Wir I

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 02.05.2007, 22:24

Wir

In aller Stille der Nacht
kleine Augen schauen mich an

Winken mit den Wimpern

sagen
Welt-Meer
Welt-Schmerz

sagen
Stille

Ich schau zurück
in unsere Gesten
in deine Augen

Deine Gladiolen sind schön
wie deine Hände
die Wangen

Und dann haben wir ein Kind
Zuletzt geändert von moshe.c am 05.05.2007, 13:42, insgesamt 1-mal geändert.

Perry

Beitragvon Perry » 03.05.2007, 11:18

Hallo Moshe,
schön dich mal wieder hier zu lesen.
Ein ungewöhnlich besinnlicher Text, der das Elternglück in den "kleinen Augen" gut spiegelt.
Begrifflich kann ich mit "aller Stille" und bildlich mit den "Gladiolen" allerdings nicht viel anfangen. Trotzdem gern gelesen!
LG
Manfred

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 04.05.2007, 10:13

Lieber moshe,

diesen Text finde ich sehr gelungen, er ist sehr weich und dadurch mutig. Sogar das Wort Welt-Schmerz fügt sich für mich voll ein, obwohl ich das so schnell bei keinem Text vermutet hätte. Besonders gefällt mir der Klang, der Rhythmus und die Stimmung. Ein text, der für mich die allzu kultivierte Liebe nah an der Erde sein lässt.


Zwei kleine Dinge würde ich überlegen: Das "klein" gefällt mir nicht, gerade im Zusammenhang mit einem Kind (ob nun ein ganz menschliches oder ein im übertragenen Sinn gemeintes) bedient das "kleine Augen" für mich ein erotisches Klischee ("Kind"frau, devot etc.). Ich denke zudem, es gibt hier ein Adjektiv, das noch genauer beschreibt, was gemeint ist.

Als zweites würde ich den Punkt am Ende des Textes nicht setzen.

Achso, die wiederholenden Augen sind mir noch aufgefallen - ich ahne aber, dass sie einen Bogen spannen sollen und kann das auch - nach einer Reflektion - so lesen.

Die Gladiolen kommen etwas unvermittelt daher, ein bisschen entsteht der Eindruck, "irgendetwas hätte noch hergemusst".

Für mich abgesehen von diesen Kleinigkeiten ein sehr gelungener Text!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 04.05.2007, 10:32

Hallo,

das finde ich schön, Moshe!

Ich lese die Kreisläufigkeit von gestern, heute, nach morgen; "wir" sind nur Transportmittel für die Zukunft und die Vergangenheit, "wir" erkennen das in der Stille, im Kindhaben.

Du wiederholst das Wort "Stille", das stört mich ein klein wenig, weil es, glaube ich, jeweils etwas anderes meint - kann dann nicht auch ein andres Wort her?

Grüße
Klara

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 04.05.2007, 20:13

Lieber Perry!

Wir gehen von unterschiedlichen Schreib-und Betrachtungsweisen aus, die in meinen Augen nichts konkurierendes haben.
Du schreibst Sinnbilder, die du aus der Natur nimmst, und stellst sie in einen Interpretationszusammenhang.
Das ist prima so, und ich mag es.

Ich beschreibe oft Situation einfach so aus meiner Welt und stelle sie in einen Interpretationszusammenhang.

Deine Basis ist klarer, weil sie sozusagen materiell besser fassbar ist.
Meine nicht, denn sie beruht auf mehr oder weniger erfahrbaren individuellen oder allgemeinen sehr persönlichen Empfindungen und deren Interpretation.

So gibt es eben verschiedene Arten von Stille, die natürlich nicht physikalisch nachgewiesen werden können, sondern nur auf einer sehr persönlichen Ebene erfahren werden können, oder nicht, aber dennoch von verschiedenen Menschen eben auch so erfahren werden.

Es gibt die ganze Stille (in aller Stille) und die kleine Stille, die auf die ganze Stille verweist.

Es gibt die Gladiolen, die von den schönen Händen einer Frau im Garten gepflegt werden und dann ggf. auf einem schönem Tisch in einer Vase erscheinen.


LIebe Lisa!

Den Aspekt mit der Kindfrau kann ich überhaupt nicht empfinden, weil ich ihn einfach nicht habe.( Erotisch???) (Ich weiß nicht, was ich sonst dazu sagen könnte.)
Ich erwähne dies zuerst, weil ich da deinen stärksten Einwand sehe, aber er mir gleichzeitig auch vollkommen unverständlich ist.(Vielleicht kannst du mir da ja noch helfen.)

Das sich so ein Wort wie 'Welt-Schmerz' in einen Text leicht einfügt, hat mich auch überrascht.

Den Punkt nehme ich wirklich gern gleich raus.


Liebe Klara!

Natürlich meint das Wort 'Stille' jeweils etwas Anderes. Das soll es ja auch. Es gibt verschiedene Arten von Stille, und dennoch benutzen wir immer das gleiche Wort.
Wir haben nicht für Alles ein anderes Wort, sondern müssen immer auch auf den Zusamenhang bauen. So sehe ich es hier.

Danke für eure guten Kommentare

Moshe


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