schwerholz

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 15.01.2007, 11:32

schwerholz

bohrst dich
in mein fleisch
los
einem splitter
gleich

her-aus
gezogen schmerzt
vieles fremder
denn je
mehr
wir spalten
um so schmiegsamer
hofft sich
manches

zusammen
auch
hals über kopf
die beine
in die hand

auf’s herz
im auf und
davon
hacken wir uns

frei


© RL

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.01.2007, 16:18

Liebe Ramona,
der Titel spricht mich an, er ist originell, ästhetisch und passt wunderbar zum Thema des Gedichts, ohne zuviel vorwegzunehmen - hat mich auch angelockt.
Das Thema des Textes spricht ebenfalls an - das Bild, dass eine Wunde mehr schmerzt, wenn man den Splitter entfernt, lässt sich gut auf innere Wunden übertragen, auch darauf, dass nur allzu oft der Stachel deshalb lieber stecken gelassen wird und was dies alles für zwei Menschen bedeutet die sich "begegnen".

Die Umsetzung im Text dann aber wirkt etwas zwitterhaft auf mich. Zum einen scheint mir der Text orginell, passagenweise sogar experimentell sein zu wollen (Wortspiele und Wortumbrüche, auch das Einbauen von Sprichwörtern bzw. festehenden Phrasen/geflügelten Worten). Auf der anderen Seite erklärt der Text seine Aussage sehr genau am Gedanken, scheint gerade der Deutlichkeit verhaftet. Die ganze Strophe 2 ist dafür ein Beispiel, finde ich. Sie ist mehr Gedanke als Bild. Dadurch wirkt der Text auf mich etws verstockt.

Hätte ich dich nicht aus der Kurzlyrik als im positiven Sinne taff und interessant kennen gelernt, wäre mein "Fazit": Da hat jemand versucht, etwas auszudrücken, es aber (in Passagen) nicht geschafft, der Text ist mir nicht entschieden genug, was er will und wie er das will, was er will. Da ich das nun nicht denken kann, frage ich mich, was du beabsichtigst hast mit dieser Form.

Zum Beispiel:

um so schmiegsamer
hofft sich
manches


Die Passage ist zugegebenermaßen sprachlich verquast. Verquast muss nicht schlecht sein (ist sogar oft gut), aber es muss einen Grund geben, warum etwas verquast ist, es muss irgendetwas transportiert werden, was sonst nicht transportiert werden kann - das fehlt mir bei der zitierten Passage. Warum sagst du das in dieser ungewohnten Form? Was leistet sie, was eine konformere Form nicht geleistet hätte? Sie wirkt unterdrückt.

Ab Strophe 3 wird es dann wieder assozaitiver, was vielleicht schwieriger zu deuten ist, mir aber bei diesem Text besser gefällt.

Insgesamt habe ich mich gern länger bei diesem Text aufgehalten und fand den Splitter&Wundengedanken sehr gut, sprachlich fängt mich der Text aber nicht so ein.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 15.01.2007, 23:07

Liebe Lisa,
Du hast Dich sehr intensiv mit meinem Text beschäftigt.
Ich danke Dir sehr dafür ...
Es geht allerdings nicht wirklich um Splitter- und Wundgedanken,
es geht um mehr ... vielleicht versuchst Du mal gerade bei der
auf Dich verstockt wirkenden Strophe 2 ... das 'ausgezogen sein'
in verbindung zu dem 'fremden' zu lesen bevor eventuell versucht
wird, sich mit den Fußsohlen die Ohren zuzuhalten ...

Manchmal erwartet man von mir vielleicht nur drei Zeilen ...
die einfache Sprache, ohne zu sehr zu verkopfen oder doch nicht?

Nicht zu entschieden sein, denke ich, mehr offen lassen,
Haken schlagen, vielleicht und die Liebe nicht zu direkt zu benennen,
darum ging es mir.

Danke schön nochmals und
herzliche Grüße,
Ramona

Niko

Beitragvon Niko » 15.01.2007, 23:11

ich finde die verknüpfung der brüche wirklich gut gelungen, ramona!
hut ab!
lieben gruß: Niko

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 15.01.2007, 23:25

<schluck> NJ ... von Dir den Hut, gezückt,
Mensch! Da werde ich gleich mal losgehen und
mein Licht unterm Bonsai wieder vorholen.

Danke!

Nachtgruß,
Ramona

Perry

Beitragvon Perry » 16.01.2007, 16:03

Hallo Ramona,
mir gefällt das Bild von schwer zu hackendem/spaltenden Holz als Metapher für Beziehungsprobleme auch, wobei man im Detail schon viel Fantasie braucht sich einen Splitter aus "Schwerholz" im Fleischlosen vorzustellen (lächel). Was mich aber dann aus dem Bild geschleudert hat, sind die angehängten Spruchweisheiten. Diese sind mir zu weit von der Bildebene weg sind und deshalb entbehrlich.
LG
Manfred

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 16.01.2007, 19:11

Lieber Manfred,
schön Dich zu lesen ... sich einen Splitter in die Seele zu
reißen ist gewiss nicht alltäglich ;)

Bitte, warum bietest Du mir nicht Deine Variante an,
vielleicht kann ich mich damit anfreunden, denn ich mag
in gewisser Hinsicht das anlinken an Spruchweisheiten,
als Resumee oder einfach um es für mich zu runden ...

Herzliche Grüße,
Ramona

Perry

Beitragvon Perry » 16.01.2007, 22:36

Hallo Ramona,
vielleicht ist es nicht ganz rübergekommen. Mir hat dein Text durchaus gefallen und je öfter ich ihn lese, umso flüssiger fügen sich die Zeilenübergriffe ein. Eine Variante von mir würde vermutlich nicht viel bringen, weil ich dazu neige zu gradlinig zu schreiben und eben kein Freund von Spruchweisheiten in lyrischen Texten bin.
LG
Manfred

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 17.01.2007, 05:30

... nun, gut, dann danke ich Dir nochmals herzlich
für Deine Zeit,

Ramona

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.01.2007, 17:10

Liebe Ramona,
ich habe den Text insgesamt als einen "allgemeinen" über die Beziehung zweier Menschen gelesen und das herausgezogen sowohl auf den Splitter als auch auf ausgezogen (sexuell/nackt) bezogen. Habe ich das eine Ebene verpasst? Oder etwas grundsätzliches verpasst?

Liebe Grüße,
Lisa

PS: ich habe keinen Haiku von dir erwartet! Ich woltle damit nur bergünden, dass ich diese Art zu schreiben für absichtlich gesetzt und nicht für ungekonnt befinde, dadurch, dass ich deinen Umgang mit Worten schon ein bisschen kenne, sich aber trotzdem der Grund für diese Stilart sich mir nicht erschließt. Aber wer weiß, was ich überlesen hatte?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Ramona_L

Beitragvon Ramona_L » 17.01.2007, 17:22

Liebe Lisa,
die Sache mit den Haiku ... ich wollte damit nicht andeuten,
dass Du eine Erwartungshaltung in diese Richtung hattest,
aber es ist halt schon passiert, das mancher Leser davon ausgegangen
ist, dass ich nur Haiku schreibe ... und was mich persönlich angeht,
beim Schreiben, ich muss wirklich manchmal aufpassen, dass
ich nicht alles dreizeilig hinlege ...
Wenn man viel Haiku schreibt hat man manchmal Probleme bei
längerer Lyrik den Fluss zu finden.

Vielleicht kannst Du es einmal lesen und dabei in Betracht
ziehen, dass es vielleicht zwei Menschen sind, die sich nicht lange
kennen, noch nicht sehr gut kennen, mit der Verletzlichkeit des
anderen noch nicht umzugehen wissen ...

Neee ... :engel2: was Grundsätzliches hast Du nicht verpasst ...

Einen schönen Abend wünsche ich Dir,
herzlich,
Ramona


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