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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Peter

Beitragvon Peter » 28.02.2007, 07:39

aus copyright-gründen gelöscht

siehe: http://www.blauersalon.net/online-liter ... highlight=
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annette
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Beitragvon annette » 28.02.2007, 09:07

Lieber Peter,

ein Text, der mich sehr berührt, so sehr, dass er mich nicht nur traurig, sondern auch wütend macht, und ich immer wieder rufen möchte: Nein, so ist es nicht!

Kurz zu meiner Lesart: Die ersten beiden Strophen sind ein sehr schönes inneres Bild: Das, was nicht gesagt werden kann, das Unausgesprochene oder Unaussprechliche wird zur Straße, zu einer Straße mit Gärten und Mauer und Blick in die Weite. (Ist die Ferne, in der die Felder liegen, bereits die "leere Ferne", die zwei Strophen später Hoffnungslosigkeit bedeutet?)

Dann setzt die Erinnerung des Ich ein, und es vergleicht das Jetzt mit dem Früher. Es erzählt uns in drei Strophen von Kindheit, von Träumen, von Offenheit, Möglichkeiten und Landschaften. Doch so wie sich das Ich heute an früher zu erinnern vermag, ahnte das Kind damals schon, was kommen würde. Die letzten drei Strophen sind noch einmal eine Beschreibung der Gegenwart, aber nach dem "Grund von Gegenteil" (Rilke) aus dem vorher Gesagten klingt die Gegenwart nun viel hoffnungsloser als zu Beginn.

Insbesondere zu den letzten Strophen habe ich Fragen:
Gehören die eigenen blinden Fenster zu den staubigen Fenstern der Stadt? Ist die Stadt das Zusammenleben von Menschen mit getrübten und Hoffnungen und unausgesprochenen Träumen? Und ist die Straße aus der ersten Strophe eine der oder vergleichbar mit den Gassen, die später genannt werden?

Das Ich spricht von einem Glauben "der niemals war". Da es in der Kindheit bereits Glauben gab ("Im Wasser der Glaube"), ist dies hier ein anderer? Ein falscher Glaube? Ich frage mich auch, ob der Glaube im religiösen Sinn gemeint ist. Allerdings scheint mir der Text das nicht nahezulegen. Ich lasse diese Lesart wieder fallen.

Dann die Stelle mit dem "Gegenteil, das wir annahmen". Ist das Gegenteil von etwas Bestimmten gemeint oder nicht eher generell das Aufbauen von Gegenteilen, von Gegensätzen und das sich Verfangen im dualistischen Denken? (So klingt das übrigens wesentlich platter als in Deinen Zeilen – falls das überhaupt gemeint sein sollte.)

Die letzte Strophe lässt mich fragend zurück: Sie ist beherrscht von dem Gegensatz unser vs. sein. Das Aufwachen unter einem fremden Sternenhimmel klingt zunächst hoffnungsvoll, als gäbe es doch einen Ausweg aus den Gassen, aber hier ist alles fremd, und wir irren durch eine Nacht, die nicht unsere ist. Wie sind wir hier her gelangt? Haben wir uns eine Traumwelt erschaffen, in der wir uns verirren? Oder ist uns der eigene Alltag durch das viele Unausgesprochene fremd und feindlich geworden?

Liege ich überhaupt richtig mit meinem Verständnis des Titels: Ist das Unausgesprochene gemeint, das die Fenster erblinden lässt, aus der Landschaft enge Gassen macht und uns Luft und Licht nimmt? Oder sind Dinge gemeint, die das Ich nicht sagen kann, weil es sie nicht weiß? Nein, das würde für mich nicht zu den Folgen führen, die der Text beschreibt.

(Oh, Du fragtest mal, warum ich mein eigenes Gedicht als "Text" bezeichne, ob ich es nicht für ein Gedicht hielte. Doch, aber ein Text ist es halt auch.)

Ich musste beim Lesen ein paar Mal an Rilkes Duineser Elegien denken (besonders die vierte), kennst Du sie?

Bei so vielen Fragen traue ich mich kaum, Anmerkungen zum Text zu machen. Es sind eigentlich auch eher Fragen:

mein Auge glaubt es nicht mehr.
> ist es denn das Auge, das glaubt? Meinst Du: Der Kopf kann es das Auge nicht mehr glauben machen? (Das ist keine Kritik, ich würde es unbedingt so stehen lassen!)

und Wellenempfindungen des Winds –
> bei den Wellenempfindungen bin ich etwas ins Stocken geraten. Nicht weil ich nicht sagen kann, ob der Wind die Wellen empfindet, die Wellen den Wind oder das Ich den Wind als Wellen – das ist mir egal. Nur das Wort klingt mir nicht so recht. "Wellenschlag des Windes" ist zu hart. "das Wellen des Windes" – nee, auch nicht ...

Zusammen hielten wir uns
in der Landschaft auf.


> sich aufhalten klingt so formal. Wie wäre „waren wir Teil der Landschaft“ oder "wuchsen wir in die Landschaft"? Oder weniger abstrakt: "durchstreiften wir die Landschaft"? Aber ich weiß nicht, ob es das treffen kann.

Aber dies wirklich nur am Rande – ich bin sehr eingenommen von Deinem Gedicht.

Lieber Gruß, annette

aram
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Beitragvon aram » 28.02.2007, 09:19

lieber peter,

für mich ist das ein klarer und berührender text... die wahrheit, die er spricht - ist nicht die einzige wahrheit in unserem universum. doch ist sie grundlegender wahr, als uns lieb ist. es ist vollzug, und er geschieht. eine wahre fiktion.

gruß am morgen
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Elsa
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Beitragvon Elsa » 28.02.2007, 11:00

Lieber Peter,

Das hier ist für mich der Schlüssel zum Gedicht.

Dieses Bauwerk meines Kopfes
mit den blind gewordenen Fenstern.


Eine unglaubliche Wehmut in deinen Zeilen, sie erfüllt mit eigener Melancholie und dem Wunsch, die Entwicklung aufzuhalten.
zu Gassen wird


Heißt es nicht: zu Gassen werden?

Es ist unaufhaltsam ...

Angeregte Grüße,
Elsa
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leonie
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Beitragvon leonie » 28.02.2007, 11:24

Lieber Peter,

für mich liest sich Dein Gedicht als Verlust von Sehen, Erkennen, Licht, von Beheimatung.

Von der Natur (im metaphorischen, nicht wörtlichen Sinne), wo so etwas da war (oder zumindestens die Hoffnung darauf, der Glaube daran), wird das lyrIch zum Teil einer Stadt, in der es blind und statisch ist und sich selbst verirrt. Auch der Himmel bietet keine Orientierung mehr.

Für mich spiegelt sich im lyrIch auch fast ein Stück Menschheitsgeschichte wider.

Ich denke an deinen Text Dem Gott zum Gruße, in dem die Thematik für mein Empfinden ähnlich war.

Ich finde diese Stelle sehr stark, als eine Art „Kern“, die für mich auch genau richtig formuliert ist.:

dass der Glaube auftaucht,
der niemals war. Und wir ihn
zurücklassen.

Hier verstehe ich das Komma nicht:

In die offenen Hände, und den Schein


Liebe Grüße

leonie

Peter

Beitragvon Peter » 28.02.2007, 11:32

Liebe Annette,

Nein, so ist es nicht!


Diesen Ausruf finde ich so wunderbar, ohne dich irritieren zu wollen, aber er trifft doch das Gedicht ganz herrlich, da es im Grunde auch sagt, dass es so nicht ist.

Ist die Ferne, in der die Felder liegen, bereits die "leere Ferne", die zwei Strophen später Hoffnungslosigkeit bedeutet?


Ja, ich würde sagen. Hier aber erscheint sie mir eher als "dünne Ferne", zu ersehen aus dem Bild mit der Hand, wie ihr doch beinah jede Stofflichkeit/Stärke fehlt, sie verfängt sich... wie ein Fetzen... im Gezweig... der Ferne....

Doch so wie sich das Ich heute an früher zu erinnern vermag, ahnte das Kind damals schon, was kommen würde.


glaube ich eher nicht. Siehe das Bild des Hügels (für das Kind ein Berg, es ahnt nicht...) Einer der Grundgedanken des Gedichts, ich weiß nicht ob so ersichtlich, war mir, zu sagen, dass es den Glauben nicht gab. Er war da, ohne da zu sein - Bezieht sich auf: "dass der Glaube auftaucht, / der niemals war." Er wird also fassbar. Damit stirbt er... "Und wir ihn / zurücklassen".

Gehören die eigenen blinden Fenster zu den staubigen Fenstern der Stadt?


Die Bilder spielen miteinander, ja.

Ist die Stadt das Zusammenleben von Menschen mit getrübten Hoffnungen und unausgesprochenen Träumen?


Mag sein. Ich weiß nicht: Stadt, Gassen..., all das entsteht, so war mein Bild, aus den Fingern, die in das Gegenteil sinken (ich hatte einen Meteor vor Augen). Die Finger des Kindes sinken in den Meteor. (Das Kind ernährt sich auch von ihm, es nimmt ihn auf.) Und wie die Finger einsinken, entstehen Leeren. Wo die Finger waren, Gassen. Die Stadt. Straßen. Fernen. Wo die Hand war, wo alles eine Hand war - wird eine Ferne.

Da es in der Kindheit bereits Glauben gab ("Im Wasser der Glaube"), ist dies hier ein anderer?


Ja. Das Bild spricht davon: "Im Wasser der Glaube". Die Spiegelung des Nachmittaghimmels. Der andere Glaube ist der auftauchende. Es tritt der Tag heraus. Und damit auch die Nacht.

Dann die Stelle mit dem "Gegenteil, das wir annahmen". Ist das Gegenteil von etwas Bestimmten gemeint oder nicht eher generell das Aufbauen von Gegenteilen, von Gegensätzen und das sich Verfangen im dualistischen Denken?


Es soll ein Gegenteil an sich gemeint sein. Gegensätze, Dualitäten, Widersprüche (verborgen handelt das Gedicht auch von einem Labyrinth...) sind eher "Nachgeburten" des Gegenteils. Es geht um die die Ur-Sache...

Haben wir uns eine Traumwelt erschaffen, in der wir uns verirren?


Ja, das scheint die Fiktion!

Oder ist uns der eigene Alltag durch das viele Unausgesprochene fremd und feindlich geworden?


Auch. Es fehlt das Wort zurück - das aber da ist, denn die Fremde, ich glaube man kann sagen: entstand aus und ist die eigene Hand.

Liege ich überhaupt richtig mit meinem Verständnis des Titels: (...)


Für mich gibt es einen (heimlichen) Bogen, er heißt: "Was ich nicht sagen kann (ist) ... dass wir uns allmählich verlieren ins Dunkel". Ich weiß nicht, ob er das Gedicht trifft.

Ich musste beim Lesen ein paar Mal an Rilkes Duineser Elegien denken (besonders die vierte), kennst Du sie?


Ja (wenn man das sagen kann). Ich habe aber eben nochmal geblättert, es sind die "Bäume des Lebens", und besonders ein Satz sprang mir ins Auge: "Uns aber, wo wir Eines meinen, ganz, / ist schon des anderen Aufwand fühlbar". Ich glaube es gibt diesen Gedanken im obigen Gedicht auch.

Bei so vielen Fragen traue ich mich kaum, Anmerkungen zum Text zu machen.


Immer, Annette! Ich bitte darum!

mein Auge glaubt es nicht mehr.
> ist es denn das Auge, das glaubt? Meinst Du: Der Kopf kann es das Auge nicht mehr glauben machen?


das Auge... eigentlich ein Begriff, der nur mitunter mit den Augen zu hat. Er heißt eher Licht...

und Wellenempfindungen des Winds –
> bei den Wellenempfindungen bin ich etwas ins Stocken geraten.


auch eine Stolperstelle für mich. Die Intension ist, dass der Wind hier nicht entegensteht, sondern mit der Brust, dem Herzen, so der Bezug im Gedicht, spielt. Ich müsste vielleicht schreiben:

und Wellenempfindungen vom Wind -

So könnte es gehen?

Zusammen hielten wir uns
in der Landschaft auf.
> sich aufhalten klingt so formal.


ja, klingt formal, aber doch schön, weil es mir vielbedeutend ist. (1) Sie halten sich auf (formal), aber das lyr. Ich sagt "wir". Ich finde es schön, wenn man per Sie ist, aber per Du denkt. (2) Sie halten sich auf: von aufhalten: ins Offene. (3) Sie halten sich auf, wie zwei, die eigentlich weitermüssen, aber sich soviel zu erzählen haben. (4) Sie halten sich auf : wieder aufhalten: in die Aufmerksamkeit (eher "aufheben" vielleicht...)

Liebe Annette, ich danke dir für deine genaue Auseinandersetzung mit dem Gedicht (oder dem Text). Du weißt ja, dass ich mich freue, dass es dich im "Blauen Salon" gibt.

Liebe Grüße,
Peter

Und dass ich mich über den Aram freue, das weiß er auch.

Lieber Aram!

die wahrheit, die er spricht - ist nicht die einzige wahrheit in unserem universum. doch ist sie grundlegender wahr, als uns lieb ist. es ist vollzug, und er geschieht. eine wahre fiktion.


ja, rätselhaft... "vollzug" heißt hier auch Gesetz? So fern ich selbst ahnen kann, geht es im Gedicht um zwei Prinzipien, beide sind wahr : beide sind Fiktion.

*sehr schwierig*

Liebe Grüße,
Peter

Klara
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Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 28.02.2007, 11:34

Hallo,

ein mächtiger Text!

Ich scheitere am Ende, verstehe ich nicht mehr.
Am Ende liest es sich fast wie ein resigniertes Plädoyer gegen die Warenwelt, gegen den Materialismus.

Vorher dachte ich, ich lese eine schmerzliche Erinnerung an Kindheit, an Unschuld.

Und manchmal war mir, als glaube der Text sich selbst nicht, in seinem Unglauben.

Wie gesagt: Ich meine, es ist ein starker Text, aber ich muss passen.

Und ahnte um diese Städte;
um ein Leben an staubigen Fenstern;
dass wir gehen würden
durch diese Gassen;
dass der Glaube auftaucht,
der niemals war.

Muss da nicht ein Fragezeichen? In Fortführung der vorhergehenden Strophe?


Wir wussten nicht,
dass unsre Finger, unsere,
dass unsre Hände, unsere,
unser Gedanke, unserer,
Unseres, zu Gassen wird;
dass wir uns allmählich verlieren ins Dunkel
seines uns fremden Gestirns,
aufwachen an seinem Sternenhimmel
seiner Abkunft, wo wir irren
in seiner Nacht.

Worauf bezieht sich "seines" und "seiner": Auf "Gedanke" oder auf "Gegenteil" von der Vorstrophe?

Grüße
Klara

Peter

Beitragvon Peter » 28.02.2007, 12:07

Liebe Elsa,


Das hier ist für mich der Schlüssel zum Gedicht.

Dieses Bauwerk meines Kopfes
mit den blind gewordenen Fenstern.


Ja, ein Schlüssel. Aber vielleicht nur einer?


Heißt es nicht: zu Gassen werden?


Das "wird" soll sich auf "Unseres" beziehen. Vielleicht sollte ich das Komma wegnehmen, das eigentlich nur da steht, um eine Betonung zu schaffen. Also:

Unseres zu Gassen wird

Würde doch gehen...


Danke, und liebe Grüße,
Peter

---


Liebe Leonie,


für mich liest sich Dein Gedicht als Verlust von Sehen, Erkennen, Licht, von Beheimatung


und der besonderen Absurdität des ganzen, würde ich hinzufügen, da zwar das Thema schon der Verlust ist, aber der Verlust im Besitz; eigentlich ist nichts verloren.

Ja, wie ich denke, gab tatsächlich der "Gott im Gruße"-Text ein Ur-Bild für dieses Gedicht, der zweite Absatz dort, von solchen Bildern kann man zehren.

Das mit der Menschheitsgeschichte ist natürlich weit gegriffen. Aber hast du nicht Recht?

Hier verstehe ich das Komma nicht:

In die offenen Hände, und den Schein(,)


ein Einschub, zur Betonung... würde ich sagen.

Danke fürs Lesen, liebe Leonie!

Viele Grüße,
Peter

aram
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Beitragvon aram » 28.02.2007, 12:08

lieber peter,

So fern ich selbst ahnen kann, geht es im Gedicht um zwei Prinzipien, beide sind wahr : beide sind Fiktion.

ja!

"vollzug" heißt hier auch Gesetz?

mir scheint -

"vollzug" beruht auf einer ihrer präsenz nicht zu enthebenden macht, die bedingt, dass etwas geschieht - und wir vollziehen das geschehen, wie wir es eben tun - darin freiheit zu finden ist unser thema - doch die wahl, es zu lassen (oder es nur zu versuchen) haben wir nicht. am ende haben wir es immer "getan".

(man könnte auch sagen, am ende ist alles positiv. am anfang ist alles da.) (ich glaube aber auch, dass dieser dualismus überwindbar ist: annette recht hat!)

...ich bin froh, dass du diesen text geschrieben + mir zu lesen gegeben hast.

liebe grüße, aram
Zuletzt geändert von aram am 28.02.2007, 12:12, insgesamt 1-mal geändert.
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annette
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Beitragvon annette » 28.02.2007, 12:10

Peter hat geschrieben:
Nein, so ist es nicht!
Diesen Ausruf finde ich so wunderbar, ohne dich irritieren zu wollen, aber er trifft doch das Gedicht ganz herrlich, da es im Grunde auch sagt, dass es so nicht ist.


Es irritiert mich gar nicht. - Und gut, dass es Dich auch nicht irritiert. Denn ich finde, dass Deine Zeilen diesen Ausruf einfach fordern (zumindest von mir *g*).

Peter hat geschrieben:Wo die Hand war, wo alles eine Hand war - wird eine Ferne.


Ja, ich glaube, es wird mir jetzt klarer: Das Bild der Hand macht die Dinge (be)greifbar und berührbar - ohne die Hand entzieht sich alles.
Aber Du sagst auch: "ich glaube man kann sagen: [die Fremde] entstand aus und ist die eigene Hand." - Das verwirrt mich wieder.

Peter hat geschrieben:Ja. Das Bild spricht davon: "Im Wasser der Glaube". Die Spiegelung des Nachmittaghimmels. Der andere Glaube ist der auftauchende. Es tritt der Tag heraus. Und damit auch die Nacht.


Ich verstehe den Glauben der Kindheit, den im Wasser, als einen unbewussten Glauben. Ein Glaube, wie nur Kinder glauben? Im Gegensatz zu einem späteren, konstruierten Glauben?

Peter hat geschrieben:und Wellenempfindungen vom Wind -

So könnte es gehen?

Das würde ich jetzt so verstehen, als fühlte sich der Wind an wie Wellen. Meinst Du das?

Zum "sich aufhalten":
Peter hat geschrieben:ja, klingt formal, aber doch schön, weil es mir vielbedeutend ist. (...)


Ja, wunderbar. Du hast recht, mir war die Vielschichtigkeit entgangen, es muss genau so bleiben!

Lieber Gruß, annette

Peter

Beitragvon Peter » 28.02.2007, 12:24

Liebe Klara,

Und manchmal war mir, als glaube der Text sich selbst nicht, in seinem Unglauben.


Das ist fein, Klara, ich weiß nicht, ob es im Text ist, aber in mir war es so, an manchen Stellen, als ich schrieb, ich konnte (wollte?) manchem nicht glauben. Aber ich dachte: Soll es mich führen! Trotzdem hatte ich ein gewisses Gegen-Gefühl, mich doch in der Nähe einer Wahrheit zu bewegen - also folgte ich.

Die von dir erwähnte Stelle mit dem Fragezeichen... Das ist so eine Machart von mir: Das Fragezeichen schwebt noch in der Luft, der Atem soll hoch bleiben, das Fragezeichen soll im Grunde langsam kippen, bis hin zum Punkt. Vorrang hat die Bewegung...

Worauf bezieht sich "seines" und "seiner": Auf "Gedanke" oder auf "Gegenteil" von der Vorstrophe?


Eigentlich auf das "Gegenteil"- aber im Innersten auf das "unser... unsrer... unsere..." Auch hier mehr ein Wortspiel - wobei aber das "seiner... seiner... seiner..." doch offen bleiben soll. Es kann ja auch das Dunkle sein... In Wahrheit ist es alles zusammen. Es ist alles. So meine Intension.

Liebe Grüße,
Peter

Gast

Beitragvon Gast » 28.02.2007, 14:01

Lieber Peter,

ich las deinen Text schon heute Nacht, als noch niemand etwas dazu geschrieben hatte. Nun hast du schon eine Menge Rückmeldungen erhalten. Dennoch möchte ich etwas schreiben, was meine Rezeption betrifft.
Ich bewundere in deinen Texten und auch in deinen Kommentaren zu anderen , immer wieder und immer mehr deine Art des Erzählens, Dinge und Gedanken, zu benennen und sie dennoch frei, ohne beliebig zu werden, schweben zu lassen.
Ich fühle mich bei diesem Text nahezu liebevoll an die Hand genommen.
Mir sagst du ohne Belehrung : Sieh mal hin, so ist es doch, oder? Ich halte es für ein reifes Gedicht, wenn man ein solches Attribut einem Gedicht überhaupt zuordnen kann.

Danke, ich habe dein Gedicht als sehr bereichernd empfunden.
Gerda

Mucki
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Beitragvon Mucki » 28.02.2007, 16:32

Lieber Peter,

dies ist wahrscheinlich das seltsamste Feedback, das ich hier abgegeben habe. Dein Gedicht hat meinen Gedanken Augen gegeben und Bilder sehen lassen, die ich nicht erklären kann, eine Reise in Gefühle, in Ertasten, in Erahnen und doch insgesamt eine Reise ohne Hindernisse, eine Art Traumreise.

Ich sehe Häuser, die Menschen sind, welche um Einlass bitten, dem nicht gefolgt wird.
Ich sehe Gehende, Wandernde, die nicht vom Fleck kamen und sich die Landschaft doch veränderte.
Ich sehe Hände, die Landkarten waren, die niemand lesen konnte.
Ich sehe Landschaften in einem Körper.
Ich sehe Sehende, die so blind waren, dass sie nicht erkannten, dass sie sahen.
Ich sehe Menschen an einer Klippe, aber die Klippe selbst sprang.
Ich sehe Wellen, die Glauben schenkten und nicht nass waren.
Ich sehe Zweifel, die keine waren.
Ich sehe Zeitreisen, die vor und zurück gingen, um dennoch eine Endlosschleife zu bilden.
Ich sehe Neugierde, die nicht befriedigt wurde.
Ich sehe Licht, das nicht hell war, sondern dunkel.
Ich sehe einen Traum, der keiner war.

Und ich sehe meine Antwort und verstehe nicht, was ich da schreibe, weil meine Gedanken ausgeschaltet sind, ich einfach den Widerhall durch meine Finger gleiten lasse.

Saludos
konfuse Mucki

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 28.02.2007, 16:47

Lieber Peter,

ja! (Du hast mein Ausrufezeichen), ich liebe Texte, die so etwas versuchen... (insgeheim: nur jeder Text, der dies/etwas versucht, ist für mich ein guter Text). Denn der Versuch ist es für mich, der die Unauflöbarbeit von

So fern ich selbst ahnen kann, geht es im Gedicht um zwei Prinzipien, beide sind wahr : beide sind Fiktion.


zu etwas macht, was tatsächlich ist - für den Moment, in dem man schreibt, für den Moment, in dem man liest. Deshalb sind Versuche oder Möglichkeiten auch solchen Wunderbegriffe.

Nochmal ein Reiz dann, wenn der Text dies explizit bespricht und trotzdem magisch bleibt. im Ganzen, aber auch in Teilen...wenn ich schaue...

Zusammen hielten wir uns
in der Landschaft auf.


das beinhaltet ganze Bibliotheken...(und mehr och wichtigere Dinge)(oder gerade keine Dingen (und dann doch wieder Dinge)

Dein Text ist eine Reise, die das Kofferpacken spart. (die Ausrufezeichen passen in Stirn und Herz ;-)

Liebe Grüße,
Lisa


Einzig kommt mitr der Text visuell/die Verslängen betrachtend so eng gesetzt vor, er sieht aus wie eine klassische Ballade, das wirkt auch mich - seltsam, für mich würde er tiefer atmen, wenn er mehr Breite hätte. Aber ob das möglich ist, weiß ich selbst nicht. Es kann auch, dass ich irre
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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