Silber zu braun

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 14.01.2007, 21:11

Fassung 5 (ich werd fassungslos ;-))


Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich

(weil das Wort
nach 19. Jahrhundert klingt
wie Hochrad oder Dampfmaschine)

Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die Mutters Hand
rund sein ließen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als sei es ausgemacht
dass ich in jedem aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre

Heute

(und lange schon
seit es mich gibt)

fährt Mutters Hand
wie ein Messer über die
Bügelwäsche

und Vater trägt
mit kurzgeschorenem Haar
die Oleander in den Keller

Dieses Leben da
auf dem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen














Vierte Fassung:


Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will

weil das ein Wort ist
das nach 19. Jahrhundert schmeckt
nach längst vergangenen Zeiten

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die Mutters Hand
rund sein ließen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
Nein dann ist mir
als sei es ausgemacht
dass ich in jedem aller möglichen Fälle
nicht dabei sein hätte können

Heute

(und lange schon
seit es mich gibt)

fährt Mutters Hand
wie ein Messer über die
Bügelwäsche

und Vater trägt
mit kurzgeschorenem Haar
die Oleander in den Keller

Dieses Leben da
auf dem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen









Dritte Fassung:

Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die ihre mir so
grundsätzliche Hand
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen











Überarbeitete Fassung:


Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die ihre Hände
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als stünde unumstößlich fest
dass ich in jedem einzelnen
aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre

(Ein unsinniger Gedanke
aber er hilft es
auszumachen)

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen












Erste Fassung:

Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich

(weil es für mein Empfinden so unendlich lange her ist)
(weil es für mein Empfinden so unendlich weit weg ist)

Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern

Vater lacht mit wilden Locken

(Locken die ihre Hände
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als stünde unumstößlich fest
dass ich in jedem einzelnen
aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre

(Ein unsinniger Gedanke
aber er hilft die Entfernung
auszumachen)

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen
Zuletzt geändert von Lisa am 20.01.2007, 11:38, insgesamt 5-mal geändert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.01.2007, 12:57

Liebe Lisa,

ich schleiche schon seit gestern abend um diesen Text herum, und habe meine Mühe damit. Die Idee, auch das Bild, das Du zeichnest, gefallen mir. Aber für meinen Geschmack nennt es das Thema zu oft (unendlich lange her, unendlich weit weg, nicht dabei gewesen, nicht dabei gewesen wäre, die Entfernung, ein Damals nicht in Jahren zu messen). Es "fällt" für mich in der Strophe, die ich als zentral empfinden (Wenn ich das Bild betrachte...) auch aus der Form des "Erzählgedichtes". So kommt es mir insgesamt noch etwas unausgegoren vor.

"Vater lacht mit wilden Locken": es ist deutlich, was Du meinst, aber eigentlich lacht man nicht mit den Locken, sondern mit dem Mund, den Augen...so irritiert mich der Satz etwas. Vielleicht würde ein Zeilenumbruch das abmildern.

Den Anfang könnte ich mir gut etwa so vorstellen, die letzte Klammer würde ich samt Inhalt streichen, weil sie so sehr reflektierend ist. Insgesamt also (ich hoffe, das ist okay für Dich, es soll nur meine gedanken in eine konkrete Idee umsetzen, mehr nicht:

Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
als ob das Silber schon zu braun zerfallen
Photographie nennen will

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die ihre Hände
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als stünde unumstößlich fest
dass ich in jedem einzelnen
aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre

Dieses Leben da
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Nur eine Idee, vielleicht verändert das Deine Intention auch sehr stark. Und so geändert würde es eher unter Lyrik stehen müssen, denke ich.

Liebe Grüße

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 16.01.2007, 10:50

Lieber leonie,
ich denke, du hast mit deiner Einschätzung recht. In dem Gedicht geht es zwar nicht um viel mehr als "Ferne", aber ich denke, es stimmt, dass ich es zu oft benenne. Vielleicht habe ich durch zu viele verschiedene Stilmittel versucht, gleich am Anfang und später...da ich mich selbst dem Klang der Wiedrholung am Anfang nicht entziehen konnte, ließ ich das stehen, aber ich streich jetzt mal die ersten Bezüge, karger ist für das Thema sicher nicht schlecht.
Die zweite Klammer kann ich nicht streichen (oder ich brauche mehr Dringlichkeit von dir ;-)), für mich hat es eine zusätzliche Qualität, wenn man etwas trotzdem tut, obwohl man weiß, dass es unsinnig ist und zu nichts führt...
Vater lacht mit wilden Locken....da muss ich noch nachspüren (vielleicht haben andere noch eine Idee), ob das so verwirrend ist. Zum einen meine ich mit wie: Vater steht da mit wilden Locken (also nicht "instrumentalis"), zum anderen sind diese Locken wirklich so wild und explodierend, dass er mit ihnen lacht. Daher fände ich den Umbruch (noch?) nicht so gut...(Habs jetzt doch mal gemacht) Etwas krude vielleicht....(Insgesamt brauche ich aber Hilfe bei den Umbrüchen, das woltle ich sogar erst noch beim Posten druntersetzen....ist in sich noch nicht stimmig).

Zur Rubrik: Ein richtiges Erzählgedicht ist es sicher nicht, ich fand aber, es passt am besten in diese kategorie. Außerdem mag ich diese (und die anderen kleinen) Kategorien stützen, ich finds schade, dass sie etwas untergehen. Daher werde ich so es nur irgend wie geht, jetzt immer meine Gedichte hier oder in ähnlichen Kategorien einstellen :-).

Wie wäre denn:
Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die ihre Hände
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als stünde unumstößlich fest
dass ich in jedem einzelnen
aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre

(Ein unsinniger Gedanke
aber er hilft es
auszumachen)

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen


(Klammer noch verkürzt)
Ist dadurch der "Über"-eindruck gemildert? oder ist es durch die letzte Strophe immer noch zuviel?

Ich danke dir,
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 16.01.2007, 13:57

Liebe Lisa,

ich finde das Thema faszinierend, nein, ich muss mich korrigieren, nicht das Thema an sich, sondern das von dir nur teilweise beschriebene Bild, über das du aber nur wenig erzählst.
Ich empfinde schon, dass du vom Stil und den Sätzen her ein Erzählgedicht geschrieben hast.
Mir gefällt es und ich kann mir gut vorstellen, wie die Fotografie aussieht und auch die Gedanken des Lyrich beim Ansehen gut nachvollziehen.
Das Lyrich muss selbst schon in einem vorgerückten Alter sein, denn es handelt sich offenbar um einen sehr alten Handabzug, den es betrachtet, und der mit den Jahren braun geworden ist.

Eltern sind Fremde, so lange, man noch nicht dazu gehörte, sprich vor der eigenen Geburt, oder gar so wie du beschreibst: als hätte das Lyrich nie dazugehört.
Darin enthalten ist die Liebe zwischen den Eltern, in die das Lyrich anscheinend keinen Einblick gehabt hat. Du könntest das Lyrich ruhig noch etwas ausmalen, eine konkrete Erinnerung in das Bild hineinerzählen lassen, meine ich.
Ich kann die Stimmung des Lyrich nachvollziehen, u. a. wegen des Silber zu Braun. Mene Vorstellung der Menschen auf dem Bild beschränkt sich jedoch auf Locken + Lachen des Vater. (Die die Hände der Mutter rund werden ließen ist nicht auf dem Bild sichtbar sondern sind die Gedanken des Lyrich.
Heißt das nun,vielleicht, dass die Mutter hinter dem Vater in der Erinnerung des Lyrich zurücktritt, oder immer unscheinbar im Hintergrund war?
Handelt es sich um Bewunderung für den Vater, Verehrung?
Ist aus dem Verhalten der Mutter, (wenn die Locken die Hände rund werden ließen), evtl. Ehrerbiertung, Anpassung oder sogar Unterwürfigkeit enthalten, an die sich das Lyrich erinnert?

Verstehe mich bitte nicht falsch, liebe Lisa, ich habe sehr gern viel Freiraum für Interpretationsspielraum beim Lesen von Gedichten. Hier scheint mir aber, gerade weil es sich um ein Erzählgedicht handelt, es auch von Sprache und Satzbau als soches zu sehen ist, dass mehr erzählt werden darf und kann, ohne dem Leser die Gedankenfreiheit zu rauben.
Natürlich kannst du es dennoch so offen lassen, aber dann würde ich insgesamt wmeh verdichten, weniger erzählen.
Falls das zwischen den Zeilen zu kurz gekommen ist. Sehr gern gelesen. mir gefällt die Idee, Ferne so zu umschreiben.

Liebe Grüße
Gerda

Niko

Beitragvon Niko » 16.01.2007, 14:07

hallo lisa!

solchen erzählgedichten stehe ich immer ein wenig machtlos gegenüber. ich mag solches sehr. ich finde deinen text sehr inspirierend und er erinnert mich an bilder meines vaters. ich kenne ihn seit ich denken kann mit weißem haar. hatte er schon mit 30 (als ich geboren wurde war er allerdings 49) naja.....tut nichts zur sache und doch auch.......es weckt vieles. drängt mich aus den jahren. und irgendetwas in mir will immer verkürzen. schrecklich, das.....

ich mags. punktum. und ich sage mir, dass es an der zeit ist, mich dem kurzen abzuwenden und auch in längerem mich zu proben. denn ich stelle fest, dass nicht nur in der kürze die würze liegt.

die geänderte fassung sagt mir mehr zu. mehr bin ich nicht imstande beizutragen. nur ein indifferentes "danke" möcht ich schon noch anfügen.

herzlichst: Niko

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leonie
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Beitragvon leonie » 16.01.2007, 21:23

Liebe Lisa,

das wird Dich jetzt nicht erstaunen: Mir gefällt es besser so! Es gibt noch einige Punkte, über die ich nachgedacht habe.
Ich dachte auch, Du könntest das, was auf dem bild ist, ruhig ausführlicher darstellen. Außer es hat wirklich genau mit diesem Inhalt zu tun (mit dem Lachen, mit den Locken), dass der Abstand sich so groß anfühlt. (Ich vermute fast, dass es so sein könnte).

Mir ist nicht deutlich, wieso die vierte Zeile (wie man das ja so kennt...) nötig ist, ich finde, das Bild entsteht völlig klar durch die ersten drei Zeilen.

Und vielleicht das "es" in der letzten Klammer rausnehmen? Das ist mir jetzt deutlicher, warum sie insgesamt bleiben muss.

Schön, dass die Gedichte Dich wieder mögen! ;-)

Liebe Grüße

leonie

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.01.2007, 02:03

Hallo Lisa,

dein Gedicht spricht soviel Sehnsucht und Schmerz aus, durch den Versuch der Distanz des LIs, und dadurch, dass es dem LI eben nicht gelingt. Es spricht mich sofort an, doch würde ich einiges ändern, um diesen Schmerz und die Sehnsucht - meinem Empfinden nach - noch ausdrucksstärker zu gestalten. Ich wusel mal drin rum, als Anregung. (Danach wäre es aber wohl kein Erzählgedicht mehr,-). Vor allem braucht es die Klammern nicht. Lass den Inhalt im Gedicht drin, grenze ihn nicht aus, denn das tust du in diesem Fall, die Klammern erzeugen hier für mich keine neue, ergiebige Ebene, wie bei deinen anderen Texten. Hier finde ich es sinnvoll und wichtig, alles in gleicher Ebene zu schreiben.
Saludos
Magic



Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will --> das finde ich gut, drückt diese gewollte Distanz aus

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern hier könnte etwas rein wie: braun wie die Erinnerung?

Vater lacht
mit wilden Locken --> genial!

(Locken die ihre Hände
haben weich rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte) --> Klammern weg

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir --> nach "nein" Umbruch
als stünde unumstößlich fest
dass ich in jedem einzelnen
aller möglichen Fälle

nicht dabei gewesen wäre

(Ein unsinniger Gedanke
aber er hilft es
auszumachen)
--> kann m.E. weg

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen --> Klasse!

Peter

Beitragvon Peter » 17.01.2007, 07:11

Hallo Lisa,

beim Lesen der zweiten Fassung dachte ich, dass es schade sei um die Klammern zu Beginn; schade um den Zwischenton, den sie einwerfen, um den "Sinn-Schatten", der in den logischen Umgang, in das (taghelle) Verstehen doch etwas Lebendiges (eine Sehnsucht) wirft. Schade. Auch weil die Klammern ja die späteren einleiten.

Ich finde, du hättest sie verteidigen müssen, doch! Denn zu einer der Wahrheiten deiner Texte, denke ich, gehört die Vielstimmigkeit; dass Sprache vielstimmig ist; dass es den einen Erzähler nicht gibt; dass Stimmen erzählen; dass sich die Stimmen widersprechen; dass im Kern die Sprache aufgespalten ist, ein paradoxes, aber auch sich erweiterndes Durcheinander.

(Leonie hat angemerkt, bestimmt zurecht, dass ein gewisser sich wiederholender Impetus, eine Art drängende Sehnsucht, vorherrscht im Gedicht, und hat dieses zu einer Stilfrage erhoben, sinngemäß ob dieses der Form des Gedichtes schadet. Es schadet, wie ich meine, tatsächlich der Form, aber zugunsten doch einer Wahrheit, indem nämlich im Innersten, vielleicht als der innerste Versuch deines Gedichtes, eine Charakterisierung geschieht, der Sehnsucht nämlich selbst. So spricht die Sehnsucht! Sie wiederholt; sie insistiert; sie ist nicht abzubringen... ins Erzählen, denn sie will! Also schadet sie der Form...)

Soweit, Lisa, pardon, es ist noch früh, mir schwirrt ein bisschen der Kopf! Vielleicht kannst du verstehen, auf was ich eigentlich hinauswill (besser verstehen als ich). Vielleicht meine ich ganz zuletzt, wenn man vom Leben schreiben will, wie du, nicht vorerst darstellend... sondern mitten im Wort, jetzt, daseiend, jetzt, immer ganz jetzt! gibt es keine Formen mehr, und die Sprache, in ihrer Wirklichkeit, zerstört Sprache.

Auweh, ja? Doch! Es stimmt.

Liebe Grüße,
Peter

Last

Beitragvon Last » 17.01.2007, 10:45

Hallo Lisa,

diesem Text fehlt die Wortmagie, deiner anderen Gedichte. Ideen und Bilder sind stimmig, ansprechend und kreativ. Titel und letzter Absatz sind phantastisch! Dazwischen erklärst du, was ich nur ahnen möchte. "Vater lacht mit wilden Locken" - Diese Zeile geht zwischen prosahaften Textteilen unter, evtl hätte man daran die Dimensionen des Frühers lyrischer veranschaulichen können, als in der langen erklärenden Passage.
Das Gedicht gefällt mir trotzdem sehr und vielleicht kann ich die erklärenden Passagen als Notwendigkeit für den tollen Schlusssatz hinnehmen, dann wäre es halt ein arbeitender statt eines verzaubernden Textes :)

LG
Last

pandora

Beitragvon pandora » 17.01.2007, 17:24

liebe lisa,

dein gedicht ist "sperrig", dh, es will sich mir nicht ohne weiteres erschließen.
das liegt möglicherweise daran, dass es zwei komplett unterschiedliche botschaften vermittelt.
zum einen lese ich von der verbundenheit mit dem vater.
(wobei ich die "lockenzeile" problematisch finde. wessen hände mussten rund sein? die der großmutter? ist das eine verborgene anspielung?)
zum anderen erfühle ich eine (vielleicht ungewollte) abgrenzung. ein ausgeschlossensein.
das lyrICH kennt den vater eben nur als familienoberhaupt ..., nicht als den jungen wilden und daran lässt sich naturgemäß nichts ändern.
gut finde ich, dass du den begriff SEPIA nicht ins spiel bringst, der ja in verbindung mit alten fotos desöfteren strapaziert wird.

lg
p.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.01.2007, 17:34

Hallo ihr,
ich danke euch für die wunderbar konträren Eindrücke :banana_1: , ich weiß selbst noch nicht, wo ich mit dem Gedicht hinwill.

(Peter du hast eine ganz eigene Antwort verdient, natürlich stimmt es (wieder einmal) was du schreibst. Näher an dem, was ich erzählen wollte ist das Gedicht mit Klammern bestimmt. Näher am wie man es erzählen sollte, sodass es gelingt es für andere transportieren zu können (außer an dich ;-)) ist wohl eine Variante, die dieses Gedicht noch nicht oder nie (dann das nächste vielleicht besser) leisten wird. Ich weiß, dass es literarisch noch nicht trägt, auch wenn du es lesen konntest (ich dank dir für die Anerkennung der Klammern).

dann haben wir Gerda und Last auf verschiedenen Seiten, einmal wird noch zu wenig geschildert, einmal zuviel. Das zeigt mir, dass der Text noch zu unentschieden ist. Ich woltle keine devote Mutter schildern.

Erste Variante war:

(Locken die ihre mir so
grundsätzliche Hand
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Wäre das deutlicher? Die Locken des Vaters sollten das lebendige fröhliche zeichnen, das in einer Zeit war, in der es das lyr. Ich noch nicht gab. Die so anders ist als das eigene Erleben mit diesen Personene auf dem Photo heute, so sehr davon abweicht, dass es unwirklich scheint. Das rund in weich zu ändern (@magic) ~~ ja, es ist nicht so, dass ich das nicht gedacht habe ~~~ aber rund steht mir so bildlich gegen die abwehrende Hand oder eine geschlossene Faust, ich bin unsicher, das rund ist so passgenau für die Locke. Ist natürlich aber schon ein bisschen "doof".)

Wäre denn so die Passage deutlicher für dich Gerda?

Zu dem braun: Gerda, das Photo um das es hier geht ist nicht braun (daher steht da: als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern . Das Photo um das es geht, ist gar nicht so alt und es ist auch nicht braun geworden von der Zeit (während eines Praktikums bei einem Photographen lernte ich mal - wenn richtig gemerkt - das die Photos diesen Sepiastich kriegen, wenn die Silberteile zerstört werden (oxidieren??? egal). Es gibt da dann so spezielle Lösungen, das vorzeitig in Gang zu setzen, naja heute alles digital, ist lange her).
Den Vergleich zieht das lyr. ich nur, um auszudrücken wie alt/weit weg dieses Bild für es erscheint, obwohl es in 2Wahrheit" vielleicht erst 16 jahre oder 20 sind....

leonie: das zu ist jetzt in der Version 3 eh weggefallen ;-).

Last (und die anderen) wie wäre denn diese Version?

Silber zu braun

Es gibt da dieses Bild das ich
Photographie nennen will

als ob das Silber schon zu braun zerfallen
wie man das so ja kennt von alten Bildern

Vater lacht
mit wilden Locken

(Locken die ihre mir so
grundsätzliche Hand
haben rund sein lassen müssen
wenn sie diese berührte)

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen


Eventuell passt dann aber das dieses und jenem nicht, weil es direkt anschließt und dann komisch wirkt? Muss ich da nochmal umformulieren?

Das wäre jetzt die neue Variante in Richtung Reduktion. Wenn das gar nicht geht, muss ich versuchen, mehr auszuerzählen...
ich hoffe, ihr könnt mir nochmal helfen...danke!
Liebe grüße,
Lisa

(version 3 stell ich oben ein)

PS: Niko, danke! Das ist schön zu lesen. Und ich wär da ernsthaft drauf gespannt!!
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leonie
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Beitragvon leonie » 17.01.2007, 18:08

Liebe Lisa,

obwohl ich ja oft fürs Kürzen bin, finde ich die zweite Version am Besten. Mir fehlt jetzt die Strophe, die anfing "Wenn ich das Bild betrachte...." Sie machte das Ganze für mich "sichtbarer".

Liebe Grüße

leonie

Max

Beitragvon Max » 17.01.2007, 18:31

Liebe Lisa,

das gedicht habe ich ja erst jetzt gesehen!

Ich kann micht so gut in es hineinfinden, weil ich denke, ich weiß, was Du beschreibst.
Nun ist es von Fassung zu Fassung kürzer geworden (was ich im Falle des beschriebenen Rahmens bedaure, aber bei fast allen anderen Fällen begrüße) und auch ich komme noch mit einem, wenn auch kleinen, Kürzungsvorschlag. In der letzten Strophe

Dieses Leben da
auf jenem Bild
ist mir ein Damals
nicht in Jahren zu messen


siind mir einfach zu viele Demonstrativpronomina. Wie wäre denn

Das Leben
auf diesem Bild
ist mir ein Damals

Nicht in Jahren zu messen


statt dessen?

Liebe Grüße
max

Mucki
Beiträge: 26644
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Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 17.01.2007, 18:52

Hallo Lisa,

dieser Passus:

Wenn ich das Bild betrachte
den gemaserten Rahmen
mit meinen Fingern umfasse
ist mir nicht nur
als sei ich nicht dabei gewesen
nein dann ist mir
als stünde unumstößlich fest
dass ich in jedem einzelnen
aller möglichen Fälle
nicht dabei gewesen wäre


ist jetzt ganz weg, aber er fehlt mir, drückt er doch so viel Wichtiges aus. Ich finde, er muss hinein.
Saludos
Magic


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