Lieber Peter,
mir sind Deine einfühlsamen Kommentare aufgefallen: viele der Blauen Dichter (ich auch) fühlen sich in ihrer Intention von dir verstanden!
Umgekehrt scheint es mir nur bedingt so: Deine Gedichte inspirieren. Aber es sind eher kreative Missverständnisse. Das Schönste findet sich in Leonies letztem Gedicht (Wort II).
Und noch erstaunlicher finde ich, dass ich Deine eigenen Kommentare zu Deinen Gedichten nicht begreife...
Die naheliegende Erklärung: das ist mir zu hoch.
Dies Phänomen, dass Du verstehst, aber nicht verstanden wirst, könnte auf eine ganz besondere Ausprägung der lyrischen Wahrnehmung hindeuten.
Davon gehe ich jetzt erstmal aus.
Das zweite (was dem vorigen nicht widerspricht): Du hast auch ein ganz besonderes Problem des lyrischen Ausdrucks.
Um es pointiert vorweg zu nehmen: Du machst das Gegenteil von dem, was die Konkrete Poesie will.
Das ist an sich völlig legitim (und kommt mir sehr entgegen), nur führen sich beide Positionen in ihrer Zuspitzung ad absurdum: Die eine wird bis zur Sinnlosigkeit banal, die nach ihrer Selbstdeutung
findigen Tiere eben, die so viel
verlässlicher zu hause sind in der gedeuteten Welt als Du.
Du dagegen verweigerst den konkreten Ausdruck bis zum Verlust jeder Mitteilbarkeit.
Das möchte ich jetzt genauer ausführen, und zwar recht lose an verschiedenen Deiner Werke.
Hier im Thread steht mein Beitrag deshalb, weil ich es auf der Vorlage Rilkes tun will (habe ihn mir extra über die Osterferien mitgenommen). "Rilke" und die Duineser ist also das "Raster" oder die "Streckbank" auf die "Du" jetzt geschnallt wirst:
Ich hoffe, Dir ist mit diesem Satz klar, dass es nur um eine kreative Gesprächsgrundlage geht und nicht um eine Einordnung und Ausschöpfung Rilkes oder Deiner Lyrik!
Die ersten beiden Elegien handeln für mich von der Erfahrung der Entgrenzung:
Es gibt ein Erleben, das dies zerbrechliche Gefäß, welches wir Person nennen, zu sprengen droht.
Die Schönheit, die eine solche Sehnsucht hervorrufen kann, dass es weh tut (und die weit über jedes "haben wollen" hinausgeht), eine Kraft, die die bisherige pausbäckige Selbstgenügsamkeit zunichte macht: Das Engelmotiv in den Elegien.
Es gibt ein Erleben, bei dem man jede Bodenhaftung verliert, das Gefühl der eigenen Unwirklichkeit bekommt,
weil man sich so gut in das andere, Fremde hineinverstzen kann, sodass es kein Eigenes, keine eigene Substanz mehr gibt. Die Dinge bzw. Ereignisse werden wirklicher, beständiger als das lyr. Ich selbst, transpersonal:
die Frühlinge brauchten dich, Sterne muteten sich dir zu, eine Gewohnheit, die blieb, weil
es ihr bei uns gefiel. All das hat mehr Substanz als das Lyr. Ich. das völlig überfordert damit ist, diese Realitäten aufzufassen: es wagt nicht allein deshalb schon zu sein, nur weil
meine Hände einander innewerden oder sich mein gebrauchtes Gesicht in ihnen schont.
Mir scheint, Du kennst das sehr gut, dieses Überdehntsein bis an die Grenzen des Möglichen und das Gefühl, dahinter im Unfassbaren begänne erst die Wirklichkeit.
"an deinen letzten Rändern,/ diesen, an die sich dein Weniges spannt,/ dass, so fern du auch bist,/
das Rauschen..."
Dass Rilke den Toten mehr Wirklichgeit zugesteht als dem lyr. Ich, ist das poetische Sprungbrett um eben diese transpersonale Aufsprengung,
Rosen und andern eigens versprechenden Dingen nicht die Bedutung menschlicher Zukunft zu geben: Der Sinn (siehe unten XXIX)
ist die Grenzüberschreitung, auch wenn sie die Person zerstört. Ähnlich ist das
Los der Liebenden:
wie der Pfeil die Sehne besteht, um im Absprung mehr zu sein als er selbst. Unausgesprochen bleibt, dass dieses "er selbst" nach dem Absprung nicht(s) mehr ist.
Diesen Schritt gehst Du nicht mit. Du erkennst das als Auflösung und wehrst Dich.
Mit denselben lyrischen Mitteln.
Eine ähnliche Erfahrung ausdrückend (vom Tod und den treibenden Menschen, 4. und 5. Absatz).
Aber Du suchst die Einheit dahinter (die "Lichte" bevor "es Punkt" wird, aus Deinem Kommentar zu "Die Lebensbücher").
Du verweigerst dabei eine Grenzziehung, weil Du spürst, dass es diese Grenzen nicht gibt.
Dadurch verweigerst Du die Sprachwerdung, weil Sprache immer "dialegomai" ist, das Verb zur Dialektik: die Verbindung Subjekt-Prädikat-Objekt bzw. Sprechender sprechen/hören Hörender.
Sie konstituiert erst Satz und Gegen-Satz
und übersteigt sie als Transzendentes.
Deshalb ist für mich der 3. Teil von "Die Lebensbücher: Die Zeit" deutlich schwächer als der 1. Teil:
Obwohl "auch dort Zeichen ... und Zeile" ist, hast Du magisch das Entfernteste verbunden und zum "Gast" der "Mitten" gemacht.
In Deiner letzten Strophe leugnest Du den Unterschied der Qualitäten einfach.
Wasser ist aber nicht Luft!
Dort, wo sie es sind, ist nicht mehr Unterschied, ist auch kein oben/ unten,
ist kein Wort.
Dort schweigst Du... Oder ich
.gif)
?
".Bist du der, der im Spiegel schläft im Teich?
.Ich schlief auf den Wolken, sieh dort im Teich!"
Das sollte jetzt kein Vorschlag für Dein Gedicht sein, sondern den Unterschied aufzeigen, wie die Dualität (Grenze Luft/Wasser) anerkannt und gleichzeitig ein Weg ihrer (alchemistischen)
Verwandlung angedeutet wird. Darin zeigt sich die Einheit. Es bleibt allerdings bei der Spannung. Sie ist der
Kreuzweg, den wir aushalten müssen.
Sonst sollten wir konsequent sein und uns hier abmelden.
Denn es läuft so oder so aufs's gleiche hinaus.
Was ist deine leidenste Erfahrung? Dass sich füllen die "abgestandenen Gläser mit dem Teichwasser der fremden Zeit"? Was "dem Dasein" näher war "überfällt dich":
Dann sprich es aus als Spannung zwischen dem hier und dort und lass zu, dass es dadurch nicht mehr wahr bleibt.
Da Du ein Dichter bist, findet Dein Leser den Weg schon zurück.
Rilke hat diese "dialektische" Spannung so ausgedrückt:
zu der stillen Erde sag: ich rinne/zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin."Du verweigerst einen Standpunkt (weil er relativ ist).
Das schadet Deiner Lyrik.
Obwohl es immer möglich sein wird, sie als unverbindliche Vorlage eigener Assoziationen zu nehmen. Gerade dann.
Willst Du das?
Stiller Freund der vielen Fernen, fühle,
wie dein Atem noch den Raum vermehrt.
Im Gebälk der finstern Glockenstühle
lass dich läuten. Das, was an dir zehrt,
wird ein Starkes über dieser Nahrung.
Geh in der Verwandlung aus und ein.
Was ist deine leidenste Erfahrung?
Ist dir Trinken bitter, werde Wein.
Sei in dieser Nacht aus Übermaß
Zauberkraft am Kreuzweg deiner Sinne,
ihrer seltsamen Begegnung Sinn.
Und wenn dich das Irdische vergaß,
zu der stillen Erde sag: ich rinne
zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin.Ich könnt schwören, der Alte hat das (XXIX Sonett an Orpheus) nur für Dich geschrieben...
LG, Carl