Ein Wildwestgedicht

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Jürgen

Beitragvon Jürgen » 23.01.2007, 00:30

Ein Wildwestgedicht

Vor langer Zeit in der Prärie,
im Fort mit Namen Laramie,
da traf der General John Lear
sowie sein Unteroffizier,
den alten Häuptling Schwarze Feder
zum Handel um das Büffelleder.
Die Roten hatten es erjagt,
im Osten war es sehr gefragt.
So wanderte von Hand zu Hand,
das Fell im alten Westmannsland.


Kaum war´n die Roten abgezogen,
dacht mancher still, hier wurd betrogen,
denn Lear, den sah man Hände reiben:
Geschäfte muss man so betreiben.
Der Handel ist uns gut gelungen,
die Felle und die Bisonzungen
für Flitter, Tand, manch´ Whiskeyschluck,
aus Glas gemachten Perlenschmuck,
erzielen für uns gutes Geld.
Ich liebe sie, die neue Welt.
Die Roten sind nur dumme Wilde!
Kultur? Da sind sie nicht im Bilde.


Doch draußen weit in der Prärie,
schon außer Sicht von Laramie,
da hub der alte Häuptlingsmann
zu einem lauten Lachen an:
Mein Bruder, ach, wie ist es schön,
den Perlenschimmer anzusehn,
die Eisentöpfe, scharfe Messer
und feine Feuerwasserfässer.
Man sollte es den Weißen sagen,
so leicht sind Büffel doch zu jagen.
Was sind das heut für gute Zeiten,
bekommt man solche Kostbarkeiten
für Bisonzunge und das Fell.
Bei Weißen ist die Haut nur hell!

ursprünglich in der zweiten Strophe:
für Flitter, Tand und Whiskeyfass
und Perlen gemacht aus Glas

erzielen für uns gutes Geld
als Mode für die Damenwelt
Zuletzt geändert von Jürgen am 27.01.2007, 10:18, insgesamt 2-mal geändert.

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 23.01.2007, 00:49

Klasse, Jürgen! Das finde ich wirklich gelungen.
Mit dem Versmaß ist es teilweise, so glaube ich, nicht ganz genau (Hebung, Senkung) und auch teilweise Worte wie ...fass und Glas. Aber hier sollen die Experten ran, Herby ist da ja sehr gut!

Übrigens: Ich hätte schwören können, dass es Fort Laramy heißt, aber du hast Recht. (habe bei Wiki gespiekt *g)
Saludos
Magic

Herby

Beitragvon Herby » 23.01.2007, 01:12

Liebe Magic,

Da Du mich in deinem Posting an Jürgen ansprichst...
Du schreibst:

Mit dem Versmaß ist es teilweise, so glaube ich, nicht ganz genau


Hier muss ich Dir widersprechen, ohne mich für den Versmaßguru zu halten. Jürgens Gedicht ist durchgehend im vierhebigen Jambus gehalten.
Sollte ich was überlesen haben, bin ich dankbar für eine Korrektur.

Wo ich Dir allerdings Recht geben muss, ist Fass und Glas, aber in der humorigen Ecke ist ein solch kleines Quäntchen an dichterischer Freiheit in meinen Augen erlaubt.
Und in noch einem Punkt stimme ich Dir zu: ein humoriges und ausgewogenes Gedicht mit einem bisher noch hier nicht vertretenen Thema. Ich hatte mal einen Text zu einem ähnlichen Thema eingesetzt, ihn aber dann selbst wieder gelöscht, weil ich mich inhaltlich ver - dichtet hatte, erinnerst Du Dich? ;-)

Liebe Grüße
Herby
Zuletzt geändert von Herby am 23.01.2007, 01:22, insgesamt 1-mal geändert.

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 23.01.2007, 01:21

Huhu du mein Versmaßguru,-)

doch, das bist du Herby. Widerspruch abgelehnt,-)

Du hast Recht, mit so Kleinigkeiten wie Fass und Glas befassen wir uns nicht bei einem so klasse Gedicht *g*. Es ist wirklich das erste Wildwestgedicht hier, das ich lese.
Eigentlich erstaunlich, das dieses Thema noch nicht aufgegriffen wurde, nicht?
Es lebe die Vielfalt!:)
Saludos
aufsattelnde Magic,-)

Herby

Beitragvon Herby » 23.01.2007, 01:26

Hi Magic,

jetzt haben sich meine Editergänzung und Deine Antwort gekreuzt ... :smile:

LG Herby

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 23.01.2007, 01:35

Hallo Magic

danke für Deinen wohlwollenden Kommentar. Glas und Fass ist ein Makel, wenn Du weitere Schwachstellen findest, sag es bitte.

@ Herby

Du kanntest das Gedicht vorab, also übervorteile magic nicht, die sehr spontan und sehr gut geantwortet hat, und halt, trotz Deiner lieben Antwort, die Schnute.

Späte Grüße

Jürgen

Gast

Beitragvon Gast » 23.01.2007, 09:22

Lieber Jürgen,

tiefsinniger Humor, in Reimen verpackt.
Ich finde, dass dir das Gedicht gut gelungen ist!
Eine Frage, dass du Feuerwasserfässer erwähnst, hat für mich etwas Beigeschmack...
Weil bekannt ist, dass das ja nun gerade nicht gut war, den Indianern das Feuerwasser zu bringen. In sofern leidet die Pointe am Schluss: Bei Weißen ist die Haut nur hell! für mich ein wenig.
Die "Dummen" waren halt eben doch leider die Rothäute, die auf diesen Trug hereinfielen.

Liebe Grüße
Gerda

Mucki
Beiträge: 26644
Registriert: 07.09.2006
Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 23.01.2007, 09:38

Hallo Herby,

Ich hatte mal einen Text zu einem ähnlichen Thema eingesetzt, ihn aber dann selbst wieder gelöscht, weil ich mich inhaltlich ver - dichtet hatte, erinnerst Du Dich?


Meinst du das mit dem Indianer, der das Morgenritual vollführt?
Ja, daran erinnere ich mich.

Jürgen schrieb:
Du kanntest das Gedicht vorab, also übervorteile magic nicht, die sehr spontan und sehr gut geantwortet hat, und halt, trotz Deiner lieben Antwort, die Schnute.


*Lach* So, Herby kannte es schon vorab. Das gilt nicht! *grins*
Saludos
Magic

Jürgen

Beitragvon Jürgen » 23.01.2007, 09:46

Hallo Gerda,

danke für Deinen Kommentar.

Du hast natürlich Recht, was die Feuerwasserfässer angeht. Überhaupt haben die Güter der Weißen katastrophale Auswirkungen auf die sozialen Strukturen in den indianischen Dorfgemeinschaften. Oder denk an pockenverseuchte Kleidung und Decken, die bewusst an die Indianer verkauft wurden.

Doch der Häuptling geht ja von seiner Sichtweise aus, genau wie der General. Und Feuerwasser war damals bei vielen Indianern nun einmal sehr gefragt und eine Kostbarkeit. Unvorstellbar, dass man das für ein paar erjagte Bisons bekam ;-)


Schönen Tag

Jürgen

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 23.01.2007, 11:25

Lieber Gurke,

ja Western als Thema ist mal eine Abwechslung, schön :-).

Kleinigkeiten:

Zum einen würde ich hinter betreiben einen Doppelpunkt machen, weil dann die wörtliche Rede nicht unvermutet danach kommt (hast du bei dem Häupling in Strophe 3 ja auch gemacht). Auch befreit es den Vers etwas von den zwei vorherigen, die in der Konstruktion so wie sie jetzt stehen etwas in sich redundant/unmotiviert wirken, also der Bezug aufeinander wirkt etwas unecht in der Abfolge (arg, ich kanns nicht gut erklären), Durch den Doppelpunkt fiele das alles weg.

Kaum war´n die Roten abgezogen,
dacht mancher still, hier wurd betrogen,
denn Lear, den sah man Hände reiben,
Geschäfte muss man so betreiben.
Der Handel ist uns gut gelungen,

Das zweite ist die schon angesprochene Glas/fass-Stelle. Natürlich wird dadurch nicht das ganze schöne Gedicht schlecht, aber bei einem Vortrag verlöre es schon dadurch. Daher wäre für mich eine Überarbeitung der Stelle schon spannend. Da du das Fass (genial mit Feuerwass "kaschiert") ja eh nochmal hast, würde ich Glas einfach in die Zeile ziehen und auf etwas anderes reimen?

Halt, gerade fällt mir ein! Es gibt doch Strasssteine....juhu und Wiki sagt, dass es die schon lange genug gibt. Wäre das nicht eine Idee??

http://de.wikipedia.org/wiki/Strass

für Flitter, Tand und Whiskeyfass
und Perlenschmuck gemacht aus Strass,

Was wäre damit?

Hier ist es für mich noch etwas unrhythmisch (Kadenzen?):

die Eisentöpfe, scharfe Messer
und feine Feuerwasserfässer.

"und feine" liest sich für mich nicht flüssig...

vielleicht ~~

Eisentöpfe, scharfe Messerchen
dazu noch Feuerwässerchen.


~~ sicher gibt es noch was besseres

Diese Feinheiten würden das Gedicht noch rund machen (ich finde, es lohnt sich)

Am Ende bin ich mir nicht sicher, was du genau sagen möchtest. Es scheint, du möchtest sagen, dass nicht die angeblich handelsklugen Weißen die cleveren waren, sondern die Indianer. Und so ein bisschen die Geschichte in ihr Gegenteil wandeln für einen Moment. Dafür kommt mir aber am Ende der Eigenwert der erhaltenen Sachen (jetzt mal ab von Gerdas Fasseinwand) nicht genug rüber. Zum Beispiel die Perlen - das habe ich schon oft gedacht, dass ich wahrscheinlich auch so jemand gewesen wäre, der alle möglichen Kostbarkeiten gegen Glas getauscht hätte, weil es einfach in der Sonne wunderschön ist (hier in meinem Zimmer hängt ganz viel Glas ;-)). Aber der Eigenwert kommt da nicht so gut rüber, vielleicht, weil du die Rede des Häuptlings serh kurz hältst. Die Glaskugeln sind dabei das harmloseste Attribut, weil sie nur das Schöne hochheben, die Messer und Töpfe wirken dann schon dagegen sehr konsumorientiert, der Whiskey......dadurch wirken die Indianer nicht so "rein" wie es das Ende verspricht.

Oder sollten beide als "dumm" gegeneinander gestellt werden? (beide halten sich für den Klügeren, aber beide verlieren?). Dagegen spricht dann aber die Schlusspointe, die dann noch von einem Erzähler in einem fazitvers relativiert werden sollte. (Ich glaube aber nicht, dass du das möchtest).

Das Ende geht also nicht hundertprozentig für mich auf. Trotzdem habe ich beim ersten Lesen diesen toll gemachten Text sehr gern gelesen, hinterher kommen dann "nur" diese Fragen auf.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 23.01.2007, 12:00

Liebe Lisa, lieber Jürgen,

Perlenschmuck aus Strass wäre paradox, wenn ich das mal einwerfen darf,

(Strass ist zwar "Glas" aber nicht als Perle geschliffen sondern als Schmuckstein)

vielleicht: ... Ohrgehänge gar aus Strass...

Liebe Grüße
Gerda

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 23.01.2007, 12:14

Liebe Gerda,
na da habe ich mich auf der Strasse der Glaskunst wohl etwas verlaufen, ach, ich gebe gerne zu, dass ich ich mit Imitaten gar nicht auskenne :teufelbanane: . Nein, im Ernst, ich schäme mich ;-); das ist natürlich Mist. Aber man kann die Zeile sicher umstellen?

Ohrgehänge ist witzig aber schwierig - die haben ja nur das Glas bekommen? ~~weiß ich aber nicht, dann wäre ja eh "schmuck" auch falsch...also könntest du wieder recht haben...

...und schönster schmuck gemacht aus strass?


und Sonnenfängerstein aus Strass - ne, auch nicht...

..tja, aber wenn der Strass als Reim Gurke gefällt, wird er vielleicht ja was finden.

Danke, dass dir das aufgefallen ist. Ich habe schon oft hier im Forum gedacht, wie viel es doch immer wieder ist, was man nichtt weiß, ohne dass man weiß, dass man es nicht weiß (jaja)!

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 23.01.2007, 13:21

Liebe Lisa,

wenn es danach geht, was ich alles nicht wusste, viel weiß ich ja immer noch nicht- ohne die Lehrwirkung des Salons schmälern zu wollen, ;-) ich habe hier schon heftig Informationen "geschnorrt"...

Mal Danke für das Geben und nehmen auch in diesem Sinne an Alle.

Liebe Grüße
Gerda

Herby

Beitragvon Herby » 23.01.2007, 14:28

Liebe Gerda,

auch, wenn es jetzt nichts mit Jürgens Gedicht und Deinen sowie Lisas Überlegungen zu Strass, Glas und Perlen zu tun hat, aber Deinem

Danke für das Geben und nehmen auch in diesem Sinne an Alle.


schließe ich mich sehr gerne an!

Liebe Grüße
Herby
(auf dem Weg zur Siesta :sleepy1:)


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot], Google [Bot] und 21 Gäste