In deinen Händen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 11.01.2007, 16:29

Ich zeichnete die Linien nach
in Deinen Händen,
einen Weg
von dem ich meinte,
wir könnten ihn gehen.

Da wusstest Du noch
wie man Gärten anlegt
und bautest ein Baumhaus
für unsere Träume.

Ich strich über deine
rauhen Hände, die
hielten behutsam
mein Herz.
Drehten es um.

Dann gingst Du fort.
In die andere Richtung.

Ich schaue aus
und weiß doch,
dass Du jetzt
im Rücken wohnst.

Selbst Deine Hände,
die ich zu kennen glaubte
schreiben heute
mit manikürten Nägeln.


Erstfassung:

Ich zeichnete die Linien nach
in Deinen Händen,
einen Weg,
von dem ich meinte,
wir könnten ihn gehen.

Da wusstest Du noch,
wie man Gärten
anlegt
und bautest Regale
für unsere Träume.

Ich strich über die Schwielen
und küsste Deinen
blaugehämmerten Daumen.

Behutsam hieltst
Du mein Herz
wie ein Küken,
dem Nestwärme fehlt.

Dann drehtest du es um,
und ich fühlte und weinte,
lebte und liebte
wie nie zuvor.

Du aber gingst fort
in die andere Richtung

Ich halte Ausschau
und weiß doch,
dass Du jetzt
im Rücken wohnst.

Selbst Deine Hände,
die ich zu kennen glaubte,
schreiben heute
mit manikürten Nägeln.


Vorher: "wie man den Acker bestellt" statt "wie man Gärten anlegt"
Zuletzt geändert von leonie am 24.01.2007, 15:33, insgesamt 9-mal geändert.

Herby

Beitragvon Herby » 11.01.2007, 22:15

Liebe leonie,

ein wehmütig - bitterer Text, der mich sehr anspricht. Das Bild der Regale für die Träume finde ich stark, am gelungensten aber ist für mich das der manikürten Nägel in den letzten beiden Versen! Anfangs hatte ich ein Verständnisproblem damit, weil es mir im Kontext der beiden vorhergehenden Strophen nicht schlüssig zu sein schien, aber da hatte ich zu flott über das Verb „schreiben“ gelesen.

Die einzige Stelle, über die ich sprachlich stolpere, ist

dass Du jetzt
im Rücken wohnst.


Ich glaube zu verstehen, was Du ausdrücken möchtest, aber es klingt nach meinem Empfinden etwas sperrig. Grübel ... :12:

Darf ich noch ein paar Vorschläge zur Zeichensetzung machen? (Ich komme mir manchmal so bescheuert vor, wenn ich wieder mit meinen Kommas anfange, und doch kann ich es oft nicht lassen :confused: ) Da Du in einigen Strophen ohnehin schon Kommata gesetzt hast, solltest Du nach „Weg“ (I), „noch“ (II), „Küken“ (IV), „weinte“ (V) und „glaubte“ (VIII) noch nachlegen.


Liebe Grüße in einen stürmischen Abend
Herby

Nihil

Beitragvon Nihil » 12.01.2007, 09:04

"Da wusstest Du noch
wie man den Acker
bestellt, Alter" .. :mrgreen: Alles klar.

Schöner fände ich z.B. "Da wusstest Du noch wie man Gärten anlegt" oder so ähnlich ..

Nihil

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leonie
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Beitragvon leonie » 12.01.2007, 10:00

Lieber herby,

danke für Deine Rückmeldung, schön, dass es Dir gefällt. Die Kommata habe ich eingefügt (wie peinlich), angemerkte Strophe werde ich wahrscheinlich noch ändern, wenn ich eine Idee dazu habe. Ich muss drüber nachdenken.

Lieber nihil,

danke. Erst dachte ich, es darf ruhig ein bisschen derber sein. Aber Deine Formulierung passt viel schöner zum Regal für die Träume. Danke für den Vorschlag, den ich gern übernehme!

Liebe Grüße

leonie

Nihil

Beitragvon Nihil » 12.01.2007, 13:01

Ach Leonie, schon gut .. weiß ich als alter Hase doch nur zu genau, dass die Frauen hinter all dem neckischen Tand des Damenhaften ihrer Gefallsüchtigkeiten, ihrem zur Schau gestellten "romantischen Bedürfnis" als ihren Wert für den Mann erhöhendes Accessoire, in Wahrheit die eigentlich derben Prolls sind. :pfeifen:

:mrgreen:

Nihil

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 12.01.2007, 13:46

liebe leonie,

zu diesen zeilen, einige fragen:

Dann drehtest du es um,...........(meinst du das herz?)
und ich fühlte und weinte,
lebte und liebte
wie nie zuvor.

Du aber gingst fort
in die andere Richtung..........(in welche Richtung bezogen auf was? einen anderen weg - vielleicht?, ja: du aber gingst einen anderen weg - oder?)

Ich halte Ausschau
und weiß doch,
dass Du jetzt
im Rücken wohnst. .................(häääh? im rücken wohnen?...was meinst du hier?)

steh wohl gerad auf meiner leitung.

grüße sehr
hakuin

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Beitragvon leonie » 12.01.2007, 15:18

Lieber nihil,

nicht immer, aber immer öfter(?) :mrgreen:

Lieber hakuin,

es war ein Versuch, mit dem Thema "Weg, Richtungen" zu spielen. Aber mich überzeugt er auch noch nicht. Ich muss nochmal in Ruhe überlegen.

Danke für die Rückmeldung!

Liebe Grüße

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.01.2007, 11:18

Liebe leonie,
ich finde, das Gedicht trägt viele Bilder in sich, die wirklich gelungen sind. Das geht gleich mit der ersten Strophe los, die einfach schon für sich genommen ganz rund ist (alles beinhaltet, was dann folgt) und ein treffendes und auch sinnliches Bild ist. Die Linien lassen sich sowohl so lesen, dass das ich das Du kennen lernt (die entstandenen Linien), als auch vorausdeutet (herausliest, wohin es gehen könnte).

In Strophe zwei dann bricht sich etwas der Stil des Textes:

Da wusstest Du noch,
wie man Gärten
anlegt
und bautest Regale
für unsere Träume.


Ich lese Gärten und Regale so verschiedenartig. Regal haut mich raus, obwohl ich es schon gegenständlich unvebraucht finde. Aber Garten als Wort ist lyrisch so eine andere Ebene, sozusagen unkonkreter und als Topos viel "klassischer", so dass ich Gärten (verwunschen, Natur, Wildnis) und Regale (völlig neu zu lesendes Bild in diesem Kontext, kein Vorkontext da) klanglich nicht zusammenbringen kann. Beides für sich genommen ist gelungen, finde ich. Ich würde mir einen leichten Angleich der "Schwingungen" der beiden Worte wünschen.
Ich strich über die Schwielen
und küsste Deinen
blaugehämmerten Daumen.


Ab hier zeichnet sich ab, dass das Gedicht eher den Ton des "Regals" weiterverfolgt, dass es vielleicht also helfen würde, den Garten zu brechen. Bei dem Daumenbild bin ich zwiegespalten, auf eine Art gefällt es mir, manchmal blitzt aber auch etwas zu lustiges rein (ich denke an die megadaumen in Zeichentrickfilmen und die sprichwörtliche Dummheit, die oft den Daumenhauern zugesprochen wird...vielleicht habe ich da auch einen Hau ;-)). Zudem wird hier mit dem Daumenhauen das Bild des Bauens (Garten & Haus) so detailorientiert ausgebreitet, dass es seltsam ist, dass die Metapher danach gar nicht mehr vorkommt - anstelle diesem treten dann ganz verschiedene Bilder. Verschiedene Bilder in einem Gedicht können durchaus ineinanderstimmen, aber wenn der Auftakt dabei ist ein Bild auszubreiten, ist man irritiert, warum es dann auf einmal umbricht.

Behutsam hieltst
Du mein Herz
wie ein Küken,
dem Nestwärme fehlt.


Das ist zwar schon recht mutig, was "pathetisch" angeht, du schaffst den grenzgang aber für mich an dieser Stelle, die Zartheit kommt bei mir an.


Dann drehtest du es um,
und ich fühlte und weinte,
lebte und liebte
wie nie zuvor.


Hakuins Nachfrage ist berechtigt. Man versteht zwar, was du meinst, der Bezug könnte aber tatsächlich auch das Kükenbild aufnehmen. Ich glaube das kommt daher, dass du das Herz gerade als Küken aufgebaut hast und dann kommt ein völlig anderes Bild, das "Undrehen", für mich ein zu unmotivierter Wechsel?
Zudem muss ich zugeben, dass das und fühlte, weinte, lebte und liebte etwas zu Superlativhaltig für mich ist, um es ohne Widersträuben zu lesen, wirkt etwas unglaubwürdig (obwohl ich selbst zu solcher Art Zeilen tendiere).


Ich halte Ausschau
und weiß doch,
dass Du jetzt
im Rücken wohnst.


Das Rückenbild finde ich dagegen unmissverständlich und sehr gelungen. Es greift auch das Anfangsbild wieder auf. Das Du ist noch nah, aber nicht sichtbar, ansprechbar, abgewandt. Mag ich sehr.

Selbst Deine Hände,
die ich zu kennen glaubte,
schreiben heute
mit manikürten Nägeln.


Hier sieht man wieder, wie man doch unterbewusst vom Autor auf den text schließt, ich dahcte natürlich das Du sei der Mann...
Das Bild gefällt mir auch, Nagellack (rot & grell in meiner Vorstellung) mutet gleich befremdlich an, gerade im Kontrast zu der Nähe aufbauenden ersten Strophe. Allerdings schließt für mich diese Strophe das Gedicht nicht richtig (auch leicht übertrieben von mir ~~), weil du von einer Konsequenz (das Du ist fort) wieder auf ein Detail kommst, ich gehe fehl, weil ich denke, jetzt kommt noch eine "Erklärung".
Ich könnte mir dafür vorstellen, den letzten Teil umzustellen bezüglich der Strophenabfolge:

Dann drehtest du es um,
und ich fühlte und weinte,
lebte und liebte
wie nie zuvor.

Du aber gingst fort
in die andere Richtung

Selbst Deine Hände,
die ich zu kennen glaubte,
schreiben heute
mit manikürten Nägeln.

Ich halte Ausschau
und weiß doch,
dass Du jetzt
im Rücken wohnst.





(passt noch nciht ganz so, müsste noch etwas aufienander abgestimmt werden)


Insgesamt ein Text, dessen Thema und Umsetzung mich anspricht, die Bilder sind sehr berührend und fassbar. Allein scheint es mir noch nicht ganz fertig was Reduktion und Abstimmung angeht.

Sehr gern gelesen!
Liebe Grüße,
Lisa
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Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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leonie
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Beitragvon leonie » 13.01.2007, 12:19

Liebe Lisa,

Du gibst meinen eigenen Eindruck wieder, den ich aber nicht recht fassen konnte. Das Bild der Hände sollte das Ganze zusammenhalten (deshalb muss für mein Empfinden die letzte Strophe bleiben, wo sie ist!), aber ich denke, es sind zuviele andere Bilder darin, die nur angerissen werden. So "funktioniert" es nicht wie ich mir das dachte. Auch die Superlativ-Stelle ist mir selbst fast zuviel des Guten.

Ich überlege schon hin und her, aber mir fällt nicht recht ein, wie ich es so hinkriegen könnte wie ich es dachte. Ich glaube, ich brauche Zeit dafür. Vielleicht muss ich einfach noch einmal überlegen, welche Bilder bleiben müssen und welche sich wie einbinden lassen, welche vielleicht dann ganz wegfallen können. Und an den Übergängen arbeiten. Auf jeden Fall hilft mir Dein posting sehr zu sehen, in welcher Richtung es weitergehen kann!

Ich hätte das Ganze besser in der Textwerkstatt gepostet, ich glaube, es wäre gut, es zu verschieben.

Liebe Grüße

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.01.2007, 12:27

Liebe leonie,
na, zersetzen wollte ich den Text auf keinen Fall. Ich glaube, jetzt malst du ihn schlehcter als du ihn geschrieben hast, er ist doch schon sehr gut. Textwerkstatt? ich weiß nicht, klar, ich verschieb ihn gern, befinde es aber nciht für "nötig".
Manchmal ist es mit einem Text so schwierig (jedenfalls geht es mir zur Zeit so), weil schon so viel von ihm da steht. da hilft es (unter Bewahrung der schönen Bilder für andere Texte oder spätere Verwendung) auf das zu reduzieren, was man unbedingt sagen will, was einem rund erscheint (man, das soltle ich zu mir selber sagen lieber) und nochmal neu aufzubauen.
Du solltest aber bedenken, dass ich schon bei mehreren Texten angemekrt habe, mir wechseln die Bilder zu häufig ab und bei vielen Texten, andere das ganz anders gesehen haben. Misstrau meinen Anmerkungen also auch bitte angemessen, was ihren "Geschmackscharakter" angeht. Wir sind da manchmal einfach verschieden. ich glaube schon, dass dieser Text schon nah an deiner Art ist. Soviel zu machen, wie du jetzt denkst, ist da nicht.

Liebe grüße,
Lisa
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 13.01.2007, 14:38

Hier sieht man wieder, wie man doch unterbewusst vom Autor auf den text schließt, ich dahcte natürlich das Du sei der Mann...
Das Bild gefällt mir auch, Nagellack (rot & grell in meiner Vorstellung)


mich mal kurz hier zu diesem Punkt einbring:

Maniküre bedeutet doch nicht Nagellack, sondern lediglich das Pflegen der Hände oder Nägel.
Ich sah und sehe im DU nach wie vor einen Mann und keine Frau *grübel*
Saludos
Magic

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Beitragvon leonie » 13.01.2007, 15:29

Liebe Lisa,

ja, gut, danke, ich behalte das mal im Hinterkopf. Ich glaube, heute wird das nichts mehr...Ich stehe ein wenig neben mir....

Liebe magic,

ja, das habe ich ganz vergessen: Für mich ist das LyrDu auch ein Mann, nicht mit Nagellack, aber eben mit manikürten Händen.
Und die Schwielen verbinde ich eher mit der Gartenarbeit und den blauen Daumen mit dem Regalbau. Wie gesagt, ich stehe heute ein wenig neben mir, deshalb habe ich wohl die Hälfte vergessen....

Danke Euch beiden und leibe Grüße

leonie

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Beitragvon leonie » 15.01.2007, 11:32

Hallo zusammen,

ich habe jetzt einmal versucht, Eure Anregungen aufzuarbeiten und das Gedicht umgearbeitet. Ist es so besser?

Danke und liebe Grüße

leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 17.01.2007, 17:56

Liebe leonie,
finde ich viel stimmiger! Sowohzl das Baumhaus anstelle des Daumens als auch das Kükenbild rauszunehmen und die Szene der Hände halten und umdrehen zu vereinen, dadurch wird der Text für mich runder und einnehmender.


Die neue jetzt Fragestelle:

Wann
gingst Du fort?
In die andere Richtung?


fand ich vorher stärker (ich weiß, man muss sie angleichen, aber die Fragen schwächen die Beobachtungen, weil sie dramatisieren, die Sätze vorher sind weicher und dadurch für mich schmerzhafter zu lesen). Ich weiß nicht, ob man da noch variieren kann?

Liebe Grüße,
Lisa
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