was einmal gewesen war... aber vielleicht über den einzelnen Menschen hinaus... eine Sage...

Eine kleine Geste von Dir
verrückt in mir
Steine


würde das gleiche sagen; ich möchte aber auf das Verstellte nicht verzichten, da es mir den Vorgang des Steineverrückens widerspiegelt; und im Beispiel zuvor, soll das "Gedrechselte" vorbereitend wirken auf den Zusatz: "; und dass". "ihrer" und "und dass" stehen rhythmisch gesehen auf einer Höhe (in der Alchemie meiner Empfindung:-))

Euch liebe Grüße!

Peter

Max

Beitragvon Max » 10.05.2007, 20:48

Lieber Peter,

herzlichen Dank für diese Erklärungen.
Es ist ein sehr schönes Gefühl Texten zu begegnen, die so gut durchdacht sind und bei denen der Autor auf Nachfragen sein Schreiben so gut begründen kann (ich gestehe ganz ehrlich: mir gelänge das nicht).

Liebe Grüße
Max


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