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Wiegenlied

Verfasst: 07.03.2007, 20:30
von Perry
Wiegenlied


Wieder einmal
stehen wir uns gegenüber
gezeichnet vom Kampf
der Geschlechter

Noch klafft der Tag
als Riss
in der Bauchseite unserer Nacht
blutet langsam aus

Doch es bildet sich bereits Schorf
auf den Wunden
hüllt uns
in versöhnlichen Schlaf


2. Fassung:

Wiegenlied


Noch klafft der Tag
als Schnitt in der Bauchseite
meiner Nacht
blutet langsam aus

Da bildet sich bereits Schorf
auf der durch dein Seziermesser
verursachten Wunde
hüllt mich in Schlaf


1. Fassung:

Wiegenlied


Noch klafft der Tag
als Risswunde
in der Bauchseite meiner Nacht
blutet langsam aus

da schiebt sich bereits Schorf
über die von deinem Lichtschwert
geschlagene Verletzung
hüllt mich in Schlaf

Verfasst: 07.03.2007, 21:32
von Max
Lieber Perry,

erster spontaner Eindruck: das gefällt mir, vielleicht mir der Ausnahme des "Lichtschwert"s, das mich zu sehr an Jediritter und Kieg der Sterne erinnert.

Liebe Grüße
max

Verfasst: 08.03.2007, 09:41
von Perry
Hallo Max,
Lichtschwert und Jediritter ist natürlich für SF-Fans naheliegend, hier soll das Lichtschwert mehr für den Engelstatus des lyrischen Du stehen. Manchmal neigen wir dazu den geliebten Menschen zu sehr in den Himmel zu heben und sind dann besonders verletzt, wenn dieser plötzlich menschlich reagiert. Gut wenn dann schnell ein Heilungsprozess einsetzt, damit keine inneren Narben bleiben.
Danke für deinen Eindruck und LG
Manfred

Verfasst: 08.03.2007, 10:07
von Lisa
Lieber Perry,

ich würde das Lichtschwert auch unbedingt ändern - ich bin absolut kein Jedyritterdingsdafan, aber auch ich hatte sofort diese Assoziation, gerade weil du auch oft mit solchen Anlehnungen arbeittest (Ninja war neulich etc.) - und dadurch mutet es komisch an. Und ich glaube fast jeder denkt bei Lichtschwert daran. Die Assoziation von Licht (vs. Schlaf/Tot etc.) möchtest du aber gerne behalten also würde ich das Wort einfach leicht variieren (Sonnenschwert? oder das Wort vielleicht einfach umdrehen (Schwertlicht)?
Ich glaube irgendsoetwas wäre wirklich nötig...

Und zweitens irritiert mich etwas der "noch"...."da"- Bezug: denn kann man so bezüglich gar nicht verwenden oder? Er ist widersinnig oder? Also klar, es geht eigentlich um einen "zwischenmoment", den man zeitlich gar nicht richtig darstellen kann, aber ich binnicht sicher, ob du die entstehende Spannung aus dieser "grammatischen" Widersinnigkeit extra gesetzt hast. Kann man so machen, lkann man aberauch leicht variieren...

Warum eigentlich der Titel? Den empfinde ich als etwas restmetapherfern? Das (ewige) Lied von der raschen Vergänglichkeit? Obwohl noch Säugling schon bald schon Greis? So etwas?

Liebe Grüße,
Lisa

Verfasst: 08.03.2007, 11:43
von Niko
hallo perry!
bitte glaube mir: ich hatte die anderen komms noch nicht gelesen und mir stieß das lichtschwert auch gleich auf. aber wie dem auch sei: eines deiner stärksten texte. wobei mir - das ist nur ein bauchgefühl - die verbindung von strophe 1 zu 2 nicht fließend genug ist. will sagen: die zweite strophe ist nicht die runde andere hälfte. irgendetwas ist darin, was unrund ist (in der zweiten) das ist mir (nur mir!) zu unrund (ach..der blöde kahlen...immer was zu meckern ;-) )
und schorf schiebt sich nicht...das find ich nicht treffend genug. dann eher bedecken oder legt sich.....

aber nix desto trotz: eines deiner stärksten gedichte für mich. sehr gern gelesen!

lieben gruß: NIko

Verfasst: 08.03.2007, 12:48
von Trixie
Hallo Manfred!

Ich finde das Gedicht auch sehr schön. Die Bilder kommen bei mir an und die Wendungen dringen durch. Es entstehen sofort Eindrücke und es fügt sich schnell zusammen, was du sagen willst. Ich finde, zusätzlich natürlich zu dem etwas unglücklich gewählten Lichtschwert, die ganze Formulierung sehr umständlich. Schlägt ein Schwer eine Verletzung? Und auch die gesamte Konstruktion "die von deinem geschlagene..." geht mir schwer über die Zunge.

Grüßchen
Trixie

Verfasst: 08.03.2007, 12:57
von Perry
Hallo Lisa,
danke für dein intensives Lesen.
Das Wiegenlied bezieht sich auf das in den Schlaf wiegen am Schluss (die Selbstbeschwichtigung, Morgen ist alles wieder gut).
Das Lichtschwert wird wohl weichen müssen, auch wenn ich dadurch die Ursache für die Beziehungsverletzung neu definieren muss. Ich probier es mal mit dem Seziermesser, das dann für "zu nahe kommen" steht.
Der "nach-da" Moment ist tatsächlich ein Übergangszustand, den ich in vielen meiner Texte beschreibe. Hier ist es der gerade noch sichtbare blaurote Tagesstreif, der der einbrechenden Nacht weicht.
LG
Manfred

Hallo Niko,
danke für deine Einschätzung und keine Sorge für mich sind deine Anmerkungen, vielleicht gerade deshalb so wichtig, weil wir oft konträre Anschauungen haben. Ich hoffe, der 2. Vers ist nun in der neuen Fassung etwas runder.
LG
Manfred

Verfasst: 08.03.2007, 13:20
von Niko
freut mich perry :-)

die überarbeitete version klingt jetzt ziemlich sachlich. das finde ich schade und das wird deinem text nicht gerecht. ich schreib mal einfach, wie ich mir das vorstellen könnte. nur als gedankenanregung. aber das weißt du ja...
ich finde (ich glaube, das ist das, was mir beim ersten kommentar bauchschmerzen machte), die verursachung der verletzung muss in die erste strophe. auslöser - verletzung - "heilung".
die risswunde fand ich viel treffender. auch (das fiel mir jetzt auf) wenn es nicht zu einem schwert passt. "da bildet sich schorf" find ich zu trocken....
meine idee:

Deine Messerworte
brachten mir
tiefe Einschnitte bei.

Noch klafft der Tag
als Risswunde
meiner Nacht
(und) blutet langsam aus

Doch Schorf legt sich
auf die Wunden
und hüllt mich in Schlaf

nun hab ich eigentlich mehr verändert, als ich eigentlich wollte. die einschnitte gefallen mir wegen der doppelbedeutung. und so wäre mir der aufbau und die abfolge am verständlichsten. nuja....wie gesagt: ein gedankenanstoß...-mehr nicht!
lieben gruß: Niko

Verfasst: 08.03.2007, 14:09
von Perry
Hallo Trixie,
danke für deinen Eindruck. Vielleicht kann die neue Version einige deiner Anmerkungen bereits umsetzen.
Da der Text sehr kurz ist aber doch viel Aussage transportieren soll, mag er vielleicht etwas "umständlich" klingen.
Ich denke gern noch einmal darüber nach.
LG
Manfred

Hallo Niko,
ja der Riss war lebendiger, aber was verursacht einen Riss, vielleicht Fingernägel (lächel). Dein Vorschlag weitere Verse einzubauen ist vielleicht die Lösung zu Trixies Hinweis. Der Weg ist erkannt, jetzt muss ich ihn nur noch gehen. Da das Wetter heute im Süden sehr sonnig ist, werde ich jetzt aber erst einmal Schusters Rappen besteigen.
Danke und LG
Manfred

Verfasst: 08.03.2007, 21:05
von königindernacht
Ach,

ich komme mit diesem Text und seiner Wortwahl gar nicht gut klar. Das Seziermesser lässt mich schütteln und die Lyrik weicht.... Der erste Text war emotionaler- mehr aus dem Bauch heraus. Ich teile Nikos Idee hinsichtlich einer möglichen Erweiterung und bestärke dich, lieber Manfred, dies anzupacken. *vorfreu*

Herzlichst, KÖ

Verfasst: 08.03.2007, 21:35
von Niko
aber was verursacht einen Riss, vielleicht Fingernägel
das halte ich für irrelevant, perry. es käme doch deinem text zu gute, wenn jeder sich davon sein eigenes bild macht. was meinst du?

lieben gruß: Niko

Verfasst: 08.03.2007, 21:49
von Max
Lieber Perry,

auch wenn Kö schreibt:

Das Seziermesser lässt mich schütteln und die Lyrik weicht....


so halte ich diese Passage doch für stärker als die erste Version, wenn Du das, was da jetzt gesagt wird, sagen wolltest. Ich wehre mich ein wenig gegen den Eindruck, der da bei Deinem Kommentar ein wenig aufkommt, Kö, dass lyrisch auch gleich schön ist.

Liebe Grüße
max

Verfasst: 09.03.2007, 09:54
von Perry
Hallo KÖ,
danke für deine Eindrücke, ich bin selbst auch noch nicht zufrieden.
Mit den Nikos "Steilvorlage" habe ich den Text jetzt etwas erweitert und die von Trixie angesprochene Stolperstelle ausgemerzt.
LG
Manfred

Hallo Niko,
Ich hoffe, die Neufassung löst nun die meisten Probleme und lässt genügend Spielraum für die Leserfantasie.
Nochmals danke für die Anregungen und LG
Manfred

Hallo Max,
das Seziermesser ist nun leider nicht mehr drin, aber die benutzten Waffen im Kampf der Geschlechter kann sich nun ja jeder selber aussuchen (lächel). Den Satz, dass Lyrik nicht immer schön sein muss, unterstreiche ich gerne. Wichtig ist, dass eine nachvollziehbare Aussage enthalten ist.
Danke und LG
Manfred