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Winter auf Amrum
Verfasst: 13.01.2007, 18:29
von Perry
2. Fassung:
Winter auf Amrum
Es zieht mich dorthin
wo die Dörfer
nach den Himmelsrichtungen
benannt sind
das Dünengras
weiße Hauben trägt
wo im Sommer
Herzmuscheln dümpeln
der Leuchtturm
eine Sonnenbrille trägt
lande ich als Eisscholle
am Spülsaum der Westküste
1. Fassung:
Winter auf Amrum
Es zieht mich dorthin
wo die Dörfer
nach den Himmelsrichtungen
benannt sind
das Dünengras
weiße Hauben trägt
wo im Sommer
Herzmuscheln dümpeln
der Leuchtturm
eine Sonnenbrille trägt
lande ich als Eisscholle
am Spülsaum der Walfänger
Verfasst: 14.01.2007, 00:42
von Stigma
Hallo Perry,
ich stehe deinem Gedicht zweigeteilt gegenüber. Ich denke, das liegt daran, dass es in mir falsche Assoziationen hervorruft. Auf diese werde ich mal näher eingehen.
Es zieht mich dorthin
wo die Dörfer
nach den Himmelsrichtungen
benannt sind
das Dünengras
weiße Hauben trägt
Die erste Strophe gefällt mir sehr. Kleine Dörfer und Dünengras mit Hauben, das klingt niedlich, und ich möchte auch nach Amrum (vielleicht solltest du das in ein Werbeprospekt für Amrum schreiben
.gif)
)
wo im Sommer
Herzmuscheln dümpeln
der Leuchtturm
eine Sonnenbrille trägt
Das klingt nach Sommerurlaub und Sonne, Entspannung und Erholung. Bis hierher ist noch alles im grünen Bereich.
lande ich als Eisscholle
am Spülsaum der Walfänger
Warum als Eisscholle? Es ist doch sommer... Vielleicht erfroren in der stressigen Welt außerhalb Amrums? Ich denke, das macht Sinn.
"Spülsaum der Walfänger" klingt allerdings sehr negativ für mich. Da denke ich an Tiere, die abgeschlachtet werden, an Blut, an Qualen... das gefällt mir nicht.
Liebe Grüße,
Stigma
Verfasst: 14.01.2007, 13:04
von Max
Lieber Stigma, lieber Perry
ich lese das Gedicht anders.
Für mich ist eben gerade nicht Soommer, sondern das lyr. Ich erinnert sich, wie Amrum im Sommer ist, jetzt ist Winter -> die weißen Hauben auf dem Dünengras sind doch Schnee, oder?
Da ich die Inseln der Nordsee liebe - geradeim Winter - und das Gedicht zudem Wörter enthält, die auch in meinem Notizbuch für Gedichte vorgemerkt sind (z.B. Spülsaum), mag ich das Gedicht. Einziges kleines Fragezeichen ist für mich das letzte Wort:Walfänger. Da ist mir nicht klar, ob die Menschen oder deren Boote gemeint sind (beide haben ja an sich erstmal keinen Spülsaum) und auch wusste ich nicht, dass Amrum Walfänger ausgestattet hätte - ich dachte immer der deutsche Walfang wäre von der Elbe aus egsatrtet (Hamburg und Verwandte).
Insgesamt habe ich das gerne gelesen.
Liebe Grüße
Max
PS: Es gibt übrigens einen Sommerspülsaum, in dem wenig gedeiht und einen Winterspülsaum, der sehr nährstoffreich ist .. würde ja passen,der Gedanke.
Verfasst: 14.01.2007, 13:33
von Jürgen
Hallo Perry
Meinst Du mit Spülsaum vielleicht die Gischt der Walfänger (der Schiffe nicht der Menschen)?
Dann wäre das ein interessantes Bild, denn so eine Eisscholle zu der das Lyrich wird, kann eine ziemlich unangenehme Sache für ein Schiff sein, denke ich.
Der Leuchtturm der eine Sonnenbrille trägt. Ist das nur eine amüsante Idee oder meinst Du da was bestimmtes?
fragt
Jürgen
Verfasst: 14.01.2007, 18:32
von Lisa
Lieber Perry,
die erste Strophe ist wirklich toll gelungen! Die Bilder gefallen mir sehr, ebenso der Rhythmus, runderhum gelungen.
Die weiteren Bilder sind auch orginell, auch wenn sie etwas abfallen (vor allem, weil die erste Strophe so etwas zartes, ungewolltes hat), gefällt mir diese Passage noch:
wo im Sommer
Herzmuscheln dümpeln
der Leuchtturm
eine Sonnenbrille trägt
Die letzten beiden Verse finde ich dann "problematisch". Nicht aus den Gründen, die Stigma genannt hat (Ein Gedicht kann ja durchaus eine plötzliche Wendung vollziehen, so lese ich das hier) und nur sekundär aus den Gründen, die Max genannt hat (er hat aber Recht), sondern vorallem, weil das Ende viel deutlicheren Charakter hat als die vorherigen. Aus einem Stimmungsgedicht wird ein Bildnisgedicht (oder wie immer man auch den Vergleich am Ende von Ich und Scholle nennen will). Nicht nur, dass ich in den meisten Fällen ersteres bevorzuge, ich empfinde es auch als Bruch, der stilistisch aus "Effektgründen" zu plötzlich gesetzt wird. Das finde ich schade, denn der Anfang des Gedichts ist wirklich verdammt gut.
(Unter Spülsaum stelle ich mir dasselbe vor, was Gurke beschreibt. Allerdings denke auch ich, dass es in der Nähe Amrums keine Walfänger gibt? Und ich weiß auch nicht, ob man das Wort so benutzen kann, ich habs jetzt mal nachgeschlagen:
http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCstend%C3%BCne~~. Vielleicht weißt du mehr über Walfänger als wir
.gif)
.
Ich hätte das Ende dieses Gedichts gerne so poetisch wie den Auftakt, dann wäre es wirklich beindruckend.
Liebe Grüße,
eine Meerliebhaberin
Verfasst: 16.01.2007, 16:38
von Perry
Hallo ihr Lieben,
ausnahmsweise versuche ich mal eine gemeinsame Antwort, weil sich viele Fragen ja zumindest berühren.
Das Ganze soll mehr sein wie eine Hymne auf Amrum, dessen natürliche Schönheit sowohl im Sommer wie auch im Winter kaum betont werden muss. Es geht im übertragenen Sinn um die Wehmut und die Sehnsucht des lyrischen Ichs. Da ist zum einen diese unbeschwerte Sommerstimmung, Weite (Orte, die wie Himmelsrichtugen heißen), Unbeschwertheit (Leuchtturm mit Sonnenbrille) und der Liebesgenuß (Herzmuschel ...). Dem steht der Lebenswinter gegenüber, den das Lyrich mit seinen mittlerweile gefrorenen Gefühlen (Eisscholle) wie die heimkehrenden Walfänger, von denen einige dort ihren Altersruhesitz haben, auf Amrum verbringen möchte.
Das wichtigste Bild ist für mich der Spülsaum, weil darin dieses angespült werden an der (winterlichen) Küste des Lebens mit all seinen Nährstoffen gerade zu umfassend ausdrückt wird (danke Max für diese Ergänzung).
Ich hoffe, dass meine Intention damit besser rüberkommt.
Vielen Dank für euer Interesse an diesen für mich wirklich wichtigen Zeilen.
LG
Manfred
PS: Vielleicht arbeite ich das Bild mit dem Spülsaum noch etwas um, weil es sich ja mehr auf die Insel als auf die Walfänger bezieht.
Verfasst: 16.01.2007, 18:52
von Klara
Hallo,
gefällt mir sehr gut,
aber sowohl in Version 1 als auch in Version 2 würde ich einfach die letzten beiden Worte weglassen und mit "am Spülsaum" enden.
Ist offener und weniger künstlich. Meermäßiger. Insel...
LG
Klara
Verfasst: 16.01.2007, 19:06
von Max
Lieber Perry,
ich kann man mich mit Version 2 anfreunden, möchte aber betonen, dass auch Klaras Vorschlag für mich einiges für sich hat.
Liebe Grüße
max
Verfasst: 16.01.2007, 19:17
von Ramona_L
Lieber Manfred,
mir gefällt die Variante mit dem Walfänger besser,
Dein Gedicht weckt Sehnsucht nach Wind und Wogen.
Es gefällt mir sehr.
Man möchte es malen.
Einen schönen Abend,
Ramona
Verfasst: 16.01.2007, 21:26
von leonie
Lieber Manfred,
ich war einmal auf Amrum, es war eine wundervolle Woche, Julitemperaturen im Mai, man konnte inm Meer baden und überhaupt: Das ist eine zauberhafte Insel. Ich habe mich gerne zurückversetzten lassen von Deinen schönen Bildern.
Ich finde Klaras Idee gut, dass gedicht mit dem Wort "Spülsaum" enden zu lassen.
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 16.01.2007, 22:26
von Perry
Hallo Klara,
danke für deine positive Einschätzung und deine Anregung zum Schluss, die ich sehr ernsthaft prüfen werde.
LG
Manfred
Hallo Max,
die "Westküste" steht hier zum einen als reales Bild, weil sich dieser Spülsaum genau dort bildet und zum anderen als Metapher "im Westen geht die Sonne unter/endet das Leben" interpretiert werden kann. Vielleicht geht es aber auch ohne.
Danke für dein Feedback und LG
Manfred
Hallo Ramona,
na dann Pinsel gezückt und los gehts. Ich mache zwar manchmal Textbildcollagen, würde aber meine Zeilen gern auch unter ein selbstgemaltes Bild setzen.
Mich haben die Walfänger auch wegen der Ausweitung der Gedanken auf das Wilde, Schöne aber auch Gewaltätige der Meer-Menschbeziehung gereizt. Verstehe aber, dass es in seiner Kürze zum Rest des Gedichtes vielleicht einen zu starken Kontrast darstellt.
Danke für deine Einschätzung und LG
Manfred
Hallo leonie,
begrüße dich ganz herzlich im Fanclub Amrum (lächel).
Freut mich, dass dich meine Zeilen berühren konnten und schöne Erinnerungen geweckt haben.
LG
Manfred