Biblioteca (Palazzo III)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Herby

Beitragvon Herby » 08.03.2007, 20:01

Biblioteca

Eine narbige Eichentür
hütet den Hort,
bleiverglaste Scheiben
lehren den Tag Respekt.
Die Wände raunen Weisheit
der Jahrhunderte.

Auf einem Tisch
mit faltigem Brokat
summt ein Laptop.

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leonie
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Beitragvon leonie » 08.03.2007, 20:53

Lieber herby,

auch das finde ich sehr gelungen, am meisten mag ich diese Stelle:

bleiverglaste Scheiben
lehren den Tag Respekt.

Und die Pointe ist sehr gelungen, die Welten, die sich begegnen, auf Brokat!
"Hütet den Hort" ist für mich schwer verständlich, weil ich bei Hort immer an Kinderhort denke...

Gern gelesen! Wird es noch mehr davon geben? Ich würde mich freuen!

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.03.2007, 22:11

Lieber Herby,

ganz großartig! Das Laptop ist natürlich der Hammer! *ggg*

für

hütet den Hort,

würde ich auch versuchen, ein anderes Wort für "Hort" zu finden. Vielleicht etwas, dass die in Leder eingebundenen Bücher mit Goldschnitt beschreibt?
Sehr sehr gerne gelesen,-)
Saludos
Mucki

Herby

Beitragvon Herby » 08.03.2007, 22:58

Liebe leo, liebe Mucki,

herzlichen Danke für Euer Lesen und Lob!

Was den "Hort" betrifft, so dachte ich an den Hort ( =Schatz) des Wissens, aber ich werde überlegen, ob ich an dieser Stelle nachbessere.

leonie, Du fragst:

Wird es noch mehr davon geben?


Ich habe die Palazzo - Texte nicht als Sequenz "am Stück" geschrieben, sondern je nach Eingebung, und die ausstehende Nr. IV ist noch nicht so, wie ich sie gerne hätte. Aber mit dem Palazzo V (Cappella) wird wohl Schluss sein. Überstrapazieren möchte ich die Thematik auch nicht.

Liebe Grüße
Herby

scarlett

Beitragvon scarlett » 09.03.2007, 09:54

Lieber Herby,

das ist unzweifelhaft mein "Liebling" aus der Serie!
Es gibt nichts Schöneres, Ergreifenderes für mich als in solch alten Bibliotheken zu stehen... Ich gerate da immer ins Träumen, stelle mir all die Menschen vor, die über die Jahrhunderte hinweg in diesen Büchern gelesen, sie sortiert, katalogisiert usw haben...Was mögen sie wohl für Gedanken gehabt haben dabei?

Den "Hort" zu ersetzen ist einerseits sicher überlegenswert, aber andrerseits würde ich es schade finden, die Alliteration fiele weg, ganz zu schweigen davon, daß "Schatz" einfach nicht so schön ist, ja fast schon so beliebig...
Der Hort verweist so schön auf das "horten", "sammeln" und das ist ja auch der Sinn von Bibliotheken, Buchliebhabern.. Schwierig.

Die Verbindung zur Jetzt-Zeit über den Laptop ist dir auch - knapp und präzise - äußerst gut gelungen und doch tun sich damit Welten auf ...

Sehr, sehr gerne gelesen!

Grüße,

scarlett

MarleneGeselle

Beitragvon MarleneGeselle » 09.03.2007, 10:45

Hallo Herby,

ich muss gestehen, dass ich mich mit dem Brokat ein wenig schwertue. Real kann ich mir keine Brokatdecke auf einem Lesetisch vorstellen, auch wüsste ich nicht zu sagen, was der Brokat im übertragenen Sinne ausdrücken soll.

Fragende Grüße
Marlene

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annette
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Beitragvon annette » 09.03.2007, 10:51

Lieber Herby,

gefällt mir auch sehr! Die Atmosphäre der Bibliothek sehr schön eingefangen. Und das Summen des Laptops macht die Ruhe des Ortes greifbar.

Den Hort würde ich stehen lassen. Sowohl in der Bedeutung "Schatz" als auch in der eines Ortes, in dem etwas gehortet, gesammelt und bewahrt wird, passt gut. (Von der Alliteration ganz zu schweigen *g*)

Was mir ein ganz kleines bisschen stört ist die Parallelität der Sätze. Die dreifache Abfolge Subjekt - Prädikat - Objekt wirkt etwas geleiert. Weißt Du, was ich meine?

Allerdings fällt mir im Moment auch nicht ein, wie sich die parallele Struktur durchbrechen ließe.

Und ich muss zugeben: Je öfter ich jetzt den Text lese, um so passender erscheint mir doch die Form. Die statische Struktur ist dem Inhalt sehr gemäß.

Grüße, annette

Mucki
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Beitragvon Mucki » 09.03.2007, 12:50

Hallo Annette,

Und das Summen des Laptops macht die Ruhe des Ortes greifbar.


Es passiert doch genau das Gegenteil. :12: Das Summen bzw. allein die Präsenz des Laptops in dieser "heiligen" Bibliothek ist so absurd, zerstört die Athmosphäre, und das wohl ganz gewollt von Herby, als Aberwitz der Neuzeit.
Saludos
Mucki

Max

Beitragvon Max » 09.03.2007, 16:55

Lieber Herby,

mit der Palazzzoreihe hast Du Dich wirklich in mein Herz geschrieben.

Auch ich finde, dass das Laptop zur stille gehört, sie präsent macht. Den "Hort" würde ich unbedingt lassen, schon allein wegen der Alliteration.

Sehr gerne gelesen, Klasse
Max

Herby

Beitragvon Herby » 09.03.2007, 20:21

Hallo in die Runde,

zunächst einmal möchte ich Euch sehr herzlich fürs Lesen und so viel positive Rückmeldung danken, ich habe mich sehr gefreut!

@scarlett
Da haben wir beide etwas gemeinsam, liebe scarlett. In Bibliotheken, Buchläden und besonders auch in Antiquariaten vergesse ich die Zeit und dann gehen mir ganz ähnliche Gedanken wie Dir durch den Kopf.
Was den Hort betrifft, so werde ich ihn wohl auch beibehalten wegen seiner Bedeutungsnuancen.

@Marlene
Du sprichst den Brokat an, den Du Dir real nicht auf einem Lesetisch vorstellen kannst. Nun schildern ja die Texte meiner Palazzo – Reihe auch keinen wirklich existierenden Palast, sondern in ihnen michen sich Erinnerungen von Reisen mit frei Erfundenem. Ich hoffte, durch den Brokat und den (das?) Laptop einen Gegensatz zwischen Alt und Neu auszudrücken, der sich in dieser und anderer Form häufig in alten Palazzi finde und letztlich beides in sich vereint.

@annette
Du sprichst den Satzbau meiner Verse an. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass er auf manche Leser störend wirken kann, aber ich fand ihn angesichts des beschriebenen Ortes in seiner ruhigen Gleichmäßigkeit ganz angemessen.
Zum „Hort“ siehe oben zu scarlett.

@Mucki
Ich glaube, du hast ebenso Recht wie annette, was das Summen des Laptops angeht. Das Summen wirkt in der Ruhe doppelt laut und störend und macht sie gerade dadurch, wie annette schreibt, greifbar. Ich bin mir allerdings unsicher, ob das Summen die Atmosphäre zerstört, wie Du schreibst.

@Max
Deine Zeilen haben mich sehr berührt und gleichzeitig etwas verlegen gemacht! Danke für Dein Lob!

Liebe Grüße an Euch und ein schönes Wochenende
Herby

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Beitragvon annette » 09.03.2007, 22:58

Mucki hat geschrieben:Es passiert doch genau das Gegenteil. :12: Das Summen bzw. allein die Präsenz des Laptops in dieser "heiligen" Bibliothek ist so absurd, zerstört die Athmosphäre, und das wohl ganz gewollt von Herby, als Aberwitz der Neuzeit.

Eine objektive und eine subjektive Erklärung:
Objektiv: Man kann das Summen eines Laptops nur wahrnehmen, wenn es sehr ruhig ist.
Subjektiv: Das Geräusch eines Laptops in einer Bibliothek ist für mich eng mit Ruhe und Konzentration verbunden. Auch die Verbindung "Altehrwürdige Bibliothek und moderne Technologie" ist für mich kein Widerspruch und zerstört keineswegs die Atmosphäre - Technik allein vermag das nicht, nur der Geist einer Person, die sie benutzt.

Lieber Gruß, annette

Mucki
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Beitragvon Mucki » 10.03.2007, 00:17

Hallo Herby und Annette,

ja, ich versteh jetzt, wie es gemeint ist. Stichwort:

Man kann das Summen eines Laptops nur wahrnehmen, wenn es sehr ruhig ist.



Saludos
Mucki

Gast

Beitragvon Gast » 10.03.2007, 12:13

Lieber Herby,

ich bin froh, dass andere Kommentatoren schon übers Summen nachgedacht haben... ;-)

So kann ich ganz unbeschwert schreiben: Klasse, Thema und Umsetzung, atmosphärisch dicht, für mich: Wunderbar.
Ich habe mich sofort an den Besuch in der Abtei, St Florian, Österreich* erinnern, als mir beim Betreten der alten Bibliothek tatsächlich für einen Moment die Worte fehlten. Ich werde diesen Raum, (Hohe gewölbte Stuckdecke, Fresklenmalerei, das alte Holz der Regale, die Folianten, den Geruch) nie im Leben vergessen, du hast mir die "Ehrfurcht", ja, ich glaube, so kann man es nennen, für mich wunderbar eingefangen, danke.

Liebe Sonnenscheingrüße
Gerda

* ... war aber sehr italienisch angehaucht ;-)

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Beitragvon annette » 10.03.2007, 13:17

Herby hat geschrieben:Du sprichst den Satzbau meiner Verse an. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass er auf manche Leser störend wirken kann, aber ich fand ihn angesichts des beschriebenen Ortes in seiner ruhigen Gleichmäßigkeit ganz angemessen.

Ja, das dämmerte mir dann ja auch mehr und mehr. Stimmt schon, ist sehr harmonisch mit dem Inhalt - wirklich schön, der Text.

Gruß, annette


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