Unterwegs im Bermudadreieck

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 24.02.2006, 16:25

Unterwegs im Bermudadreieck

Jetzt bloß nicht zurückschauen, denn der Kompass könnte dem Blick folgen. Immer weiter den siebzigsten Längengrad entlang, der dieses besondere Stück Weltmeer, wie ein Hosenträger am Bauch der Erde festhielt. Wo lauerte die Gefahr? Unter der Oberfläche, hinter den Wolken oder gar in den Strahlen der tief stehenden Sonne, die uns wie schwerer Madeira in einen tröstlichen Schlaf wiegte.
In unserem kollektiven Traum hing ein fremder Mond am Firmament. Die Segel trugen die Farben von Gestern. Ich machte dir noch einmal einen Heiratsantrag, doch deine Lippen schwiegen.

Als sich der gelbe Nebel lichtete, warst du verschwunden aus einer Wirklichkeit, in der kein Platz mehr für unsere Liebe war. Ich gab eine Vermisstenmeldung auf, doch diese hatte nur noch statistischen Wert.

Niko

Beitragvon Niko » 02.09.2006, 19:50

hallo perry!
schade, dass dieses werk von dir quasi verschollen (im bermudadreieck :cool: ) war. ich finde den text im grunde gelungen. über die form stolpere ich dann doch. warum zb. nicht so?:

Unterwegs im Bermudadreieck

Jetzt bloß nicht zurückschauen,
denn der Kompass könnte dem Blick folgen.
Immer weiter
den siebzigsten Längengrad entlang,
der dieses besondere Stück Weltmeer,
wie ein Hosenträger
am Bauch der Erde festhielt.
Wo lauerte die Gefahr?
Unter der Oberfläche,
hinter den Wolken oder
gar in den Strahlen der tief stehenden Sonne,
die uns wie schwerer Madeira
in einen tröstlichen Schlaf wiegte.

In unserem kollektiven Traum
hing ein fremder Mond am Firmament.
Die Segel trugen die Farben
von Gestern.
Ich machte dir
noch einmal einen Heiratsantrag,
doch deine Lippen schwiegen.

Als sich der gelbe Nebel lichtete,
warst du verschwunden
aus einer Wirklichkeit,
in der kein Platz mehr
für unsere Liebe war.
Ich gab eine Vermisstenmeldung auf,
doch diese hatte nur
noch statistischen Wert.


"kollektiver traum" finde ich misslungen. und insgesamt ist der text überarbeitungswürdig. aber das thema ist gut, es ist in weiten teilen gut angegangen. da sind einige bilder, die ich sehr gelungen finde. zb:
hing ein fremder Mond am Firmament.
Die Segel trugen die Farben
von Gestern.

oder vor allem:
denn der Kompass könnte dem Blick folgen

ich würd nochmal rangehen. fände ich lohnend!

lieben gruß: Niko

Perry

Beitragvon Perry » 03.09.2006, 18:42

Hallo Niko,
danke fürs "Heben" dieses Textes. Bei der Vielzahl meiner Werke ist es sicher kein Beinbruch, wenn mal eines unkommentiert im Meer der Lyrik abtaucht. Das Werk ist als Prosalyrik gedacht, deshalb auch die gewählte Form, in der es zwischenzeitlich auch in meinem dritten Gedichtband "Wellengesänge (2006)" gedruckt worden ist. Trotzem danke für den Vorschlag, man könnte den Text sicher auch verdichteter darstellen.
LG
Manfred

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.09.2006, 18:53

Hallo Perry!

Ich finde Niko hat hier eine wunderbare Kritik abgegeben... Wieso willst du es nicht in diese Form bringen und die erwähnten Defizite beheben? Das finde ich ein bisschen schade! Man stellt doch seinen Text hier hinein, um ihn noch verbessern zu können und nicht um ihn zu preisen...das denke ich zumindest.

(Aber vielleicht hast Du ja schon geplant ihn zu überarbeiten...dann möchte ich fortan schweigen :smile: ...)

Die von Niko angeführten Formulierungen fand ich auch sehr gut! An dieser Stelle:

Ich machte dir noch einmal einen Heiratsantrag, doch deine Lippen schwiegen.


-musste ich allerdings etwas schmunzeln... Nochmal? (Das hört sich an, als ob zwischen dem ersten und zweiten Mal nur ein paar Minuten vergangen sind...)

Sonst mag ich das Thema und manche Ausdrücke sehr!

Liebe Grüße, l.

Perry

Beitragvon Perry » 04.09.2006, 10:14

Hallo Louisa,
freut mich, dass du dich so für den Text interessierst. Wie gesagt, da er mittlerweile bereits gedruckt worden ist, macht eine nachträgliche Überarbeitung nur noch wenig Sinn.
Ansonsten gebe ich dir Recht, man könnte durchaus noch an einer Versform arbeiten. Vielleicht mache ich das auch einmal, im Moment beschäftige ich mich jedoch lieber mit aktuellen Werken (lächel).
LG
Manfred

steyk

Beitragvon steyk » 04.09.2006, 11:11

Hi Perry,
wenn du die Rechte an diesem Text nicht abgegen hast, kannst du mit ihm machen was du willst, was bedeutet, daß du ihn nach Nikos Vorschlag "formen" könntest. Würde sich lohnen, für dich und und den Salon ;-)

Gruß Stefan

Louisa

Beitragvon Louisa » 04.09.2006, 12:25

Wieso stellst Du ihn dann hier aus, wenn Du nichts daran verbessern möchtest?

Wenn er für alle Menschen hier sofort perfekt wäre, dann kann man seinen Text natürlich so lassen wie er ist, aber so ist das doch gar keine richtige Kommunikation. Was sollen wir dann noch kritisieren oder loben, wenn es so schon abgeschlossen für Dich ist?

-Ich schließe mich nochmals Niko und Steyk an. Sowas finde ich nicht so gut. Wenn Du die Kritik von Niko nicht vollkommen ablehnst, spricht für mich nichts dagegen es noch zu verschönern...deshalb sind wir doch hier !?

Grüßlein, louisa

Perry

Beitragvon Perry » 04.09.2006, 13:40

Hallo Louisa,
Als ich den Text hier eingestellt habe, war er noch nicht gedruckt, hätte also jederzeit im Forum besprochen werden können. Damals interessierte sich leider niemand dafür.
Da das Interesse jetzt anscheinend größer ist, können wir gerne gemeinsam an einer neuen Version arbeiten:

Hier meine Versvariante:

Unterwegs im Bermudadreieck


Jetzt bloß nicht zurückschauen
der Kompass könnte dem Blick folgen
Immer weiter
den siebzigsten Längengrad entlang
Lauerte die Gefahr in der tiefstehenden Sonne
die mich wie schwerer Madeira
in einen tröstlichen Schlaf wiegte

In meinem Traum
hing ein fremder Mond am Firmament
Die Segel
trugen die Farben von Gestern
Ich machte dir
einen letzten Heiratsantrag
doch deine Lippen schwiegen

Als sich der gelbe Nebel lichtete
warst du verschwunden
aus einer Wirklichkeit
in der kein Platz für uns war
Ich gab eine Vermisstenmeldung auf
doch diese hatte nur noch
statistischen Wert

LG
Manfred

Perry

Beitragvon Perry » 04.09.2006, 13:43

Hallo Stefan,
danke für den Hinweis. Dann lass uns daran arbeiten, auch wenn ich den Text wahrscheinlich nicht ein zweites Mal drucken werde lassen.
LG
Manfred

Niko

Beitragvon Niko » 04.09.2006, 14:33

es geht ja letztendlich nicht darum, ob du ihn nochmal drucken lässt, oder nicht, perry. sondern wie er für dich fertig ist. und so ganz nebenbei besteht die möglichkeit, dass man für sich selber neue aspekte sieht, wenn man nochmal an einen text rangeht. speziell für dieses gedicht und auch generell für das weitere schreiben.
Unterwegs im Bermudadreieck


Jetzt bloß nicht zurückschauen
der Kompass könnte dem Blick folgen
Immer weiter
den siebzigsten Längengrad entlang
Lauerte die Gefahr in der tiefstehenden Sonne
die mich wie schwerer Madeira
in einen tröstlichen Schlaf wiegte


die stimmung und die formulierungen, die du hier verwendest, gefallen mir. und sie ist es, die mich in das gedicht hineinzieht. man könnte an manchen stellen kürzen (unwesentlich) und auch die zeilenbrüche anders setzen (werd ich weiter unten mal einfach probieren. ohne anspruch auf ein umsetzen, vielmehr als ein betrachten einer anderen variante. was du dann daraus machst, ist einzig deine sache, denn es ist ja auch eine sache der "eigenen handschrift".

In meinem Traum
hing ein fremder Mond am Firmament
Die Segel
trugen die Farben von Gestern
Ich machte dir
einen letzten Heiratsantrag
doch deine Lippen schwiegen


die ersten zeilen sind gut. punkt. gibts nix zu deuteln. dann hätte ich mir bei heiratsantrag und schweigenden lippen gewünscht, dass sie sich der bíldhaften sprache davor anschließen.
Als sich der gelbe Nebel lichtete


(frage: wieso gelb?)
warst du verschwunden
aus einer Wirklichkeit

(auch die wirklichkeit passt nicht zu den ansonsten gut gelungenen bildern )
in der kein Platz für uns war
Ich gab eine Vermisstenmeldung auf
doch diese hatte nur noch
statistischen Wert

(vielleicht könnte man "aus einer wirklichkeit.........- für uns war" komplett streichen?)die sache mit der vermisstenmeldung gefällt mir persönlich. allerdings würde ich das noch etwas dichter packen.

ich versuche jetzt mal andere zeilenbrüche und versuche, das ein oder andere verändern, was ich oben anmerkte.

Unterwegsim Bermudadreieck

Jetzt bloß nicht zurückschauen
der Kompass könnte dem Blick folgen
Immer weiter
den siebzigsten Längengrad
entlang Lauerte Gefahr
in tiefstehender Sonne
die mich wie schwerer Madeira
in einen tröstlichen Schlaf
wiegte

In meinem Traum
hing ein fremder Mond
am Firmament Die Segel
trugen die Farben von Gestern
Ich machte dir
einen letzten Heiratsantrag
doch deine Lippen
schwiegen

Als sich der Nebel lichtete
warst du verschwunden
eine Vermisstenmeldung
die ich aufgab
hatte nur noch statistischen Wert

alles nur mein subjektives empfinden. aber vielleicht ist das ein oder andere dir ein denkanstoß.
lieben gruß: Niko
Zuletzt geändert von Niko am 04.09.2006, 16:04, insgesamt 1-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 04.09.2006, 14:50

Also ich finde diese Kritik wirklich sehr gut und durchdacht! Schön, dass Du Dir solche Mühe machst Niko-

(Ich hoffe nicht umsonst...)

Grüßlein, l.

Perry

Beitragvon Perry » 04.09.2006, 16:31

Hallo Niko,
habe heute gerade ein wenig Luft, deshalb kann ich gleich auf deine Vorschläge eingehen.
Vorab vielleicht noch was Grundsätzliches. Für mich war der Text in seiner Prosaform fertig, sonst hätte ich ihn nicht drucken lassen.
Wenn wir ihn jetzt zu einem Versgedicht weiterentwickeln ist das, wie du selbst festgestellt hast, lediglich eine Lernübung.
Nun zu deinen Anregungen:
Zum Titel: Das "unterwegs" ist für mich ein dynamischer Faktor, der zu meinem Schreibstil gehört, deshalb möchte ich es auch beibehalten.

Der Text ist in zwei Ebenen angelegt. Da ist einmal die Bildebene mit der Bermudadreiecksmystik, geprägt durch Berichte und Filme, die es darüber gibt (deshalb auch der "gelbe" Nebel). Dann ist da die scheiternde Liebesbeziehung, die in die Bildebene eingewebt ist. Hier könnte man tatsächlich noch einen Schritt weitergehen und diese noch mehr integrieren, wobei natürlich die Gefahr besteht, dass der Leser dann kaum mehr Ansatzpunkte hat diese zu erkennen. Die Wirklichkeit in der es kein "uns" mehr gibt ist für mich als Gegensatz zum Traum unverzichtbar.

Was nun die Zeilenumbrüche und Versbildung anbelangt, tendiere ich zu einer gleichen Zeilenzahl pro Vers und einer sinnhaften Brechung, weshalb ich in der Regel dann auf Satzzeichen verzichten kann.

Vorschlag zum zweiten Vers:

In meinem Traum
hing ein fremder Mond am Firmament
Die Segel
trugen die Farben von Gestern
Ich schlug dir einen neuen Kurs vor
doch du wolltest
die Zeichen nicht verstehen

LG
Manfred

Niko

Beitragvon Niko » 04.09.2006, 20:31

hallo perry!
es ist dein gedicht. um form muss man nicht feilschen. um inhalte noch weniger.
mein posting war als anregung gedacht, mehr nicht. was aus dem ganzen wird ist letztendlich immer sache des autors.
lieben gruß: Niko

aram
Beiträge: 4510
Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 04.09.2006, 21:33

hallo querab!

perry, ich wollte dir sagen, dass mir der text sowohl in der prosaform als auch in deiner versvariante sehr zusagt - letztere finde ich klar und überzeugend, erstere reiz-voller und 'schwieriger' zugleich - weil der text tiefsinniger ist als er oberflächlich scheint, und der zeilenumbruch auch in 'prosaform' nicht ganz beliebig ist, von der spaltenbreite abhängt - ist also auch so ein 'erzählgedicht' in meiner wahrnehmung.
(gehe ich recht in der annahme, das die gedruckte version da ein wenig anders aussieht als hier oben im kopf? umbrüche jeweils ein wort vor satzende bzw. nach satzbeginn erschweren die wahrnehmung eines textes dieser dichte als in sich geschlossen.)

die unterschiedlichen formulierungen zum heiratsantrag ('noch einmal einen' vs. 'einen letzten')
passen für mich zur jeweiligen art der setzung.

in beiden fällen gefällt mir das 'doch diese' im schlusssatz nicht, ich fände 'doch sie' (evtl. auch: doch die) der übrigen sprache angemessener.

'unterwegs im b.' klingt ein wenig kitschig- unbeholfen. 'passage im b.' oder 'passage b.' gefiele mir besser, legt feinere spannung vor.

gern gelesen! (im februar war ich leider noch nicht hier .-)
aram


p.s. wenn ein autor einen thread zu seinem text als definitiv abgeschlossen betrachtet, ließe der sich auch schließen.


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot] und 18 Gäste