Der Tod und die beiden Männer
Verfasst: 21.02.2006, 16:25
Der Tod und die beiden Männner
Zwei Männer wohnten Tür an Tür im gleichen Haus.
Der eine jung, agil, im Herzen noch ein Kind,
Der andre alt, gebeugt, verbraucht und blind,
Saß reglos Jahr um Jahr, ging nicht mehr aus.
An einem wunderschönen Tag im Mai,
Es war wohl um die zwölfte Stunde,
Kam an dem Haus der Tod vorbei
Und machte wie tagtäglich seine Runde.
Er ließ begehrlich seine Blicke schweifen
Und sah den jungen Mann bei frohem Spiel.
Da dacht’ er: „Den, den will ich greifen,
Sein Lebenslot wiegt schon zuviel.“
Er trat zu ihm und sprach: „Komm, lass dich leiten
Hin in mein großes, fernes Reich,
Über den grauen, ew’gen Fluss der Zeiten!“ ¬¬–
Der Jüngling, er begriff und wurde bleich.
Entsetzt rief er: „Ich bin doch noch so jung an Jahren!
Hab noch die Liebe nicht erfahren!
Will lachen, tanzen, mich vergnügen,
Im Wettkampf über andere siegen!
Will älter werden und verstehen,
Wohin all unsere Wege gehen,
Worin der Quell des Bösen liegt
Und lernen, wie man es besiegt!
So mancher Plan mir noch vorschwebt,
Hab doch mein Leben nicht gelebt!
Verschwind’, verschone mich mit deinem Hauch!
Es gibt wohl andere Junge auch,
Die du mit deiner Kraft kannst zwingen,
Hab noch so viel zu End’ zu bringen!“
Doch, ach, der Tod griff ihn mit fester Hand
Und zog ihn in sein dunkles Land.
Der Alte rief, gewahr des Jungen Flehen:
„Halt, Bruder Tod, lass mich an seiner Stelle gehen!
Ich trag an Jahr und Krankheit schwer,
Bin so entsetzlich müd’ und mag nicht mehr!
Hab viel’ Enttäuschung hinter mir
Laut schloss sich manche harte Tür.
Hab wahre Liebe nie gefunden,
Mein Leben lang mich nur geschunden.
So viele Bücher nie gelesen,
Bin an so vielen Orten nie gewesen,
Hab liebliche Musik noch kaum gehört,
Die sanft und süß des Menschen Herz betört
So mancher Plan, den ich ersonnen,
Ist wie Sand mir durch die Hand geronnen
Und hat in meinem Leben nie getragen,
Nun bin zu schwach ich, ums erneut zu wagen.
Ging gerade Wege, auch mal Kreise,
Tat alles stets auf meine Weise
Und hab’ dabei viel falsch, nur Manches gut gemacht,
Hab nächtens still geweint und tags zu laut gelacht.
Drum Bruder Tod, ich bitt dich, schon’ den Knaben,
Ich folg mit Freuden dir, kannst gern mich haben!
Hier, greif meine Hand nur schnell
Und nimm mich an des Jungen Stell’!
Ich trag an Jahr und Krankheit schwer,
Bin so entsetzlich müd’ – ich mag und kann und will nicht mehr!“
Der Tod hielt inne kurz und dachte nach,
Sprach dann in kaltem Ton: „Gemach!
Ich bin des Schlafes mächt’ger Bruder,
In meinen Händen liegt dein Lebensruder!
Es hört mich niemand kommen, niemand sieht mich gehn,
Mich rührt kein Weinen, rührt kein menschlich’ Flehn.
Mich interessiert nicht Alter noch Geschlecht
Noch ob wer Herr ist oder Knecht.
Mir untertan ist jede Kreatur,
Nach meinem Takt schlägt deine Lebensuhr!
Nur dann und erst, wenn ich es will,
Steh’n deine Lebenszeiger still.
Nicht du bestimmst den Tag, den Ort,
Ich spreche das entscheidend’ Wort!
Das letzte „Jetzt“ aus MEINEM Mund erschallt,
Bis dröhnend es im Weltenrund verhallt!“
Zwei Männer wohnten Tür an Tür im gleichen Haus.
Der eine jung, agil, im Herzen noch ein Kind,
Der andre alt, gebeugt, verbraucht und blind,
Saß reglos Jahr um Jahr, ging nicht mehr aus.
An einem wunderschönen Tag im Mai,
Es war wohl um die zwölfte Stunde,
Kam an dem Haus der Tod vorbei
Und machte wie tagtäglich seine Runde.
Er ließ begehrlich seine Blicke schweifen
Und sah den jungen Mann bei frohem Spiel.
Da dacht’ er: „Den, den will ich greifen,
Sein Lebenslot wiegt schon zuviel.“
Er trat zu ihm und sprach: „Komm, lass dich leiten
Hin in mein großes, fernes Reich,
Über den grauen, ew’gen Fluss der Zeiten!“ ¬¬–
Der Jüngling, er begriff und wurde bleich.
Entsetzt rief er: „Ich bin doch noch so jung an Jahren!
Hab noch die Liebe nicht erfahren!
Will lachen, tanzen, mich vergnügen,
Im Wettkampf über andere siegen!
Will älter werden und verstehen,
Wohin all unsere Wege gehen,
Worin der Quell des Bösen liegt
Und lernen, wie man es besiegt!
So mancher Plan mir noch vorschwebt,
Hab doch mein Leben nicht gelebt!
Verschwind’, verschone mich mit deinem Hauch!
Es gibt wohl andere Junge auch,
Die du mit deiner Kraft kannst zwingen,
Hab noch so viel zu End’ zu bringen!“
Doch, ach, der Tod griff ihn mit fester Hand
Und zog ihn in sein dunkles Land.
Der Alte rief, gewahr des Jungen Flehen:
„Halt, Bruder Tod, lass mich an seiner Stelle gehen!
Ich trag an Jahr und Krankheit schwer,
Bin so entsetzlich müd’ und mag nicht mehr!
Hab viel’ Enttäuschung hinter mir
Laut schloss sich manche harte Tür.
Hab wahre Liebe nie gefunden,
Mein Leben lang mich nur geschunden.
So viele Bücher nie gelesen,
Bin an so vielen Orten nie gewesen,
Hab liebliche Musik noch kaum gehört,
Die sanft und süß des Menschen Herz betört
So mancher Plan, den ich ersonnen,
Ist wie Sand mir durch die Hand geronnen
Und hat in meinem Leben nie getragen,
Nun bin zu schwach ich, ums erneut zu wagen.
Ging gerade Wege, auch mal Kreise,
Tat alles stets auf meine Weise
Und hab’ dabei viel falsch, nur Manches gut gemacht,
Hab nächtens still geweint und tags zu laut gelacht.
Drum Bruder Tod, ich bitt dich, schon’ den Knaben,
Ich folg mit Freuden dir, kannst gern mich haben!
Hier, greif meine Hand nur schnell
Und nimm mich an des Jungen Stell’!
Ich trag an Jahr und Krankheit schwer,
Bin so entsetzlich müd’ – ich mag und kann und will nicht mehr!“
Der Tod hielt inne kurz und dachte nach,
Sprach dann in kaltem Ton: „Gemach!
Ich bin des Schlafes mächt’ger Bruder,
In meinen Händen liegt dein Lebensruder!
Es hört mich niemand kommen, niemand sieht mich gehn,
Mich rührt kein Weinen, rührt kein menschlich’ Flehn.
Mich interessiert nicht Alter noch Geschlecht
Noch ob wer Herr ist oder Knecht.
Mir untertan ist jede Kreatur,
Nach meinem Takt schlägt deine Lebensuhr!
Nur dann und erst, wenn ich es will,
Steh’n deine Lebenszeiger still.
Nicht du bestimmst den Tag, den Ort,
Ich spreche das entscheidend’ Wort!
Das letzte „Jetzt“ aus MEINEM Mund erschallt,
Bis dröhnend es im Weltenrund verhallt!“