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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Gast

Beitragvon Gast » 04.03.2007, 03:02

gelöscht
Zuletzt geändert von Gast am 28.07.2007, 22:32, insgesamt 4-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 04.03.2007, 13:19

Liebe Melusine,

einige der Bilder Deines Gedichts gefallen mir sehr gut. Mit einem Gesamteindruck aber tue ich mir schwer, weil mir ein wenig die Abstimmung zwischen den Bildern fehlt (aber das mag mein Fehler sein):

Wie Orpheus


singen wollte ich
für dich


Hier kann ich nicht anders, als an Reinhard Mey zu denken,aber es kann sein, dass das vielleicht ein pesönliches oder eine Generationsproblem ist ;-) Wenn man sein "Ich wollte wie Orpheus singen" nicht im Ohr hat, ist die Nähe natürlich weniger groß.

doch meine Worte fielen tot
von gespannten Drähten


finde ich eigentlich ein schönes Bild - mir kamen dabei Vögel auf Telefondrähten in den Sinn - nur wie passt das zu Orpheus (bei Gesang dachte ich auch in erster Linie an Töne, erst in zweiter Linie an die Worte des Gesangs).

die Nacht
deckte alles Lebendige zu


Auch ein schönes Bild, nur sind die Worte nach den vorhergehenden Zeilen eben schon tot, also nicht gemeint und damit wechselt der Focus.

und es war ein weißes Nichts
aus Dämmschaum
der überall hin quoll
in meine Ohren
in meine Augen
zuletzt in mein Herz


Das gefällt mir ausnehmend gut, weil es zeigt, dass ein lyrisches Bild eben nicht von vorvorgestern sein muss, dass "Dämmschaum" auch funktioniert.

leb wohl
...



würde ich einfach streichen, das klingt nur sehr melodrramatisch, sagt aber nicht viel.

Liebe Grüße,
Max

Gast

Beitragvon Gast » 04.03.2007, 14:47

Hallo Max,

danke für deinen ausführlichen Kommentar!
Du hast Recht: das "Leb wohl" am Schluss war überflüssig. Hab's gestrichen. Es liegt wohl daran, dass ich das Gedicht in einer recht melodramatischen Stimmung schrieb *gg*. Das lyrische Du ist (im Entstehungszusammenhang) übrigens keine Person, sondern eine Gemeinschaft. "Wie Orpheus" war sozusagen mein Abgesang in einem großen grünen Forum, aus dem man mich fieserweise rausgeschmissen hat. Das war absehbar, andernfalls wäre ich außerdem sowieso selber gegangen.

Ja, das mit dem Reinhard-Mey-Song ist schon mal wem aufgefallen und ich fürchte, den hatte ich auch wirklich irgendwo im Hinterkopf, seufz. Ist das nun geklaut? (Wir dürften dann wohl derselben Generation angehören, lach. Ich bin Baujahr 64.)

Bei den gespannten Drähten dachte ich tatsächlich an Telefondrähte, die Worte fallen sozusagen vom Himmel bzw. von den Drähten wie tote (erfrorene) Vögel. Das Bild, das ich im Sinn hatte, war ein plötzlicher Wintereinbruch, daher auch das Weiß. Zugleich sind die gespannten Drähte aber auch Stolperdrähte.

Ich habe das Gedicht schon mal überarbeitet, die ursprüngliche Fassung entstand sehr spontan und hatte noch Längen und Füllwörter drin, der Schluss war übrigens in dieser Fassung sogar noch melodramatischer ;).

Die Diskrepanz zwischen den Worten, die schon tot sind, und dem "alles Lebendige Zudecken" ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen. Hmm. Ich wüsste aber nicht, wie ich das anders formulieren könnte. Der Text entstand sozusagen rein intuitiv (wie fast alle meine Gedichte); da kommt die Logik wohl manchmal zu kurz :).

LG Mel

Niko

Beitragvon Niko » 04.03.2007, 14:51

hallo melusine!
obschon orpheus gedichte schon reichlich vorhanden sind und auch oft besungen wurden ("ich wollt´wie orpheus singen...) gefällt mir dieses gedicht gut. das "leb wohl" zu streichen war eine gute tat. um diesen gedanken aber des abschieds dann doch etwas stärker hervorzuheben, könntest du denn schluss nur ein bisschen umstellen:

n meine Ohren
in meine Augen
und in meinem Herz
zuletzt

ich glaub, das würde (mir!) passen. was meinst du?
gerne gelesen und....einen schönen sonntag wünscht: Niko

Max

Beitragvon Max » 04.03.2007, 14:55

Liebe Mel,

ok, ich bin auch dein baujahr - also kein Generationsproblem, nur haben wir Dich hier auf knappe 30 geschätzt *lach*.
Geklaut ist das von Mey übrigens net .. nur geliehen, vielleicht.

Die letzte Zeile zu streichen hiflt dem Gedicht glaube ich (also bei der alten letzten Zeile, nicht immer wieder dieletzte Zeile streichen, bitte :idee0011: )

Liebe Grüße
max

Gast

Beitragvon Gast » 04.03.2007, 14:57

Jaaaa! Danke, Niko, das ist genau das Richtige, dann stimmt auch der Rhythmus.

Max

Beitragvon Max » 04.03.2007, 14:59

Stimmt Niko, super Vorschlag!!

Groetjes
Max

Gast

Beitragvon Gast » 04.03.2007, 15:12

Max hat geschrieben:Die letzte Zeile zu streichen hiflt dem Gedicht glaube ich (also bei der alten letzten Zeile, nicht immer wieder dieletzte Zeile streichen, bitte :idee0011: )


Lach. Irgendwo hab ich schon mal den Tipp gelesen, dass es Gedichten meistens gut tut, die letzte(n) Zeile(n) zu streichen. Klar, nicht wie beim Hosen Abschneiden - das eine Bein ist länger, noch ein Stückchen weg - jetzt ist das andere länger, also da noch ein Stückchen ... und am Schluss hat man dann Hotpants ;).

(Mich schätzen die meisten jünger, dürfte wohl für mangelnde Reife sprechen, grins. Mit 42 stört mich das aber ehrlich gesagt nicht mehr :cool: )

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 04.03.2007, 19:33

Liebe Melusine,
ich finds auch schön, wieder von dir zu lesen :blumen: (bitte öfter, ja? ;-)).

Was für mich diesen Text zu einem interessanten Text macht, sind die Worte "Dämmschaum" und besonders "gespannte Drähte", ein neues Kleid für etwas, was jeder kennt...(und damit meine ich nicht Orpheus)...und ohne, dass es gewollt oder unnatürlich wirkt. Das gefällt mir und das ist ja auch das ganze geheimnis...

Könnte man vielleicht nicht noch das "Lebendiges" streichen? Wäre etwas schlanker/schlichter und wirkt auf mich so stärker.

Das Ende überzeugt mich allerdings dann nicht ganz so:

in meine Ohren
in meine Augen
und in mein Herz
zuletzt


ist mir ein wenig zu...ja, was...~ es packt mich nicht/berührt nicht besonders...entweder soltle es lakonischer oder dramatischer. Die Umsetzung von Niko hat es schon verbessert, finde ich, aber irgendetwas fällt mir immer noch. Oder(!) eben ganz weglassen und nur:

singen wollte ich
für dich
doch meine Worte fielen tot
von gespannten Drähten
die Nacht
deckte alles Lebendige zu
und es war ein weißes Nichts
aus Dämmschaum
der überall hin quoll


Den Titel/Verweis zur Antike hier finde ich aufgrund der originellen Bilder reizvoll und toll, so atmet so etwas.

hin quoll würde ich zusammenschreiben (alle verben mit hin zusammen also wohl auch hinquoll)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

aram
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Beitragvon aram » 05.03.2007, 02:40

hallo mel,

mir gefällt besonders das dämmschaumbild!

mit dem herzen am ende kann ich mich nicht anfreunden. allzu unvariiert konventionell gesetzt finde ich diese metapher - sie ist so stark geprägt, dass man bisweilen vergisst, dass es sich um eine solche handelt - in diesem fall fällt sie aus dem rahmen, weil sie in einer linie mit ohren und augen steht, die im gegensatz zum herzen hinsichtlich ihrer körperfunktion verstanden werden.

auch orpheus finde ich nicht zwingend... fände sich für ihn guter ersatz (zumindest für das "wie") würde der text einen schritt weg vom klische schaffen.

und es war ein weißes Nichts / aus Dämmschaum / der überall hin quoll

finde ich sehr stark.

liebe grüße
aram
there is a crack in everything, that's how the light gets in
l. cohen

Gast

Beitragvon Gast » 05.03.2007, 03:06

Hallo ihr zwei, danke für eure Komms. Ups. Jetzt weiß ich wieder, warum ich ganz lang überlege, bevor ich hier was reinstelle - es bleibt nachher nix außer einem abgenagten Vogelskelett übrig, lach.
Also wenn ich nur das lasse, was ihr gelten lasst ... hmm.
Ich denk mal drüber nach, okay?

Lisa, dein liebes "Welcome back" (oder so) tut echt gut, wenn man aus dem "Stammforum" rausgeflogen ist. Insbesondere auch, weil du ja die Gründe für meine längere Abwesenheit kennst. Ja, na ja, einfach danke.


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